Eierkocher und Heuchlerbesen!

Die Fünfte Jahreszeit lässt mich jedes Jahr bis fast zum Abhängigkeitssyndrom – so jedenfalls wird Sucht im Lexikon bezeichnet – hoch flippen. Narrenkappe ausgepackt, und schon geht es mitten hinein in das närrische Vergnügen. Karneval… ein Zauber ohnegleichen, zumindest in meinen Fantasien relevant. Seit nunmehr fünfzig Jahr besuch ich den alljährlich stattfindenden Maskenball, den einzigen seiner Art in unserer Stadt. Erwartungsvoll betrete ich den gerammelt vollen Ballsaal. Kommt mir da nicht ein gar arg schwankendes, schmächtiges Bürschlein entgegengewankt, voll wie eine Haubitze. Rempelt mich an, ich taumle rücklings geradewegs in die hilfsbereit ausgestreckten Arme eines unmittelbar hinter mir stehenden Jungen, mich so vor einem völligen Absturz rettend. Im ersten Moment regen sich in mir so etwas wie Dankesgefühle, eine Art Momentaufnahme für die erwiesene Hilfeleistung.
„Nicht so stürmisch Opa, wir sind hier nicht bei einem Stockentenmarsch!“ Kräht das anscheinend sich noch im Stimmbruch befindliche Bürschchen, hilft mir wieder auf beide Beine. Stockentenmarsch? Aja, stand da nicht ein Bericht in der Zeitung über die Jugend und ihre Ausdrücke? …Jugendliche sind anders. Sie kleiden sich anders, sie frisieren sich anders, sie sprechen anders… War höchst amüsant, das Statement, wenngleich gewisse Ausdrucksweisen in Erwachsenenohren doch eher – na sagen wir mal, etwas seltsam klingen mögen. Mit Stockenten meint der hoffnungsvolle Nachwuchs Nordic Walker…
„Oder kommst Du geradewegs aus dem Eierkocher?“ Wütend winde ich mich aus den hilfsbereiten Armen, dreh mich fuchsteufelswild um, blicke in blaue, unschuldig dreinblickende Augen. Mit Eierkocher meint die heutige Jugend einen Whirlpool, fällt mir der Zeitungsbericht wieder ein. Infolge versuche ich den Dreikäsehoch zu belehren, dass wir beileibe noch nicht zusammen Schafe gehalten haben, und er eine Ohrfeige riskiere, wenn er mich weiter duzen würde. „Aber geh, Opa. Du wirst mich doch nicht schlagen wollen! Müsste Dir ansonsten mein Mietmaul schicken.“ Mietmaul? Aja, in der Jugendsprache ist damit ein Rechtsanwalt gemeint.
Hochgradig genervt will ich an ihm vorbei, um meinem eigentlichen Vergnügen, dem Ballgeschehen zu frönen, zupft mich da der Bursche nicht am Ärmel? raunt mir ins Ohr: „Alter Mann, was willst Du hier? Sind doch sämtlich Anwesende Meinesgleichen! Gleich um die Ecke ist sicherlich noch die Gammelfleischparty im Gange, dort tanzt garantiert Deinesgleichen.“ Das grinsende Maul in dem Pickelgesicht dehnt sich von einem Ohr zum anderen. Meine Lippen hingegen, sind in dem momentan gepressten Zustand blau. Gammelflei… nein, jaaaa, entsinne mich: Gammelfleischparty ist eine Party 30 Plus.
Reichlich frustriert reisse ich mich los. Gerade im Begriff, im allgemeinen Fastnachtstrubel zu verschwinden, ruft er mir nach: „Oder Du kaufst Dir eine Rentnerbravo als Bettlektüre. Vergiss aber nicht, Deiner Gnädigen einen Heuchlerbesen mitzubringen, sie wird dann gnädiger über Deine eventuellen Hardwareprobleme hinwegsehen…“
Die Worttrilogie noch im Ohr, versuche ich anderntags zu eruieren, wem die Begriffe zugeordnet werden müssen. Mit „Rentnerbravo“ ist die Zeitschrift Apotheker Rundschau gemeint, ein „Heuchlerbesen“ ist ein Strauß Blumen und mit „Hardwareprobleme“ sind Potenzschwierigkeiten gemeint.

Ähnliche Beiträge

Kommentare

Verstoß melden

Schließen