Das Lied der Sonne

Das Lied der Sonne (barbara59)

Langsam, ganz langsam erhebt sich die Sonne am frühen Morgen aus dem Meer. Sie reckt und streckt sich und gähnt müde. Dabei wird sie vor Anstrengung ganz rot. Eine kleine Wolke schiebt sich diskret vor sie.

"Du wagst dich in meine Nähe? Hast du keine Angst, dass ich dich auflöse?"Die Kleine schlägt einen Purzelbaum und lacht.
"Der Wind, mein Freund, wird es nicht zulassen. Er hat versprochen, mir die Welt zu zeigen.Ich habe nur auf dein Licht gewartet. Jetzt kann meine Reise beginnen," ruft sie dem Wind zu.Die Kleine winkt der Sonne noch einmal zu, ehe der Wind sie mit auf seine Reise nimmt."Ich bin so alleine," seufzt die Sonne. "Alle fürchten mich, und schauen mir nicht ins Gesicht. Dabei meine ich es doch nur gut mit ihnen."
Die Sonne steigt höher, und ihr Licht wird heller und gleißender. Die Kühle der Nacht liegt noch auf den Bäumen, über die sich ein leichter Nebel erhebt, den sie begierig aufsaugt.Ihre Strahlen fliegen wie Pfeile durch das Laub, und gleiten wie dünne Finger über den Boden, so als suchen sie nach Verborgenem.
Dann verlässt sie den Wald, und ihr Weg führt sie in die Wüste. Sie strahlt hell wie flüssiges Gold, als sie direkt über einem Dorf steht. Alle Fenster und Türen der Häuser sind geschlossen. Nirgendwo kann sie eindringen, und kein Mensch oder Tier sind auf den Straßen zu sehen.
"Wo seid ihr? Seht doch, wie schön ich bin," zirpt sie.
"Ich schenke euch die Wärme und das Licht des Tages, aber ihr versteckt euch vor mir?"Die Sonne wird ungeduldig, und ihr singender Ton wird so schrill, dass er sich in den Ohren fest setzt. Unbarmherzig schickt sie ihre Gluthitze auf die Erde. Die Bäume ächzen unter dieser Last. Müde lassen sie ihre Zweige hängen, und das Gras knistert vor Trockenheit. Der Wind hat sich auf das Meer zurück gezogen. Er wartet auf den Abend, um die Menschen mit seinem kühlen Atem zu erfrischen. Die kleine Wolke ist zurück gekommen, und ruft ihr zu:
"Liebe Sonne, ich bin wieder da. Ach, die Welt ist so groß und schön. Ich sah die Dunkelheit, in der viele kleine Lichter leuchteten. Da warten die Menschen auf dich.""Danke, für diese Worte, meine Kleine. Ich werde mich gleich auf den Weg machen."
Langsam wandert sie weiter, und ihre Melodie wird weicher. Die Schatten werden länger, und der Wind kommt zurück. Die Sonne nähert sich dem Horizont, und sie verabschiedet sich mit einem roten Kleid, auf dem violettfarbene Wolken schweben.

Die Menschen sind aus den Häusern gekommen, und danken ihr, dass sie ihr Licht auf die Erde schickte, und die Blumen heben ihre Köpfe zu dem Himmel. Leise singt die Sonne ihr Lied für die Nacht, das wunderschön klingt, bevor sie sich für heute verabschiedet.

Eine Geschichte von: barbara59

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