Als ich beschloss, ein Clown zu werden.....

ALS ICH BESCHLOSS, EIN CLOWN ZU WERDEN.........

mein kleiner Zirkus, ich war so stolz auf ihn, ein Zelt auf vier mächtigen Pfeilern, Sitzplätze nahe am Geschehen, buntes Volk um mich herum, Artisten, Musiker, Dompteur, Dresseur, manch Gaukler, ja und Tiere......

Jeden Abend griff ich nach dem blütenweiß gestärkten Hemd, dem alten, edlen Frack, meinen schwarzen, gelackten Schuhen, den samtartig glänzenden Zylinder, die weißen Handschuhe und den schwarz mit Klavierlack überzogenen Stock, der einen silbernen Löwenkopf als Knauf trug.
Ich lief die wenigen Meter von meinem Wohnwagen hinüber zum Zelt, unterhielt mich mit den Musikern, schaute dem Dompteur in die Augen, erkannte die nervliche Anspannung der muskelbepackten Hochseilartisten, das feine Lächeln der Dressurreiterin.....meine kleine Familie, getragen von der Leistung, der Freude am Tun, der Gunst und dem Applaus des geneigten Publikums.....

Wie jeden Abend war es meine Freude, das Publikum durch das Programm zu führen, in erstaunte Augen zu blicken, Stille in den spannenden Momenten zu erleben und gelösten Beifall, war es denn gelungen.

Wie gesagt, beinahe vierzig Jahre liefen so die Fäden der Verantwortung in meinen Händen zusammen. Ich bemerkte das nicht mehr. Ich war eine Institution wie einer der vier Tragmasten des Zirkuszeltes, kannte alles und jeden, grübelte über den täglichen Einnahmen, neuen Ideen, dem Fortbestand der „Familie!“

Eines Nachmittags, eine Kinderveranstaltung, Madame Po hatte gerade ihre Pudel Dressur mit viel Beifall beendet, ging ich an den Rand der Manege und fragte ein kleines Mädchen, wie ihr denn das eben gezeigte gefallen habe, hielt ihr mein Mikrofon an den Mund und ein langsames : „Gut!“, aber wann kommt denn der Clown?“.........
Wir hatten keinen Clown, das wurde mir schlagartig bewusst!

… aber wann kommt denn der Clown?.....es saß tief!

Warum hatten wir keinen Clown? Wollten wir die Welt nicht aus seiner Brille betrachten? Wollten wir nur durch Perfektion bei Mensch und Tier Aufmerksamkeit und Anerkennung erzeugen? Wollten wir keine Schwäche, keine Freude, keinen Schmerz zulassen?
Ich begann mir vorzustellen, welche Kleidung die richtige wäre, welche Schuhe, welche Art des Schminkens, welche Nase in mein altes Gesicht passen würde. Ich verließ mein reales „Ich“ vor dem Spiegel in meinem Wohnwagen, malte mich an, in wachsender Freude...und meine Gedanken änderten sich, wanderten zurück durch mein Leben, sogen das auf, was mir einst Seelenqual oder himmelhochjauchzende Gefühle vermittelte, Ironie, Schmerz, Enttäuschung, Angst und Liebe.....und ich schminkte mich....es wurde zur Meditation....verwandelte, Aussehen und Inneres, ich begann zu verzeihen, denen, die mir weh getan hatten, denen, die es noch tun würden. Ich begann zu lieben, die, die ich längst verlassen hatte und die, die ich noch lieben werde.....Ich hatte ein rot geschminktes breites Grinsen im sonst weißen Gesicht, während Tränen über die aufgemalten Backen rannen.....

Ich bin ein CLOWN!

© Psachno

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Kommentare

  1. Heute morgen, sehr früh, habe ich Deinen wunderschönen Beitrag gelesen. Da ich glaube, Dich ein wenig zu kennen,berührt er mich besonders......
    Freue mich darauf....wieder was von Dir zu lesen.....
    Jacaranda9

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