"ER" - Morgentoilette

„ER“
Tagebuch – Morgentoilette

Aufstehen gegen sechs Uhr dreißig. Diese verdammte Morgensteifigkeit. Grinst blöd vor sich hin noch auf der Bettkante sitzend, früher waren es nicht die Fußgelenke...

Bad, Spiegel, gottlob hängt der wenigstens so hoch, daß er nicht ständig seinen Bauch betrachten muß, das Gesicht reicht auch, um zu sehen, daß er nur noch mit den inneren Werten punkten kann.

Der Schaum aus der Dose verwandelt ihn zunächst zum Nikolaus, seine jungenhaft blauen, stechenden Augen werden betont, versöhnen ihn, erinnern ihn an Vergangenes.

Das überlaute Schabegeräusch auf der Wange, erinnert ihn, sein Hörgerät herauszunehmen, es verträgt keine Feuchtigkeit.

Rasieren, das täglich, warum?

Mit Stoppeln im Gesicht siehst du aus, wie ein Penner, willst du das? Klingen vom ALDI, zwar billig, aber nicht geschaffen, um dir den Wildwuchs aus dem Gesicht zu schaben. Vielleicht solltest du mal nachdenken, ob nicht Hochwertigeres am Ende preiswerter wäre.

Der Nikolaus verwandelt sich. Leidlich gebräunte Gesichtshaut kehrt zurück, mit Grauen erscheinen die Bilder der Wintermonate, blaß, unvital, kränklich.
Mit beiden Händen werden die Schaumspuren unter dem Wasserstrahl beseitigt, Augen bedanken sich, Wasser in die Nase, hochgezogen, ausgeprustet, so, daß wäre auch geschafft.

Dusche, eine sinnliche Wohltat. Berührung deiner selbst, Streicheleinheit, Aufmerksamkeit, Test deiner Funktionen, Vorstellung von dem, was heute alles passieren könnte. Du willst es immer noch, „allways ready for a new busines“!
Freud hat recht! Nie wirst du diesen Blödsinn aufgeben, dich darauf einzustellen....

Der Wannenrand erscheint dir höher, vor allem beim aussteigen. Blind greifst du nach dem Badetuch, ein Ritual, zuerst die Haare, dann diagonal der Rücken, ausbaufähig bis zum Orgasmus, dreißig Züge mindestens, dann Richtungswechsel, der Rücken brennt, doch die Wolllust ist stärker, besondere Aufmerksamkeit zwischen den Beinen, dem Popo, Feuchtigkeit hier, erzeugt den „Wolf“, das weißt du seit deiner Militärzeit und du willst nichts riskieren.

„Vom Eise befreit“, das Deo unter die Achsel, beiläufig erkennst du, daß die Haare hier bereits wieder nachgewachsen sind, eine Rasur würde nicht schaden, morgen, denkst du und klatschst dir die „after shave lotion“ ins Gesicht. Wie sagte man dies denn auf Deutsch? Du verwirfst den Gedanken sofort wieder, warum sich mit solchem Kram belasten und genießt das Brennen im Gesicht....

Zuerst der großzahnige Kamm, damit du dir nicht die letzten Haare ausreißt, unabdingbare Vorarbeit, dann der Feine, suche nach dem Scheitel, kurze, geübte Züge, links, rechts, nach hinten, der hoch hängende Spiegel, der prüfende Blick, na also, es läßt sich doch immer wieder Ordnung schaffen im Chaos.

Verwegen zwei gezielte Spritzer vom „Antheus pour Home“ auf die Heldenbrust, einatmen, sicher und überzeugt werden.....es wird ein guter Tag!

© Psachno

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Liebe istFerne verlierenNahe seinAugen sehen blindZärtlichkeit fließt aus Worten und Händen Haut Spüren Riechen Schmecken Rosenknospenerblühen ohne Worte Hände umschließen WonneMund ist Kuss Höhle zugleich…

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