von belami

Muster ohne Wert.

7. September 2015 in Weblogs

„… Mit 66 Jahren …“ trompetet der Udo. Ärgerlich und ziemlich frustrierend drehe ich das Werkel ab. Die unmittelbar folgende Stille wirkt richtig entspannend und wohltuend. Meine fliegenden Nerven kehren allmählich in die ihnen zugeordneten Bahnen zurück. In Gedanken lasse ich den gerade hinter mich gebrachten Vormittag noch einmal Revue passieren: Es hatte damit angefangen, das heißt, es liegt schon eine geraume Weile zurück, als eines Tages die Frage in den Raum gestellt, ich mir Gedanken machte, wie das jetzt läuft, da ich nun in Pension...
Nein, es wird wohl, um die ganze Geschichte verständlich zu machen, besser sein, dass ich der Reihe nach erzähle. Kurz und gut. Vor gut zwanzig Jahren berief mich mein oberster Chef in das mittlere Management, sprich in das Vertragsschema römisch eins, was sowohl einen Orts- als auch Wohnungswechsel unabdingbar nach sich brachte. Da ich aber das Haus in der Provinz nicht verkaufen wollte, nahm ich einen Kredit auf, richtete die Dienstwohnung ein, zahlte die aushaftenden Schulden ordnungsgemäß zurück, machte nochmal Schulden, zahlte auch die pünktlich ab. So war ich – zumindest hatte ich es im Sinn – in der Lage, jederzeit dorthin zurückzukehren, von wo ich einst wegzog bis … Ja bis zu dem Tag meiner Pensionierung. Nach fünfundvierzig Dienstjahren fand ich es berechtigt, den berühmten Hut zu nehmen. Schmökere interessiert in einem Freizeitjournal. „Leben 50 Plus …“ protzt die Titelseite unübersehbar. Und der Untertitel hat es erst in sich: „Bin 60, fühle mich wie 40.“ Und als Nachsatz: „Vergessen Sie die Geburtsurkunde: aufs biologische Alter kommt’s an …“ Na also, da find ich ja die Bestätigung. Fühl mich nämlich noch jünger, gerade mal als sei ich erst 35! So gesehen wäre also offen, das man in der Jugend genossen … Doch dann die bittere Erkenntnis, dass das chronologische Alter, wie im Pass vermerkt, eben doch eine viel größere Rolle speziell aus finanzieller wirtschaftlicher Sicht spielt, als das wohl eingebildete- wenn auch gleichwohl real gefühlte biologische Alter. Es steht nämlich die Frage im Raum: wieder zurück in die alte Heimat, oder doch lieber hier bleiben, nachdem die Kinder Ambitionen zeigen, sich in der Wahlheimat sesshaft zu machen. Sind halt in der Stadt groß geworden, haben ihre schulische und berufliche Ausbildung, ihren jetzigen und künftigen Tätigkeitsbereich in der Metropole. Ob es da Sinn macht, aufs Land zurückzukehren? Ist zwar hier auch mehr ländliche Gegend aber doch hat man die Bezirksstadt so quasi vor der Haustüre. Ein Familienrat löst den anderen ab. Fragezeichen, wohin man blickt. Heimweh plagt den gestressten, geforderten Clan. Soll man zurück hinter die sieben Berge? Nein. Aus und vorbei. Wir verkaufen am Land und ziehen vor die Tore der Stadt.
Nun setzt großes Pläneschmieden ein. Wie groß soll das neue Heim sein, was soll es alles bieten, und die Gretchenfrage: was darf es kosten!
Schon bald greift eine erste Ernüchterung Platz. Der Verkaufserlös aus der Liegenschaft auf dem Land reicht bei Weitem nicht ...
Was nun? Aufgeben? In die alte Heimat zurück kehren? Nein! Nie und Nimmer. Wäre doch gelacht. Für was gibt es Kredite, angeboten an allen Ecken und Enden? Auf zur Bank.
Freundliche Beratergesichter werden lang, verdüstern sich zusehends, als das Alter des Kreditwerbers zur Sprache kommt. „Schauen Sie …“, sagt ein Beratungsorgan verbindlich lächelnd und rückt den Computer Bildschirm in mein Blickfeld. Dann tippt er mein Alter ein.
„Altersobergrenze für Ihren Kreditwunsch ist …“ schreibt der Blechtrottel.
Fluchtartig und urplötzlich gänzlich ernüchtert trotte ich von dannen. Tja, was will ich damit sagen? Obwohl ich mich noch wie 35 fühle, bin ich – in Zahlen ausgedrückt – für derlei Transaktionen um genau 9 Jahre zu alt.

