Leider nur "fast"...

Wie sie es hasste, das Wörtchen "fast"!

Als Kind ging sie recht gern zur Schule, bekam für ihren Fleiß und Lerneifer Noten, die fast gut zu nennen waren, sie war bei Lehrern und Mitschülern nicht gerade beliebt - aber auch nicht gehasst, sie war für ihre Umgebung fast unsichtbar - und dann begriff sie endlich: Was immer sie unternahm, etwas fehlte, eine Kleinigkeit wie ihr schien, sie bemühte sich, diese Winzigkeit zu finden, warum es bei ihr nie reichte über das verflixte "FAST" hinauszukommen!

Sie wäre Klassensprecherin geworden - fast,
sie wäre in ihrer Umgebung beliebt gewesen - fast.
Nur einen Pluspunkt konnte sie für sich in Anspruch nehmen:
Sie hatte das Abitur geschafft ganz - und nicht nur fast.

Eine schöne Stimme hatte sie, nahm Gesangsunterricht, träumte von einer berühmten Karriere - und schaffte es - fast.

Endlich hatte sie einen Beruf gefunden, war tüchtig - so tüchtig, dass ihr ein guter Posten auf der Karriereleiter prophezeit wurde, sie gab ihr Bestes - und erreichte endlich ihr Ziel - fast.

Sie fiel in eine Depression, kam in gute therapeutische Behandlung - und da endlich begriff sie, WARUM ihr an wichigen Punkten ihres Lebens das verhasste Wort "fast" das ersehnte Ziel versperrte.

Immer wollte sie ein Quäntchen mehr erreichen als die Natur ihr mitgegeben hatte...sie hatte ihre natürlichen Grenzen nicht erkannt, da half auch kein noch so strenges Streben und gehässige Blicke auf andere, die geschafft hatten, was sie erreichen wollte - aber immer nur "fast" erreicht hatte.

Das "immer-mehr-wollen-als-können" und dennoch nicht ihr Ziel zu erreichen, hatte sich bei ihr zu einem starken Minderwertigkeitskomplex entwickelt. Und das war einer der Gründe, warum sie als Persönllichkeit nicht liebenswert erschien, weil sie Neid und Gehässigkeit nicht immer verbergen konnte.

Es war ein langer Weg der Unzufriedenheit bis sie erkannte, dass sie im Rahmen ihrer angeborenen Fähigkeiten nur das erreichen konnte, was ihr persönliches Potential zuließ.

Und als sie diese Ursache ihrer Unzufriedenheit und ihre Komplexe endlich erkannt und akzeptiert hatte, wurde sie ein anderer Mensch. Personen, die geistvoller und talentierter waren als sie, bewunderte sie und ließ sich auch von manchen Geistesblitzen inspirieren.

Ihre Zufriedenheit, Gelassenheit und Fröhlichkeit färbte wohltuend auf ihre Umwelt ab. Und was noch wichtiger für sie war - das Wörtchen "fast" hatte sie für ihr Tun und Lassen für immer aus ihrem Leben verbannt.

IHausH

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