Kindheitserinnerungen Teil 3

Das Leben geht immer weiter...
Die Jahre vergingen, aber Annas Leben unter der Fuchtel der Lebensgefährtin ihres Vaters, zu der sie unbedingt „Mutter“ sagen sollte, wurde immer unerträglicher.
Sie musste von früh bis abends arbeiten.
Ein Glück, dass es die Schule gab, denn dort war Anna am glücklichsten. Sie war eine gute Schülerin. Und das unerträgliche Leben zuhause wurde durch die Zeit, die sie in der Schule verbrachte, wenigsten für einige Stunden des Tages sehr angenehm.
Noch vor der Schule hatte sie ab ihrem 11 Lebensjahr jeden Morgen 2 Kühe zu melken und die Milch zur Molkerei zu bringen. Und wehe, sie wollte mal ein paar Minuten länger schlafen, dann wurde sie unsanft mit Wasser, das ihr über die Füße geschüttet wurde, geweckt. Dass das Bett dabei nass wurde, war der Frau egal.
Und auch nach der Schule gab es jeden Tag Aufträge, ob das nun die Vorbereitung des Viehfutters war, oder Wäsche waschen - mit dem Waschbrett natürlich, denn eine Waschmaschine gab es nicht, oder Garten- und Feldarbeit, oder die Wohnung sauber machen, oder Hofkehren u.a. war. Das Schlimmste war, dass immer gleich zugeschlagen wurde, wenn etwas nicht zur Zufriedenheit oder zu langsam getan wurde.
Zeit für die Schulaufgaben hatte Anna nie. Und spielen oder andere Freizeit war gleich ganz ein Fremdwort für sie.
Aber Anna wurde ja älter und auch gewitzter. Und wenn ein Mensch so unter Druck gesetzt wird wie sie, dann lässt er sich mit der Zeit auch etwas einfallen, um sich Erleichterung zu schaffen, so auch Anna.
2 Beispiele dazu:
Sie musste im Sommer jeden 2. Tag mit dem Handwagen aufs Feld und Rübenblätter holen. Das Feld war nicht weit vom Badesee entfernt. Da sie nie Zeit zum Badengehen hatte wie andere Kinder, stellte sie ihren Handwagen hinter einem Busch ab, zog sich bis auf die Schlüpfer aus (Einen Badeanzug hatte sie gar nicht und es ging auch so.) und ging erst einmal baden. Danach hängte sie ihre nassen Schlüpfer an einen Baum zum Trocknen und arbeitete etwas schneller, damit sie die Zeit wieder herausholte. Das klappte lange Zeit, ohne dass es bemerkt wurde.
Oder im Winter steckte sie sich früh vor der Schule ihre Schlittschuhe (Es waren alte Absatzreißer und die hatte sie von ihrer großen Schwester.) unten in den Ranzen und mittags nach der Schule ging sie schnell für 10 Minuten Schlittschuhlaufen. Länger ging nicht, weil es sonst aufgefallen wäre. Auch das ging lange gut. Aber es gab auch Dinge die sie versuchte, um auch mal Zeit zum Spielen zu haben wie andere Kinder, die nicht so glimpflich verliefen. Dann gab es hinterher immer eine Tracht Prügel. Aber nicht mehr nur Ohrfeigen, sondern inzwischen gab es einen Ochsenziemer. Ich nehme an, es ist bekannt was das ist.
Anna unterhielt auch später wieder Kontakt zu ihren Schwestern, und diese unterstützten sie, so gut sie konnten. Sie hatten aber nach wie vor Hausverbot. Aber sie sprachen mit ihrem Vater und forderten von ihm Änderungen. Es änderte sich nur so viel, dass er diese Frau jetzt manchmal bremste, wenn sie zuschlug.
Besser wurde es für Anna nachdem sie die Schule verlassen hatte und eine Lehre als Verkäuferin begann, Ihre Arbeitszeit war länger als die Schulzeit, somit war sie weniger zuhause. Außerdem kriselte es da schon zwischen ihrem Vater und der Frau, weil er von ihr verlangte, das Arbeitspensum für Anna zu verringern, da sie ja jetzt arbeitete und weniger Zeit hätte. Annas Schwestern hatten an der Meinung des Vaters einen großen Anteil. Sie haben ihm gedroht, das Jugendamt einzuschalten, wenn sich nichts ändert.
Und siehe da, als Anna ihr erstes Lehrjahr beendet hatte, war die böse Frau plötzlich aus dem Leben ihres Vaters und aus ihrem Leben verschwunden. Begründung. Sie würde doch ihr Leben nicht mit einem Mann und seinen Gören verbringen, der ihre Liebe nicht achtet. – Eine Riesenfrechheit. Sie hatte sich einen neuen Partner gesucht.
Aber Anna, ihren Geschwistern und inzwischen auch ihrem Vater war das egal. Ihr Vater gab die Landwirtschaft auf, verkaufte das Vieh, die Schwestern kamen wieder nach Hause und halfen, wo sie konnten und Anna konnte jetzt ein Leben führen, wie andere Jugendliche in ihrem Alter. Sie war inzwischen 15 Jahre alt.

Copyright Maria E.

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