von belami

Wege der Gefühle

8. März 2013 in Weblogs

Es ist schon sonderbar, wie schnell die Zeit vergeht. Überhaupt dann, wenn man alt wird. Was in der Jugendzeit versäumt, überhaupt nicht- oder nur wenig getan, nämlich tatsächlich gelebt, das ringt man im Alter jedem Tagesablauf ab. So zumindest ergeht es mir. Bin bemüht- und genieße, wo früher ich in verqualmten Gasthäusern um diverse Musikboxen herumlungerte, jetzt jeden Tag in der freien Natur. Besonders dieser wunderschöne Frühling hat mich immer wieder auf den Auslöser meiner Digicam drücken lassen. Meine Spaziergänge bewegen sich so um die Fünf bis zehn Kilometer. Und das bitte nicht im Schneckentempo, denn da kann man körperlich nicht fit sein, beziehungsweise nicht fit werden. Bin schon ein wenig stolz auf meine zunehmende Kondition. Steilere Anstiege, an denen ich vor zwei Monaten noch zumindest zwei-mal Rast hielt, weil mir die Puste ausging, werden jetzt in einem Zug bewältigt. Es ist wirklich schön, zu leben.
Auf diesen, eben geschilderten "Fit mach Mit" Wanderungen begleitete mich unlängst - mystisch anmutend, und mich heute noch insgeheim in Gedanken beschäftigend – eine längst verloren geglaubte Romanze ein Stück des Weges. Ich wanderte gerade im Zuge meiner üblichen Walking Tour eine steinige Forststraße entlang. An einer Weggabelung hielt ich kurz inne um mich zu orientieren, als mit einem Male ein seltsam anmutender Hauch zu verspüren war. Eigenartig … Es war ja vollkommen windstill. Blickte mich verwundert um … Niemand zu sehen. Kopfschüttelnd wollte ich weiter, als mir dünkte, eine feine, zarte Hand würde sich zwischen meine Finger schieben. Diese Hand ließ mich von dem steilen, steinigen Forstweg abweichen, zog mich auf einen Waldweg, den ich nie zuvor gegangen war. Unwillkürlich folgte ich der drängenden, ziehenden, unsichtbaren Hand. Nach ungefähr fünf Minuten mündete der Waldweg in eine Wiese. Sie schien mir, wie mit Rosenblättern übersät, obwohl das denn nun doch etwas zu viel Fantasie … Waren goldgelbe Löwenzahnblüten.
Ward schon Augenblicke später auf ungewohnt brutale Weise in die reale Welt zurückgeholt. Ein Stromschlag durchzuckte urplötzlich meinen Körper, stockte meinen Schritt abrupt. Der quer über den Waldweg gespannte, elektrisch geladene Weidezaun, den ich übersehen hatte, war die Ursache. Die unsichtbare Hand, sie war wohl mehr eine Einbildung meiner blühenden Fantasie gewesen, verschwand, als ich über den Weidezaun stolperte. Auf der Wiese, friedlich grasende Schafe. Schemenhaft anmutendes Licht-Schattenspiel, das die Sonne da durch Baumwipfel hindurch über die Blumenwiese zauberte. Stand, zugegebenermaßen, reichlich verdattert vor dem ollen Drahtzaun. Wusste nicht so recht ... War mir nicht im Klaren, was ich davon halten sollte. Gedankenvoll machte ich kehrt und ging das kurze Stück Weges zurück zur Weggabelung, um mich auf den - diesmal richtigen - Heimweg zu begeben. Da war er auf einmal wieder. Nur ein kurzer Hauch, der über meine linke Wange streifte. Noch heute rätsle ich, was mich damals veranlasst hatte, vom gewohnten Weg abzuweichen. Entweder gibt es so etwas wie eine überirdische Vision tatsächlich, oder ich war jenen Träumen erlegen, die jedem Menschen manchmal im Leben begegnen: Traumbilder einer rätselhaften Nacht, eingebunden in das Flair einer Begegnung der einst ersten großen Romanze.

