Tagebuch Eintrag 21.10.2023

Tja, jetzt bin ich also virtuell hier gelandet. Ich frage mich, was meine verstorbene Frau dazu gesagt hätte. Wahrscheinlich, dass ich der widersprüchlichste Mensch auf der Welt bin. Sie fehlt mir sehr, meine Frau. Und ich muss mich wieder mal neu erfinden, um zu überleben? Wollte ich das überhaupt noch? Will ich es überhaupt noch?  Das wird wohl die nächste Zeit ergeben. und wie ich die Dinge verarbeite.

Seniorenforum? Bin ich ein Senior? Arrgh, das Leben ist grausam. Wenn ich denke, dass ich alt bin, bin ich auch
alt. Warum sich durch Wörte vorgeben lassen, wer und wie man ist? Irgendwo las ich von einem 104jährigen, der des Lebens überdrüssig war und deswegen in die Schweiz gefahren ist. Nicht wegen der Schokolade, sondern weil er sich einschläfern lassen wollte. War ein Australier? Ich wäre ins Outback gelaufen. Mit 104 Jahren wäre das doch ein schöner Abschluss gewesen.

Ich wollte mich irgendwann in ferner Zukunft mit meiner Frau gemeinsam in den Niederlanden einschläfern lassen. Gemeinsam händehaltend. Daraus ist jetzt nichts geworden und ich bin zurückgeblieben. Warum war es nicht umgekehrt? Wieso hupfe ich noch auf diesem Planeten rum. Gibt es eine Mission für mich, von der ich nichts weiß? Diese Frage stelle ich mir ernsthaft.

Im Grunde bin ich so etwas wie ein Agnostiker, jemand der grob gesagt, der nur das glaubt, was beweisbar ist. Eine Diskussion über Gott bräuchte ich gar nicht anzufangen, weil man sich auf keine gemeinsame Definition einigen könnte.

Und jetzt bin ich in der Zwickmühle, weil ich meine eigene Einstellung nicht mehr akzeptieren kann. Ich kann nicht mehr davonlaufen.Diese lauwarme Einstellung, um sich selber in eine scheinbare Sicherheit zu wiegen.

Ich stehe vor der Gedenkstelle meiner Frau im Garten und frage Sie „Warum?“. Was soll das? Die erste Zeit nach ihrem Tod bin ich mehr verwirrt herumgestapft und hatte ähnliche Gedanken wie der 104-jährige Australier. Leider gibt es hier kein outback.

Und es gibt noch nicht mal Regelungen, sondern das übliche Wirrwarr. Wahrscheinlich braucht man erst eine Kopie aus dem Ausland, bis man sich auf etwas einigt. Fällt mir in diesem Land immer wieder auf.

Gut, zur Zeit sind diese Gedanken nicht mehr da. Ich befinde mich in einem mentalen Niemandsland und gehe zögerlich Schritt um Schritt. Ich bin also Senior. Irgendwie mag ich dieses Wort in keinster Weise. Was war dann der Australier? Und wieso fliegt er zum Einschläfern in die Schweiz? Das ist doch nicht klimafreundlich. 100 Jahre
Leben und dann noch flugtauglich? Wieso muss ich mich über alles lustig machen?

Es ist ein Schutzschild. Auch das möchte ich gerne ablegen. Gelegentlich gibt es Rückfälle.

So, das war also der erste Blogeintrag. Unten lese ich als Schlagwort Backen & Kochen. Okay. Wie man dem Eintrag entnehmen kann, habe ich die Neigung zum Schwurbeln. Also sorry, falls sich jemand angeschwurbelt fühlt. Ich versuche mich hier etwas reinzutasten.

Ähnliche Beiträge

Kommentare

  1. Lieber Andreas, zu Deinem Verlust möchte ich Dir mein Mitgefühl aussprechen. Die Frage nach dem warum, stellen sich sicher einige hier. Vermutlich gibt es darauf nie eine Antwort. Aber hinter Deinem Schmerz ist auch ein Humor zu spüren, auch wenn es z.Z noch ein verzweifelter ist. Ich bin sicher, er wird Dir helfen, Dich mit der Zeit besser zurecht zu finden. Alles Gute Strandläuferin

    1. Vielen Dank für dein Mitgefühl liee Strandlaeuferin. Hmh, ja die Frage auf das Warum. Es ist bei mir auch mit Wut verbunden. Und vielleicht ein Ausdurck von Hilflosigkeit. Ich bin mir noch nicht ganz sicher.
      Liebe Grüße
      Andreas

  2. @Andreas61
    Zunächst möchte ich dir meine aufrichtige Anteilnahme übermitteln. - Jeder Verlust eines Menschen ist auch ein Trauma. Vermutlich wirst du auch im Laufe der Zeit verschiedene Stufen der Traumaverarbeitung durchleben von tiefer Traurigkeit, Fassungslosigkeit bis hin zur Wut, ich wechselnder Reihenfolge. Meine Empfehlung, lass es zu ...
    Du weißt es selbst, auf die Frage WARUM wirst du keine Antwort erhalten. -
    Jedenfalls teilst du dich mit, hier über Weblog, die Gruppe "Abschied und Trauer" hast du auch gefunden. Das kann dich davor bewahren, in die Erstarrung zu verfallen.
    Nein, ich will hier keine Rat-Schläge verteilen, nur ein wenig von meinem Wissen über Traumata mit anderen teilen, weil ich es für sinnvoll halte.
    Also meine Empfehlung, teile dich auch weiterhin mit ...Auch dafür wünsche ich dir viel Kraft.
    VG happyday

