Der kleine Stern

Der kleine Stern (Barbara59)

Der Himmel ist schwarz und undurchdringlich. Nur ein kleiner Stern schimmert einsam in der Dunkelheit. Auf ihm gibt es keine Luft und kein Wasser, nur Sand und drei Steine. Wenn ihm langweilig wird, dreht er sich schnell auf eine Seite, und lässt die Steine hin und her rollen. Heute hat er schon oft die Steine rollen lassen, dass ihm schon schwindelig geworden ist. Er schaut um sich, und sieht von Weitem einen wunderschönen Nebel, der sich wie ein Schleier im Wind bewegt.„Darf ich einmal in dein buntes Licht eintauchen,“ fragt der kleine Stern.
„Ja, komm nur.“
Langsam gleitet er hinein, und die Farben lassen ihn in allen Facetten flimmern.„Sehe ich nicht wunderschön aus?“
Immer wieder dreht er sich hin und her, bis auch seine Steine bunt leuchten.
„Kleiner Stern, du musst jetzt weitet wandern, denn ich werde mich auflösen,“ sagt der Nebel und wird durchsichtig.Wieder ist der kleine Stern in der Unendlichkeit alleine. In dieser Leere wird ihm kalt, und es schüttelt ihn. Da sieht er einen roten Ball. Dieses Licht scheint warm und weich zu sein, und er wandert zu ihm.
„So einen großen Stern sah ich noch nie. Meine Geschwister sind alle viel kleiner als du.“„Ich bin auch kein Stern, sondern ein Planet,“ antwortet er mit einer so tiefen Stimme, dass sich der Kleine erschreckt, und fast einen Purzelbaum schlägt. Seine wenigen Steine fliegen ins All, und er fängt an zu weinen.„Warum weinst du?“
„Du hast mich mit deiner Stimme so sehr erschreckt, dass mir das Einzige, was ich besitze, verloren gegangen ist.“Da lacht der große, rote Planet. „Meinst du diese kleinen Krümel, die auf mich gefallen sind?“
„Für dich sind es wertlose kleine Krümel, aber für mich ist es eine Kostbarkeit, denn es ist ein Teil von mir,“ schluchzt der Kleine.„Weine nicht. Komm näher zu mir, ich werde dir deinen Schatz zurück geben.“
„Danke, du großer Planet,“ ruft der Stern, als die Steine wieder auf ihm gelandet sind. „Einer ist so rot wie du, und er wird mich immer an dich erinnern. Ich muss jetzt weiter, aber vielleicht kreuzen sich unsere Bahnen wieder einmal.“
„Machs gut, mein Kleiner, und pass ein bisschen besser auf dich auf,“ grollt der rote Planet. Dem kleinen Stern wird wieder kalt, denn das Licht der Sonne kann ihn kaum noch erreichen.„Ich fliege in verkehrter Richtung,“ spricht er zu sich selbst.
Er versucht seine Bahn zu ändern, aber irgend etwas zieht ihn weiter. Ängstlich schaut er um sich. Da sieht er neben sich einen großen, hellen Ball, um den viele bunte Ringe schweben. Er wird schneller, je näher er ihnen kommt.„Hilfe,“ ruft er laut. „Gleich stoße ich mit euch zusammen.“
„Hab keine Angst, wir fangen dich auf.“
„Seid ihr auch Planeten,“ fragt der kleine Stern.„Nein, wir sind Teile von zwei Monden, und umkreisen einen Planeten.“
„Ach, ich will zu meinen Geschwistern zurück, aber ich finde nur Planeten und kaputte Monde,“ seufzt er.„Ich habe auch Steine. Sie sind mir auf einen Planeten gefallen. Seht, jetzt leuchtet einer so rot wie er.“
„Komm den Ringen nicht zu nahe, kleiner Stern,“ hört er die Stimme des hellen Planeten. „Sie werden dich einfangen, und auf ihre nie endende Reise mitnehmen.“
„Warum sollten sie es tun, Planet? Sie sind sehr freundlich zu mir.“
„Nicht jedes freundlich gesprochene Wort ist auch ehrlich gemeint, mein Kleiner.“
„Warum sind die Monde zerbrochen?“
„Es ist eine lange Geschichte. Sicher hast du nicht so viel Zeit, sie anzuhören. Ich werde mich kurz fassen.“ Der Planet räuspert sich lange, bevor er weiter erzählt.„Die beiden Monde stritten und zankten sich viel. Einer wollte sich immer vor den Anderen schieben, um, wie sie meinten, mehr Sonnenlicht aufzunehmen. Sie stritten immer heftiger und übersahen, dass sich ihre Flugbahn überkreuzen würde. Ich wollte sie noch warnen, aber sie hörten nicht auf mich, und zerstörten sich selbst. So müssen sie mich auf ewig umfliegen.“
Wieder räuspert sich der Planet.„Siehst du den gelben Planeten? Das ist meine Schwester. Fliege zu ihr, und grüße sie von mir. Aber vorher will ich noch einem Stein meine Farbe geben.“Der kleine Stern will sich auf den Weg machen, aber die Ringe halten ihn fest.
„Lasst mich los,“ bittet er sie.„Nein, wir wollen mit dir Fangen spielen, denn uns ist es sehr langweilig.“
Das hört der helle Planet, und dreht sich etwas schneller.„Kleiner Stern, pass auf deine Steine auf. Ich werde dir einen Schups geben.“