von belami

Fensterln

20. Februar 2011 in Weblogs

Sie war jung. Sie war schlank. Sie war schwarzhaarig. Sie war begehrenswert. Sie war einfach ein romantisches Liebesmärchen. Wenn ihre nachtschwarzen Augen, die vor Lebenslust blitzten, mich aus halbgesenkten Wimpern anschauten, war es um mich geschehen. Ich schmolz einfach dahin. Ich war auch jung, ich war ebenfalls voller Lebenslust, und ich war selig wie ich sie so im Walzertakt in meinen Armen hielt. Erst vor ein paar Minuten hatten wir uns kennen gelernt. Sie hatte laut "Auweh" geschrien als ich ihr unabsichtlich bei einem zu rasanten Rock and Roll Schritt voll auf die Zehen getreten war. Ihr Tanzpartner, ein bulliger Halbstarker mit Schwalbenschwanzfrisur wollte sofort auf mich los, doch sie schob ihn einfach beiseite, stellte sich breitbeinig vor mich hin und sagte: "Lass mal sehen Kleiner ob Du nen zünftigen Rock zu tanzen imstande bist, oder ob Du nur auf Zehen herumtanzen kannst." Meine verlegen gemurmelte Entschuldigung nahm sie kommentarlos zur Kenntnis, zog mich einfach am Arm auf die Tanzfläche. Ich folgte willig, suchte bislang vergeblich nach einer Erklärung warum sie mich 'Kleiner' genannt, wo ich doch immerhin 183 Zentimeter maß.
Der Rock war für mich kein Problem, zumal ich erst kürzlich erfolgreich die Tanzschule absolviert hatte. Wir lernten zwar nur den Boogie Woogie, jedoch gleichen sich im Takt- und Tanzschritt Rock und Boogie so ziemlich. Ist er ja so quasi ein Vorläufer des Rock 'n' Roll und stammt vom Swing ab, dessen Wurzeln in den Musikkneipen amerikanischer Ghettos liegen, so jedenfalls wurde es mir erklärt.
Kurzum, wir wiegten uns nach der eher schweißtreibenden Rockeinlage im Dreiviertel Walzertakt. Genossen sichtlich den zauberhaften Melodienreigen des James Last, um anschließend Wange an Wange der Stimme des Ivo Robic zu lauschen. "Rot ist der Wein…" tönte es schmachtend aus der Musikbox. Der Tanzabend schien wunderbar, doch dann ein erschreckter Blick auf die Uhr, ein leises "Servus", weg war sie.
In den folgenden Nächten saß ich gelangweilt herum. Tanzte nur unlustig. Betrank mich meist. Sah sie nicht mehr wieder, bis sie eines Tages wie herbeigezaubert neben mir an der Theke lehnte. Die nachtschwarzen Augen blitzten verwegen. Wortlos zog sie mich auf die Tanzfläche, schmiegte sich an mich, hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. "Kommst Du heute Nacht zu mir Fensterln?" Flüsterte sie. Ich spürte ihren bebenden Körper hautnah, vermeinte wie ein Meteorit zu verglühen. Durchsuchte das halbe Dorf vergeblich nach einer Leiter. Ihr wurde das dann doch zu langatmig, ließ kurzerhand ein verknotetes Leintuch in den Garten herab. Ich enterte die dargebotene Aufstiegshilfe, war auch fast schon oben, da ratschte es. Das Leintuchseil riss.
Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, fand ich mich inmitten verschiedenster Salatsorten im Gemüsebeet wieder. Glatte drei Meter abgestürzt, vom schon zum Greifen nahen siebenten Himmel, mitten hinein in ein Chaos aus Kraut und Rüben.
Böse Zungen behaupteten später, dass mich ihr Vater gefunden- und gesagt hätte:"Was machst Du da im Krautgarten? Kannst eh bei der Tür reingehen!"

von belami

Freundschaft geht weiter…!

