Das Rezept

Enkeltochter Julia – mittlerweile fünf Jahre alt – verblüfft wie eh und jeh durch ihre altklugen Äußerungen, verbrämt mit einem Schuss Kindergartenschmäh, und der wiederum vermischt mit diversen Sprüchen aus dem Kinder TV. Unlängst kommt sie angerannt und flüstert mir ins Ohr: „Opa ich hab zwei neue Zähne!“ wie zur Bestätigung öffnet sie den Mund und zeigt auf die untere- bis dato seit einem guten Jahr durch eine klaffende Lücke verunstaltete Zahnreihe. Tatsächlich, zwar erst noch im Ansatz, aber doch schon sichtbar, entwickeln sich zaghaft die sogenannten zweiten Beißerchen. Na, meine ich, dass sie dann wieder ordentlich zubeißen wird können. „Ja, die Mama hat eh zum Papa gesagt, dass der Kindergarten wieder los geht, und hoffentlich bekommt sie - ich - dann wieder den nötigen Biss.“ Noch ehe ich der Kleinen den eigentlichen Sinn dieser Bemerkung erklären kann, verkündet sie lauthals. „Und seit gestern schlafe ich im Kochbett.“ Was denn ein Kochbett sei, wollte ich wissen. „Aber Opa, ich hab doch „Hochbett“ gesagt, kichert das Mädel höchst amüsiert. Naja, mein Gehör lässt halt tatsächlich schon zu wünschen übrig. Das Stichwort „Koch“ scheint sie inspiriert zu haben, denn unvermittelt fragt sie mich:“Opa, kennst Du meine Rezepte?“ Ich verneine. Sie: „Schreib bitte: Rezept für einen faulen Apfel. Reibe aus der Tischlade herausnehmen, faulen Apfel von Oma nehmen, einfach rübbeln, dann das gerübbelte auf das Teller putzen. Unterschrift: JULIA.“ Etwas belämmert gucke ich nun wohl auf das Geschriebene. Rübbeln ist mir klar, heißt ribbeln oder reiben. Aber Rezept für faulen Apfel! Wieso faul? Getreu meinem Wahlspruch nicht nachzufragen, weil ich dadurch schon einige Male – naja, ahem, halt glattweg auf der Seife stand, begehe ich einen anderen- schier unverzeilichen Fehler, der mir teuer zu stehen kam. Um wenigstens etwas zu tun, beschloss ich, einen Euro für Julias Sparbüchse zu opfern. Ich fragte sie deshalb, was das Rezept koste, weil ich es ihr abkaufen möchte. Die Antwort war ebenso verblüffend, wie gravierend: „Die ganze Geldtasche.“

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