Er fühlt den Stoß, und seine Geschwindigkeit nimmt zu. Erst als er sich sehr weit von den Ringen entfernt hat, dreht er sich noch einmal um.Sie sehen so schön aus, aber das Schönes kann so böse sein.
Traurig lässt er seine Steine hin und her rollen. Da fühlt er plötzlich einen leichten Schlag, und erschrocken schaut er um sich.Unbemerkt ist er in einen Kometenschwarm geraten. Sie glitzern golden, und zwitschern, als sie an ihm vorbei fliegen.„Wohin wollt ihr?“
„Der Sonne entgegen, kleiner Stern.“
Sie werden schneller und schneller, und leuchten von Weitem wie ein großer Schweif. „Ihr werdet verbrennen,“ ruft er ihnen nach. Aber sie sind schon zu von ihm entfernt.Wieder fühlt er sich in dem großen All sehr einsam. Der gelbe Planet ist noch so weit, und die Dunkelheit will ihm Angst machen, und wieder lässt er seine Steine hin und her rollen.
„Das tut mir weh,“ hört er eine leise Stimme. Erschrocken sieht der kleine Stern an sich herunter. Es leuchtet ganz schwach unter einem Stein. Schnell neigt er sich auf eine Seite, und der leuchtenden Punkt wird größer und heller.
„Bist du ein Komet?“
„Ja, bin ich. Ich wollte dir nicht weh tun. Leider übersah ich dich, und jetzt stecke ich fest. Kannst du mir helfen wieder frei zu kommen, damit ich meinem Schwarm folgen kann?“
„Wenn du ihnen folgst, wirst du in der Sonne verglühen.“
„Das weiß ich. Es ist unser Weg.“
„Bleib doch bei mir. Ich bin so allein, und du bringst mir ein wenig Licht.“
„Woher kommst du, und wohin willst du, kleiner Stern?“
„Ich bin auf der Suche nach meinen Schwestern. Jetzt will ich zu dem gelben Planeten. Vielleicht kann er mir weiter helfen.“„Kannst du mich befreien, damit ich mit deinen Steinen spielen kann?“
Der kleine Stern rülpst ein wenig, und schon ist der Komet befreit. Mit seinem Licht lässt er die drei Steine aufleuchten. Es ist ein schönes Spiel, und der kleine Stern ist glücklich.
„Woher kommst du, du leuchtender Komet?“
„Aus der Unendlichkeit.“
„Was ist Unendlichkeit?“
„Das ist da, wo es keinen Anfang und kein Ende gibt.“
Der kleine Stern ist sehr nachdenklich.
„Seid ihr darum so fröhlich, in der Sonne zu verglühen, weil ihr dann ein Ende gefunden habt?“
„Du stellst komische Fragen. Alles, wirklich alles, hat eine Bestimmung, und dem kann man nicht entgehen. Schau mich. Ich dachte, dass ich zur Sonne fliegen würde. Aber da warst du, und ich bin auf dir gelandet. Jetzt freue ich mich, dass ich dich begleiten kann.“
Der Komet rollt so schnell hin und her, dass er Funken sprüht. Es sieht wie ein kleines Feuerwerk aus.Beide lachen fröhlich und machen sich auf den Weg, zu dem gelben Planeten.
Sie werden so müde und schlafen ein. Als der kleine Stern aufwacht, sieht er den gelben Planeten riesengroß vor sich und bremst ab.„Ich soll dir Grüße von deinem Bruder bestellen,“ ruft er laut.
„Danke, du Kleiner, aber du musst nicht so schreien. Ich kann noch gut hören. Aber sag mir, was du hier am Rande des Universums machst. Hast du dich verflogen?“„Ich suche meine Schwestern. Hast du sie gesehen?“
„Ja, habe ich. Dreh dich. Da ganz weit hinten siehst du einen blauen Planet, und da sind auch deine Geschwister.“
„Da bin ich aber froh. Sieh hier, ich habe drei wunderschöne Steine. Einen hat mir ein Bruder von dir rot gefärbt. Den möchte ich dir als Dank schenken.“
„Du musst mir nichts schenken. Ich helfe gerne. Aber warte einen Moment. Ich werde einen Stein gelb färben, dann wirst du mich nicht vergessen.“
Der kleine Stern fühlt einen kalten Atem, und ein Stein nimmt die Farbe des Planeten an.Vorsichtig rollt er ihn hin und her, und der Komet lässt ihn noch heller leuchten.„Du hast mich reich beschenkt, lieber Planet. Wie soll ich dir danken?“
„Sei glücklich und zufrieden, das ist mir Dank genug. Doch nun pass auf. Ich werde dir einen Stoß geben, dann bist du schnell bei deinen Geschwistern. Bestelle meiner Schwester, dem blauen Planeten, einen lieben Gruß.“
Der kleine Stern will noch etwas sagen, aber er merkt wie seine Geschwindigkeit zunimmt, und er hat Mühe seinen Reichtum festzuhalten.Da sieht er seine Geschwister, die sich ihm schnell nähern.
„Ich bin wieder da,“ ruft er ihnen entgegen.
Liebevoll nehmen sie ihn in ihre Mitte.
In manchen schwarzen Nächten sieht man den kleinen Stern ganz hell. Er funkelt rot und gelb.

Eine Text von: Barbara59

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