25. März 2010 in Weblogs

Was bislang als stilles Wässerchen dahin plätscherte, entpuppte sich in den ersten Frühlingstagen des Jahres 2010 als stetig anschwellender Strom nicht abreißender Missbrauchsanschuldigungen gegen Würdenträger der katholischen Kirche. Von Kindesmissbrauch war da die Rede bis hin zu sexueller Nötigung. Ein Sodom und Gomorra, Horrorszenarien schier unglaubwürdiger Missbrauchsfälle, mehrheitlich verjährte Vergehen, dennoch allgegenwärtig durch totschweigen.
So etwas gab es zu meiner Zeit nicht. Naja, ahem, es kursierten wohl ab und zu diverse Gerüchte über Beobachtungen und Vorfälle, die jedoch hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde, und deren Wahrheitsgehalt kaum abschätzbar, aber nie und nimmer durch Kindesmissbrauch überschattet. Da berichtet der Nachtwächter, er habe am frühen Morgen eine schwarz gekleidete Gestalt über den Zaun der jungen Witwe springen sehen. Auf sein „Halt, wer Da?“ habe sich das bislang unbekannte Wesen in eiliger Flucht an einem Zaunpfahl verheddert. Es ratschte vernehmlich als ein großes Stück Stoff am Zaunsprießel hängen bleibt, dem staunenden Nachtwächter offenbart, dass da soeben der Dorfpfarrer in grotesker Weise Frühsport betrieb.
En andermal weilt der ehemalige Dorfpfarrer zu Besuch in seiner einstmaligen Dorfgemeinde. „Onkel, ich hab nur ein Gästezimmer“, offeriert ein leicht irritierter Neffe seine bescheidene Bleibe. Das genüge, meint Hochwürden und ergänzt auf des Neffen bezeichnenden Seitenblick:“ die Köchin, die schläft bei mir!“
Die östlich gelegene Nachbargemeinde kommt durch ein schier unglaubliches Gerücht ins Gerede: einem Augenzeugenbericht zufolge soll der neue Pfarrer nackt aus einem Fenster des Huberbauernhofes gesprungen- und in einem Auto geflüchtet sein. Niemand glaubt an den Wahrheitsgehalt, bis die Huberbäuerin am späten Nachmittag im Superiorat erscheint und dem Pater Superior eine Kutte überreicht, die sie im Zimmer ihrer 20-jährigen Tochter gefunden…
Und in der südlichen Nachbarsgemeinde schenkt die Bevölkerung in Dankbarkeit dem beliebten Ortspfarrer einen Steireranzug. Neun Monate später bekommt die bislang ledige Pfarrköchin ein Kind.
Ein anderer Missstand wurde von uns Buben – wir waren damals noch keine vierzehn Jahre alt – zu einem regelrechten Ritual erhoben: Das Watschen zählen. Der Herr Katechet, zwar schon älteren Semesters aber dennoch ein Bild von einem Mann, an die zwei Meter groß, über hundert Kilo schwer, pflegte über Gebühr während der Religionsstunde Ohrfeigen auszuteilen, stets begleitet von derselben Argumentation. Nach jeder Ohrfeige hieß es stereotyp: „Freundschaft geht weiter, mein Sohn… Wir waren immer gute Freunde…!“ eine Aussage, die angesichts der saftigen Watsch’n oft nicht nachvollzogen werden konnte.
Da die Watschenorgie des Gottesmannes schon bald überdimensionierte Formen annahm, legten wir einen Katalog, wir nannten es „Watschenbuch“, an in dem die verabreichten Ohrfeigen genau detailliert, jedem betroffenen Mitschüler zugeordnet wurden. Zu Schulschluss wurde dann zusammen gezählt. In Summe ergab das 169 Watschn, sprich Ohrfeigen.
Eines Tages beschlossen wir, dem aggressiven Pfarrer einen Streich zu spielen. „Herr Katechet, um ihren Kopf kreist eine Fliege…“ Es klatschte vernehmlich, als das mittels eines Gummiringes abgeschossene Papierkügelchen auf den kahlen Hinterkopf des Gottesmannes aufprallte. Unsere schadenfroh grinsenden Gesichter gefroren sichtlich von einem Augenblick zum anderen. Womit niemand rechnete war die Reaktionsschnelle des Katecheten, der mit einer blitzschnellen Handbewegung das zu Boden fallende Papierschnitzel aufgefangen, und der es nun langsam und aufreizend zwischen den Fingern hin und her drehte. „So, so – eine Fliege.“
Unser Klassenschreiber griff gedankenschnell zum Bleistiftspitzer, wohlweislich ahnend was jetzt kommen würde: eine Überfülle an Eintragungen in das Watschenbuch.
„Wer war das?“ forschte die mit einem Male schrill klingende Stimme des Katecheten durch das Klassenzimmer. Wie auf ein Kommando flogen 23 Hände in die Höhe. Fazit: die ganze Klasse antreten zur „Pflichtwatsch’n.“
Ergeben senkte ich den Kopf fast demütig als ich an die Reihe kam. In Gedanken malte ich mir aus, wie die Ohrfeige den Schmerzpegel in astronomische Höhen treiben wird, angesichts der Riesenpranken. Ein Mitschüler meinte einmal, dass der Herr Katechet Hände wie ein Klodeckel habe.
„Wir waren immer gute Freunde“, tönte die Stimme durch das Klassenzimmer. Ergeben und in Erwartung des unweigerlich folgenden Strafvollzuges schloss ich die Augen. Doch dann tönte noch etwas durch das Klassenzimmer: die Schulglocke, die mit emsigem Gebimmel das Unterrichtsende ankündigte. Einen Moment lang überlegte der Priester, dann ließ er die schon zum Schlag erhobene Hand sinken. Die „Abortdeckel“ verschwanden diskret in den weiten Falten des Priestergewandes. „Du hast Glück, mein Sohn“, murmelte er. „Wir waren ja immer gute Freunde. Du fällst in die Weihnachtsamnesty.“

von belami

Das O – Bein Syndrom.

13. November 2009 in Weblogs

In meiner Jugend bin ich fast jeden Tag auf den örtlichen Fußballplatz gepilgert, habe beinahe andächtig den Ballkünsten der Profis zugeguckt, rannte mit zunehmender Begeisterung buchstäblich dem runden Leder - im bundesstädtischen Dialekt bezeichnender Weise „Fetzenlaberl“ genannt - hinterher. Doch ich mochte rennen wie ich wollte, laufen bis mir im wahrsten Sinn des Wortes die Zunge raus hing, der Reifeprozess zu einer echten Sportgröße verzögerte sich, blieb schlussendlich aus.
Mit fortschreitendem Alter zum Zuschauer degradiert, kehrte ich dann dieser Sportart fast gänzlich den Rücken, interessierte mich nur mehr am Rande dafür, zumal das Niveau des heimischen Spielerpotentials mehr als nur zu wünschen übrig ließ, wodurch der Verein in die unterste Kreisklasse absackte. Für mich ein Grund mehr via Television ins benachbarte Ausland zu gucken, wo zu jener Zeit attraktiver Fußball gespielt wurde.
Nun ergab es sich aber, dass ich nach langen Jahren wieder einmal auf den örtlichen Fußballplatz pilgerte, um mir ein Schülermatch anzugucken. Der Enkelsohn meines Schwagers hatte an diesem Tag seinen großen Auftritt: Er durfte von Beginn an - als Abwehrspieler nominiert – das Pokalspiel der Unter Zwölfjährigen mitgestalten. War für mich als Großonkel natürlich große Ehr und Selbstverständlichkeit, mit dabei zu sein.
Erinnere mich noch genau: Als ich den Platz betrete, empfängt mich frenetischer Jubel, der zwar nicht mir- aber den gerade auflaufenden Schülermannschaften gilt. Schnell suche ich nach einem geeigneten Sitzplatz. Komme rein zufällig neben einer fülligen Matrone zu sitzen, die da – mit Spruchband und Vereinskappe ausgerüstet – hochroten Kopfes dem allgemeinen Gebrüll mit schriller Stimme sein besonderes Flair verleiht. „Kernhof vor – noch ein Tor…“ Der guten Ladys Stimme überschlägt sich förmlich vor Begeisterung. Gerade setzt sie zu einer neuerlichen Tirade an, als urplötzlich und unvermittelt der Schlachtgesang mit einem schrillen Misston abbricht, denn gerade rollt der Ball durch die Beine des Torwartes ins eigene Tor. Wie ein Urschrei gellt die Stimme der Frau über den Platz; „Bub, halt die Haxen (Beine) zusammen! Um Gottes Willen nicht schon wieder… Halt doch endlich Deine Füße zusammen…“ Zu spät. Gerade passiert der Spielball auf ähnliche Art die Torlinie ein weiteres Mal. Förmlich aufgelöst sinkt die Fußballmutti, ob des neuerlichen Patzers ihres Sprösslings total entnervt, vor ihrem Sitzplatz auf die Knie.
In einer der vorderen Reihen sitzt ein älterer Herr. Der dreht sich gemächlich um und sagt zu der deplaziert dasitzenden Frau: „Siehste, hättest Du damals auch Deine Füße zusammen gehalten, müsstest Du Dich jetzt nicht so aufregen…“

