Fensterln

Fensterln (belami)

Sie war jung. Sie war schlank. Sie war schwarzhaarig. Sie war begehrenswert. Sie war einfach ein romantisches Liebesmärchen. Wenn ihre nachtschwarzen Augen, die vor Lebenslust blitzten, mich aus halbgesenkten Wimpern anschauten, war es um mich geschehen.
Ich schmolz einfach dahin.

Ich war auch jung, ich war ebenfalls voller Lebenslust, und ich war selig wie ich sie so im Walzertakt in meinen Armen hielt. Erst vor ein paar Minuten hatten wir uns kennen gelernt. Sie hatte laut "Auweh" geschrien als ich ihr unabsichtlich bei einem zu rasanten Rock and Roll Schritt voll auf die Zehen getreten war. Ihr Tanzpartner, ein bulliger Halbstarker mit Schwalbenschwanzfrisur wollte sofort auf mich los, doch sie schob ihn einfach beiseite, stellte sich breitbeinig vor mich hin und sagte: "Lass mal sehen Kleiner ob Du nen zünftigen Rock zu tanzen imstande bist, oder ob Du nur auf Zehen herumtanzen kannst." Meine verlegen gemurmelte Entschuldigung nahm sie kommentarlos zur Kenntnis, zog mich einfach am Arm auf die Tanzfläche. Ich folgte willig, suchte bislang vergeblich nach einer Erklärung warum sie mich ´Kleiner´ genannt, wo ich doch immerhin 183 Zentimeter maß.Der Rock war für mich kein Problem, zumal ich erst kürzlich erfolgreich die Tanzschule absolviert hatte.
Wir lernten zwar nur den Boogie Woogie, jedoch gleichen sich im Takt- und Tanzschritt Rock und Boogie so ziemlich. Ist er ja so quasi ein Vorläufer des Rock ´n´ Roll und stammt vom Swing ab, dessen Wurzeln in den Musikkneipen amerikanischer Ghettos liegen, so jedenfalls wurde es mir erklärt.Kurzum, wir wiegten uns nach der eher schweißtreibenden Rockeinlage im Dreiviertel Walzertakt.
Genossen sichtlich den zauberhaften Melodienreigen des James Last, um anschließend Wange an Wange der Stimme des Ivo Robic zu lauschen. "Rot ist der Wein." tönte es schmachtend aus der Musikbox. Der Tanzabend schien wunderbar, doch dann ein erschreckter Blick auf die Uhr, ein leises "Servus", weg war sie.

In den folgenden Nächten saß ich gelangweilt herum. Tanzte nur unlustig. Betrank mich meist. Sah sie nicht mehr wieder, bis sie eines Tages wie herbeigezaubert neben mir an der Theke lehnte. Die nachtschwarzen Augen blitzten verwegen. Wortlos zog sie mich auf die Tanzfläche, schmiegte sich an mich, hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. "Kommst Du heute Nacht zu mir Fensterln?" Flüsterte sie. Ich spürte ihren bebenden Körper hautnah, vermeinte wie ein Meteorit zu verglühen. Durchsuchte das halbe Dorf vergeblich nach einer Leiter. Ihr wurde das dann doch zu langatmig, ließ kurzerhand ein verknotetes Leintuch in den Garten herab. Ich enterte die dargebotene Aufstiegshilfe, war auch fast schon oben, da ratschte es. Das Leintuchseil riss.
Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, fand ich mich inmitten verschiedenster Salatsorten im Gemüsebeet wieder. Glatte drei Meter abgestürzt, vom schon zum Greifen nahen siebenten Himmel, mitten hinein in ein Chaos aus Kraut und Rüben.Böse Zungen behaupteten später, dass mich ihr Vater gefunden- und gesagt hätte:"Was machst Du da im Krautgarten? Kannst eh bei der Tür reingehen!"