    1. Danke Dir happyday. Ja, die Phasen habe ich zum Teil schon durchlaufen und durchlaufe sie immer noch.. Ich habe auch gleichzeitig noch in einem Trauerforum geschrieben und verschiedene Hilfen in Anspruch genommen. Was das Reden angeht. Ursprünglich wollte ich eigentlich nicht mehr in einem Forum schreiben. Aber ich denke, es hilft mir irgendwie, gerade auf dieses Thema bezogen. Ich muss viel regeln und gleichzeitig kommen diverse Gefühle und eben auch eine „Erstarrung“ oder „Lähmung“ hinzu. Also ich finde an Ratschlägen nichts Schlimmes. Ich entscheide ja, was ich annehme und was nicht. Und gerade wenn jemand Wissen über Traumatas hat, finde ich es gut. Ich habe schon sehr viel dazu geschrieben. Das hat mich aufrecht gehalten. So oder so werde ich weiterschreiben, mir bleibt gar keine andere Wahl.
      Liebe Grüße
      Andreas

      1. @Andreas61
        Guten Abend Andreas, weil ich selbst mittlerweile ziemlich allergisch gegenüber Ratschlägen bin, versuche ich, mich vorsichtig auszudrücken. -
        Vor Kurzem habe ich in der Gruppe Abschied&Trauer die für uns Menschen unbewussten Reaktionen auf Traumata ( auch im Zusammenhang mit Trauer ) kurz beschrieben.
        Hier nochmal zusammengefasst...
        Die drei Möglichkeiten der Reaktion werden durch unser Reptilienhirn gesteuert und laufen, wie eben erwähnt, unbewusst ab.
        Die drei Möglichkeiten der Reaktion auf ein Trauma: 1. Flucht, 2. Kampf ( dazu gehören auch Wut und Aggressionen ) und Erstarrung, also Handlungsunfähigkeit. Die Reihenfolge können wir ebenso wenig steuern, wie die Dauer einer einzelnen Phase. -
        Was immer auch passiert, da gibt es kein "richtig" oder "falsch" ...Auch wie lange das jeweils beim Einzelnen dauert, ist nicht "steuerbar".
        Wenn man das weiß, fühlt man sich weniger hilflos bzw. ausgeliefert.
        Viele Grüße - happyday

  3. Hallo Andreas, auch ich möchte Dir mein Mitgefühl aussprechen. Ich kann dich sehr gut verstehen, denn ich kann nachvollziehen, was nach dem Verlust deiner Frau in deinem Herzen vor sich geht. Ich habe meine große Liebe vor 5 Jahren für immer verloren, und das von jetzt auf gleich. Nach diesem Verlust hatte ich zum ersten mal mein Herz gespürt, weil es weh tat und das über mehrere Wochen. Darauf schickte mich mein Hausarzt zum Kardiologen. Seine Diagnose hieß Broken-Heart-Syntrom. Mein Mann und ich hatten auch eine "Abmachung" bezüglich der Bestattung, egal ob es erst mich oder erst ihn betrifft. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Denn wir hatte gemeinsam, ca. 2 Jahre vor seinem Ableben, eine Reportage im TV gesehen und wir waren beide davon fasziniert. Es ging um "Diamantbestattung". Wir hatte uns gegenseitig versprochen, daß das die richtig Bestattungsart für uns ist. Deshalb habe ich meine große Liebe wieder bei mir, wo er hingehört. Du kannst mir glauben, das ist ein RIESSIGER Trost für mich und half mir bei meiner Trauerverarbeitung. Ein Teil seiner Asche ist in der SCHWEIZ zu einem wunderschönen Erinnerungsdiamant geworden und ich habe diesen Schritt nicht eine Minute bereut. Mit meinem einzigen Kind habe ich für mich auch so eine "Abmachung". Ich wünsche Dir viel Kraft für deinen weiteren Lebensweg.

    1. Hallo Anele, vielen Dank für dein Mitgefühl. Ich muss gestehen, ich bin da fast rein gefühlsmäßig vorgegangen- Beim Bestattungsunternehmen gab es die Möglichkeit, etwas Asche in eine kleine Urne zu tun und zusätzlcih Asche für den Garten zu bekommen. Das baue ich jetzt Schritt um Schritt aus. Ich weiß, dass ihr das gefallen häte. Wir hatten öfters darüber gesprochen, wie schön es doch wäre unter einem unserer Bäume zu liegen. Und deshalb stehe ich auch öfters davor und führe ein Zwiegespräch mit meiner Frau. Ich denke, für mich ist es wichtig diese Verbindung, die wir hatten, nicht zu verlieren. Für mich ist das ein komplett neuer Lebensabschnitt. Ich bin mir nicht sicher, wohin mich die Reise führen wird, aber ich muss mich auch innerlich verändern, um die Kraft zu gewinnen, dies durchzustehen.
      Liebe Grüße
      Andreas

Verstoß melden

Schließen