von belami

Bauch hinein…!

8. Oktober 2009 in Weblogs

Herrlich, wunderbar, heiß, erlebnisreich war er, der Sommer 2009. Und obendrein mit zahlreichen Höhepunkten verbrämt. Aneinander gereiht, ein buntes Kaleidoskop unzähliger mehr oder minder erfreulicher Ereignisse, ungezählter mehr oder minder erfreulicher Begebenheiten. Eine davon sei hier stellvertretend erwähnt.
Schon am frühen Vormittag wabbert hochsommerliche Hitze durch Gassen und Wege, lastet eine sonnendurchglühte Dunstglocke über der kleinen Stadt. Wen wundert es da, dass das nahe gelegene Freibad schon am frühen Vormittag überbelegt ist. Und, obwohl der zu einem Badesee umfunktionierte Schotterteich an vielen Stellen arg verschlammt, drängeln Männlein wie Weiblein, wie Kids dem kühlen Nass entgegen, was angesichts subtropischer Temperaturen ja auch verständlich ist. Mitten unter ihnen, dränge auch ich mich der Erfrischung entgegen, komme jedoch nur ein paar Schritte vorwärts, um gleich wieder mit einer galanten Verbeugung der holden Weiblichkeit den Vortritt lassend. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, des ewig Nachgebens überdrüssig, lehne ich mich an die Wand der Umkleidekabinen und gucke dem Badetreiben zu. Hoch interessant, aber auch hoch pikant, liegt das badesüchtige Volk höchst dürftig – halt nur notdürftig würde ich es bezeichnen – bekleidet unter- oder neben dem Sonnenschirm. Oben ohne ist vornehmlich bei der jüngeren Generation In, bei mir erzeugt es naturgemäß Stielaugen. Naja, sieht man ja auch nicht alle Tage.
Linkerhand des Sees erweckt eine flüchtige Bewegung mein Interesse. Hockt da tatsächlich ein Mensch im halbhohen Gebüsch, den Feldstecher am Auge. Was der wohl zu gucken hat, murmle ich halblaut im Selbstgespräch. „Na die Nackerten da drüben“, antwortet ein Badegast grinsend, der meine halblaute Frage gehört… „Sind FKKler.“ Just in dem Moment als ich antworten will, geht die Tür der Umkleidekabine, und heraus strömt eine Anzahl weiblicher Schönheiten. Sofort gehe ich in Angeberstellung, auf gut deutsch: Bauch hinein, Luft anhalten. Ich nenne das so, weil mein alter Körper ja doch nie und nimmer einen Waschbrettbauch zu fabrizieren imstande ist. Kichernd huschen die Teenager vorbei. Dicht dahinter folgt ein etwa fünfjähriges Mädchen an der Hand eines graumelierten Mannes. „Guck Onkel“, gluckst die Kleine, „der Mann hat aber einen Sonnenbrand, der ist doch butterrot im Gesicht.“ Schwupps, fährt der Bauch heraus, was die Kleine postwendend zu der Feststellung veranlasst: „Onkel, platzt jetzt der Mann wie der Froschkönig?“ Schnapp, die Luft raus, den Bauch wieder einfahren. „Onkel, der Mann hat schon wieder so ein rotes Gesicht, und die Luft ist ihm auch ausgegangen.“ Schwupps, den Bauch raus. Da geht die Umkleide Kabinentür. Schnapp, Bauch rein und Luft anhalten. Tritt eine silbergrau melierte Dame aus der Kabine, guckt mich an, tippt mir auf den Bauch. „Manno, kannste ruhig rauslassen, ich weiß Bescheid.“ Schwupps, traurig hängt der Bauch über die Badehose, verkriecht sich Momente später schamhaft in den ihn einhüllenden Bademantel.