Ein Text von: belami

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Sie war jung. Sie war schlank. Sie war schwarzhaarig. Sie war begehrenswert. Sie war einfach ein romantisches Liebesmärchen. Wenn ihre nachtschwarzen Augen, die vor Lebenslust blitzten, mich aus halbgesenkten Wimpern anschauten, war es um mich geschehen. Ich schmolz einfach dahin. Ich war auch jung, ich war ebenfalls voller Lebenslust, und ich war selig wie ich sie so im Walzertakt in meinen Armen hielt. Erst vor ein paar Minuten hatten wir uns kennen gelernt. Sie hatte laut "Auweh" geschrien als ich ihr unabsichtlich bei einem zu rasanten Rock and Roll Schritt voll auf die Zehen getreten war. Ihr Tanzpartner, ein bulliger Halbstarker mit Schwalbenschwanzfrisur wollte sofort auf mich los, doch sie schob ihn einfach beiseite, stellte sich breitbeinig vor mich hin und sagte: "Lass mal sehen Kleiner ob Du nen zünftigen Rock zu tanzen imstande bist, oder ob Du nur auf Zehen herumtanzen kannst." Meine verlegen gemurmelte Entschuldigung nahm sie kommentarlos zur Kenntnis, zog mich einfach am Arm auf die Tanzfläche. Ich folgte willig, suchte bislang vergeblich nach einer Erklärung warum sie mich 'Kleiner' genannt, wo ich doch immerhin 183 Zentimeter maß.
Der Rock war für mich kein Problem, zumal ich erst kürzlich erfolgreich die Tanzschule absolviert hatte. Wir lernten zwar nur den Boogie Woogie, jedoch gleichen sich im Takt- und Tanzschritt Rock und Boogie so ziemlich. Ist er ja so quasi ein Vorläufer des Rock 'n' Roll und stammt vom Swing ab, dessen Wurzeln in den Musikkneipen amerikanischer Ghettos liegen, so jedenfalls wurde es mir erklärt.
Kurzum, wir wiegten uns nach der eher schweißtreibenden Rockeinlage im Dreiviertel Walzertakt. Genossen sichtlich den zauberhaften Melodienreigen des James Last, um anschließend Wange an Wange der Stimme des Ivo Robic zu lauschen. "Rot ist der Wein…" tönte es schmachtend aus der Musikbox. Der Tanzabend schien wunderbar, doch dann ein erschreckter Blick auf die Uhr, ein leises "Servus", weg war sie.
In den folgenden Nächten saß ich gelangweilt herum. Tanzte nur unlustig. Betrank mich meist. Sah sie nicht mehr wieder, bis sie eines Tages wie herbeigezaubert neben mir an der Theke lehnte. Die nachtschwarzen Augen blitzten verwegen. Wortlos zog sie mich auf die Tanzfläche, schmiegte sich an mich, hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. "Kommst Du heute Nacht zu mir Fensterln?" Flüsterte sie. Ich spürte ihren bebenden Körper hautnah, vermeinte wie ein Meteorit zu verglühen. Durchsuchte das halbe Dorf vergeblich nach einer Leiter. Ihr wurde das dann doch zu langatmig, ließ kurzerhand ein verknotetes Leintuch in den Garten herab. Ich enterte die dargebotene Aufstiegshilfe, war auch fast schon oben, da ratschte es. Das Leintuchseil riss.
Als ich wieder einigermaßen klar denken konnte, fand ich mich inmitten verschiedenster Salatsorten im Gemüsebeet wieder. Glatte drei Meter abgestürzt, vom schon zum Greifen nahen siebenten Himmel, mitten hinein in ein Chaos aus Kraut und Rüben.
Böse Zungen behaupteten später, dass mich ihr Vater gefunden- und gesagt hätte:"Was machst Du da im Krautgarten? Kannst eh bei der Tür reingehen!"

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Kommentare

  1. Der erste Kommentar kommt aus Thüringen.
    Ich hatte heut die erste Lernstunde am PC und durfte mich grausam blamieren.
    :-I So fühle ich mich wie im Krautgarten abgestürzt und schwöre, Schularbeiten zu machen. Danke Belami.

  2. Bin erst heute durch Deinen Eintrag im open house auf Dich aufmerksam geworden. Gut schreibst Du und in der Kürze liegt die Würze auch bei Dir.Diese Geschichte ist in ihrer Gliederung genau das richtige zum lesen für zwischendurch.Mach weiter so, dann wirst Du immer Beifall finden.GrußSchowi90

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