von belami

Das Rezept

23. September 2009 in Weblogs

Enkeltochter Julia – mittlerweile fünf Jahre alt – verblüfft wie eh und jeh durch ihre altklugen Äußerungen, verbrämt mit einem Schuss Kindergartenschmäh, und der wiederum vermischt mit diversen Sprüchen aus dem Kinder TV. Unlängst kommt sie angerannt und flüstert mir ins Ohr: „Opa ich hab zwei neue Zähne!“ wie zur Bestätigung öffnet sie den Mund und zeigt auf die untere- bis dato seit einem guten Jahr durch eine klaffende Lücke verunstaltete Zahnreihe. Tatsächlich, zwar erst noch im Ansatz, aber doch schon sichtbar, entwickeln sich zaghaft die sogenannten zweiten Beißerchen. Na, meine ich, dass sie dann wieder ordentlich zubeißen wird können. „Ja, die Mama hat eh zum Papa gesagt, dass der Kindergarten wieder los geht, und hoffentlich bekommt sie - ich - dann wieder den nötigen Biss.“ Noch ehe ich der Kleinen den eigentlichen Sinn dieser Bemerkung erklären kann, verkündet sie lauthals. „Und seit gestern schlafe ich im Kochbett.“ Was denn ein Kochbett sei, wollte ich wissen. „Aber Opa, ich hab doch „Hochbett“ gesagt, kichert das Mädel höchst amüsiert. Naja, mein Gehör lässt halt tatsächlich schon zu wünschen übrig. Das Stichwort „Koch“ scheint sie inspiriert zu haben, denn unvermittelt fragt sie mich:“Opa, kennst Du meine Rezepte?“ Ich verneine. Sie: „Schreib bitte: Rezept für einen faulen Apfel. Reibe aus der Tischlade herausnehmen, faulen Apfel von Oma nehmen, einfach rübbeln, dann das gerübbelte auf das Teller putzen. Unterschrift: JULIA.“ Etwas belämmert gucke ich nun wohl auf das Geschriebene. Rübbeln ist mir klar, heißt ribbeln oder reiben. Aber Rezept für faulen Apfel! Wieso faul? Getreu meinem Wahlspruch nicht nachzufragen, weil ich dadurch schon einige Male – naja, ahem, halt glattweg auf der Seife stand, begehe ich einen anderen- schier unverzeilichen Fehler, der mir teuer zu stehen kam. Um wenigstens etwas zu tun, beschloss ich, einen Euro für Julias Sparbüchse zu opfern. Ich fragte sie deshalb, was das Rezept koste, weil ich es ihr abkaufen möchte. Die Antwort war ebenso verblüffend, wie gravierend: „Die ganze Geldtasche.“

von belami

Grüß Gott!

28. April 2009 in Weblogs

Juhuuu. Das Wasser war zwar noch eiskalt an diesem windigen Muttertag 1945, doch wir konnten es kaum erwarten, wieder mal so richtig am- und im durch unseren Ort fließenden Fluss zu spielen. Ein paar Bretter aus der nahen Holzhütte, Nägel und eine Menge Fantasie, schon war ein - sich lustig in der Flussströmung drehendes Wasserrad fertig gebastelt. Doch da, unweit unseres Wasserrad Standortes plötzlich eine Gischtwelle. Kurz nur, die blitzende Erscheinung an der Wasseroberfläche, jedoch sofort in unseren Gehirnen richtig katalogisiert: Eine Forelle, die da ihre Beute jagte. Vergessen war Wasserrad und Bachwaten. Uns hatte das Fischhunterfieber gepackt. Ärmel hochkrempeln, sachte unter den Stein greifen, schon hat die tastende Hand den Fisch geortet, packt zu, hält das so gefangene Schuppentier triumphierend in die Höhe.

"Was macht ihr da, Kinder?" Erschrecktes hoch blicken, hin zum Steg. Da stand doch wahrhaftig, wie hingezaubert, der Herr Gendarmerieinspektor auf der Brücke. "Hände waschen, Herr Inspektor", riefen wir wie aus einem Munde. "Aber geh. Und was hast Du da unter Deinem Hemd?" Gemeint war der Nachbarsjunge Edwin, unter dessen Hemd sich der Bauch des ansonsten spindeldürren Buben bedenklich wölbte, und er dieses Manko krampfhaft mit seinen Händen zu bedecken versuchte. "Nichts, Herr Inspektor."
"Warum hältst Du dann Deine Hände vor den Bauch."
"Ich, ich hab Bauchweh, Herr Inspektor!" Da wurde es dem Gesetzeshüter nun doch zu bunt. Er brüllte: "Hände hoch." Schlagartig flogen unsere Hände gen Himmel. Auch die, des Nachbarjungen. Was zur Folge hatte, dass sich die vorhin krampfhaft zusammengehaltene Hemdbrust öffnete, und ein Fisch nach dem anderen - insgesamt waren es Vier - zurück in sein Element plumpste. Ergeben grabbelten wir aus dem nassen Element, um dem Herrn Inspektor auf den Gendarmerieposten zu folgen, wohl wissend, was uns nun als Strafe drohte: Das Dienstmotorrad putzen.

Einige Tage später. Wir wollten wieder mal eine Schwarzfischjagd riskieren und berieten gerade wie wir das Strafetat Motorrad reinigen vermeiden könnten, als der Herr Inspektor des Weges kam. Sofort verschwand jeglicher Gedanken an Schwarzfischerei. Stramm in Reih und Glied stehend, grüßten wir den Gesetzeshüter, die rechte Hand gen Himmel gestreckt: "Heil Hitler, Herr Inspektor!" Aber was war das? Irgendwas mussten wir falsch gemacht haben, denn der Herr Inspektor stellte sich mit in die Hüften gestützte Arme vor uns hin. Er dankte nicht, wie sonst üblich sondern sagte: "Kinder, ab Heute heißt das Grüß Gott!"

von belami

Spuren im Schnee

14. März 2009 in Weblogs

Als Pensionär - in meiner Jugend nie gekannt - täglich ca 7 km zu Fuß unterwegs um Geist und Körper fit zu halten, wie mir von meinem Hausarzt verordnet- strebe ich eilenden Schrittes den wohlbekannten- schon x-mal beschrittenen Waldweg entlang. Kann es kaum erwarten, mich nach getaner Arbeit endlich meinem Liebling - einem 500 MHz Compi - zu widmen, mit ihm in die weite Welt hinaus zu surfen.
Urplötzlich stockt der eilende Fuß. Eine Spur. Unzweifelhaft von einem Hund stammend. Frisch in den Schnee getreten. Dass diese ekelhaften Köter auch auf dem einsamen Waldweg herumlaufen müssen! Frustriert sehe ich mich um. Nichts. Gott sei Dank. Hängt mir doch der eigene Hund mitsamt seinem durch Mark und Pein dringenden Gebell zum Hals heraus. Aber was soll's: Frauchen hängt an ihrem "Liebling". Bessy wird die Hundedame liebevoll gerufen. Auch die Kinder sind von dem Hunderl hellauf begeistert, während meine Wenigkeit schon starre Haare im Nacken bekommt, wenn irgendwo nur der Schatten dieses Tieres auftaucht. Sehr erfolgreich ist das Vieh obendrein noch. Hat schon Siegestrophäen eingeheimst. Mit dem Frauchen natürlich, denn die ist die treibende- agile Kraft. "Agility" wird diese sonderbare Hundesportart übrigens auch genannt.
Noch ganz in Gedanken, stehe ich, wie mir schien, einem urplötzlich aus dem Boden gewachsenen Hundevieh gegenüber. Kein Zweifel. Das ist ein Hund - keine Vision. Das rabenschwarze Tier knurrt leise, springt mich aus ungefähr zwei Metern Entfernung plötzlich an. Ich taumle entsetzt zurück - mit lautem krachen stürzt ein morscher, etwa armdicker Baumast genau auf die Stelle, an der ich Sekundenbruchteile vorher noch stand. Der hätte mich glattwegs erschlagen, wäre der Hund nicht gewesen. Ich sehe mich um. Nichts. Weit und breit kein Hund in der Nähe. Doch eine Vision? Nein. Die frische Spur im Schnee zeugt von Realität.
Seit diesem Erlebnis denke ich anders, wenn ich bei meinen täglichen Spaziergängen einer Hundespur ansichtig werde.

von belami

Der Bestseller

11. März 2009 in Weblogs

Hochspannung, signalisiert mein ganzes Gehabe, wie ich so – man ist fast versucht zu sagen: feierlich – das Briefpaket auf den Wohnzimmertisch platziere. Zittrig, die Hände. Klebrig feucht, die Handflächen. Alles in Allem nervöse Unruhe in angespannter Situation, jeden Moment bereit, entweder in die eine oder in die andere Richtung zu eskalieren. Die erste Honorarabrechnung für meinen Roman war mir eben per Post ins Haus geflattert, oder wem der Ausdruck net passt –eingetrudelt, beziehungsweise zugestellt- worden. Che sarà sarà nennt sich das Produkt, seineszeichens mein Erstlingswerk. Schildert Aufstieg und Fall einer begnadeten Journalistin. Facettenreich durchsetzt von so mangifaltiger Schilderung aus alter und neuer Zeitrechnung, quasi selber Erlebtes mit eingeflochten. Hervorragend, die geschilderte Dramaturgie - dünkt mir jedenfalls. Che sarà. Was geschehen muss, geschieht auch. Die Übersetzung in reindeutsche Version passt zwar nicht ganz, sinngemäß dürfte die Aussage in ungefähr aber stimmen.
Gewaltsam zwinge ich mich zur Ruhe. Was gibt es da zu zittern…? Fast hysterisch, der Ausbruch plötzlich einsetzender Euphorie. Na klar! Das kann ja nur positives Echo sein! Hab den Roman doch selber mindestens zehn- nein hundertmal gelesen. Naja, in Ermangelung des für ein umfassendes Lektorat fehlenden Kleingeldes, war der Hunderterkonsum notwendig geworden. Lernte dabei so manche tückische Redewendung fürchten. Es stimmt schon: Deutsche Sprache, Schwere Sprache… auch für einen Bestsellerautor. Dass ich einer der ganz großen Romanschreiber bin, nein sein muss, war mir spätestens nach der neunundneunzigsten Korrektur klar. An der Spitze der Top Ten! Unbeschreiblich, dieses Hochgefühl.
Im Rausch unmittelbar bevorstehender Triumphtiraden klingt der ratschende Laut zerreißenden Papiers, als ich das Kuvert öffne, fast wie ein Posaunenstoß. Der aus dem geöffneten Briefkuvert fallende, winzige Beleg – obwohl er nur ganz leise in meiner Hand knistert – hingegen wie ein Dolchstoß. Auf dem Stück Papier steht nämlich:„…Verkaufte Bücher: Ein Exemplar; Honorarnote: 1,74 Euro inklusive Mehrwertsteuer…!“

von belami

Eierkocher und Heuchlerbesen!

13. Februar 2009 in Weblogs

Die Fünfte Jahreszeit lässt mich jedes Jahr bis fast zum Abhängigkeitssyndrom – so jedenfalls wird Sucht im Lexikon bezeichnet – hoch flippen. Narrenkappe ausgepackt, und schon geht es mitten hinein in das närrische Vergnügen. Karneval… ein Zauber ohnegleichen, zumindest in meinen Fantasien relevant. Seit nunmehr fünfzig Jahr besuch ich den alljährlich stattfindenden Maskenball, den einzigen seiner Art in unserer Stadt. Erwartungsvoll betrete ich den gerammelt vollen Ballsaal. Kommt mir da nicht ein gar arg schwankendes, schmächtiges Bürschlein entgegengewankt, voll wie eine Haubitze. Rempelt mich an, ich taumle rücklings geradewegs in die hilfsbereit ausgestreckten Arme eines unmittelbar hinter mir stehenden Jungen, mich so vor einem völligen Absturz rettend. Im ersten Moment regen sich in mir so etwas wie Dankesgefühle, eine Art Momentaufnahme für die erwiesene Hilfeleistung.
„Nicht so stürmisch Opa, wir sind hier nicht bei einem Stockentenmarsch!“ Kräht das anscheinend sich noch im Stimmbruch befindliche Bürschchen, hilft mir wieder auf beide Beine. Stockentenmarsch? Aja, stand da nicht ein Bericht in der Zeitung über die Jugend und ihre Ausdrücke? …Jugendliche sind anders. Sie kleiden sich anders, sie frisieren sich anders, sie sprechen anders… War höchst amüsant, das Statement, wenngleich gewisse Ausdrucksweisen in Erwachsenenohren doch eher – na sagen wir mal, etwas seltsam klingen mögen. Mit Stockenten meint der hoffnungsvolle Nachwuchs Nordic Walker…
„Oder kommst Du geradewegs aus dem Eierkocher?“ Wütend winde ich mich aus den hilfsbereiten Armen, dreh mich fuchsteufelswild um, blicke in blaue, unschuldig dreinblickende Augen. Mit Eierkocher meint die heutige Jugend einen Whirlpool, fällt mir der Zeitungsbericht wieder ein. Infolge versuche ich den Dreikäsehoch zu belehren, dass wir beileibe noch nicht zusammen Schafe gehalten haben, und er eine Ohrfeige riskiere, wenn er mich weiter duzen würde. „Aber geh, Opa. Du wirst mich doch nicht schlagen wollen! Müsste Dir ansonsten mein Mietmaul schicken.“ Mietmaul? Aja, in der Jugendsprache ist damit ein Rechtsanwalt gemeint.
Hochgradig genervt will ich an ihm vorbei, um meinem eigentlichen Vergnügen, dem Ballgeschehen zu frönen, zupft mich da der Bursche nicht am Ärmel? raunt mir ins Ohr: „Alter Mann, was willst Du hier? Sind doch sämtlich Anwesende Meinesgleichen! Gleich um die Ecke ist sicherlich noch die Gammelfleischparty im Gange, dort tanzt garantiert Deinesgleichen.“ Das grinsende Maul in dem Pickelgesicht dehnt sich von einem Ohr zum anderen. Meine Lippen hingegen, sind in dem momentan gepressten Zustand blau. Gammelflei… nein, jaaaa, entsinne mich: Gammelfleischparty ist eine Party 30 Plus.
Reichlich frustriert reisse ich mich los. Gerade im Begriff, im allgemeinen Fastnachtstrubel zu verschwinden, ruft er mir nach: „Oder Du kaufst Dir eine Rentnerbravo als Bettlektüre. Vergiss aber nicht, Deiner Gnädigen einen Heuchlerbesen mitzubringen, sie wird dann gnädiger über Deine eventuellen Hardwareprobleme hinwegsehen…“
Die Worttrilogie noch im Ohr, versuche ich anderntags zu eruieren, wem die Begriffe zugeordnet werden müssen. Mit „Rentnerbravo“ ist die Zeitschrift Apotheker Rundschau gemeint, ein „Heuchlerbesen“ ist ein Strauß Blumen und mit „Hardwareprobleme“ sind Potenzschwierigkeiten gemeint.

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