8zig

8zig (Larabella)

Letzte Woche schon; jetzt wieder: Freude, ein wenig Stolz. Mit Recht: Er hat soeben, mittels seiner Bankkarte – er besitzt sie ja schon lange – anstandslos eine Konsumation bezahlt. Sogar das Trinkgeld konnte er in den Betrag integrieren. Er findet das toll. Zufrieden mit sich und dem Fräulein, das ihm Dank und Wiedersehen anbietet, schreitet er zum Ausgang. Super! Er kann ja auch noch Autofahren und einige Nummernkombinationen im Gedächtnis abrufen. Bezahlen mit der Bank- oder Kreditkarte gehört halt heutzutage genauso dazu wie die eigene E-Mailadresse. Ganz einfach dazu; zum Heutigen. Er auch – immer noch. Er will! Wieso denn nicht?Auch im Einkaufszentrum vor der Kasse. Bald ist er an der Reihe, nur noch ein paar Kunden stehen vor ihm. Ist ja auch Zeit; er hasst warten zu müssen und Zeit zu verplempern! Im Display wird ihm der Betrag angezeigt werden – und angedeutet was zu tun ist. Er weiss Bescheid – und auch, wo er was, wie, eintippen muss. Kein Problem mit der Sicherheits-Zahlenreihe, er hat sie vorher, in der Warteschlange, nochmals wortlos aufgesagt, sicherheitshalber. Auch schon hatte er vorher alles in die Handfläche geschrieben – auch sicherheitshalber. Diesmal nicht, ist ja leicht, schon oft gemacht; hat immer geklappt. Macht endlich vorwärts, bitte!Es wird funktionieren, seine Vorfreude ist echt und berechtigt, ist viel grösser als alle Bedenken, die aber auch da sind und ständig flüstern: es kann auch schiefgehen. Die Nachfolgenden dürfen wegen ihm keinesfalls aufgehalten werden; wegen ihm bestimmt nicht. Er gehört doch noch zu ihnen, zu allen, die galant eine Plastikkarte – eine von den vielen im Extraportefeuille – herausziehen und nonchalant das Zahlprozedere wortlos hinter sich bringen. So muss es heutzutage sein: effizient, hopp-hopp! Es pressiert; nur ja nicht stören!Noch bleibt Zeit, genau vier Personen lang Zeit steht vor ihm. Sie alle scheinen jung; sie sind es. Er ist der Älteste in der Reihe; aber topfit. "Fiter" als alle vor und hinter ihm, das bestimmt sicher – sieht man doch! Zweieinhalb Kunden lang Zeit bleiben immer noch, und wegen der Sommerhitze sieht er die schwammigen Oberarme, die ausladenden Bäuche und die gewichtsausgleichenden Hintern, auf entsprechendem Unterbau. Nein nur das nicht! Tausendmal nicht, lieber sportlich, rassig, zack-zack und jugendlich.Nur eben: weisse Haare. Er hat sie und alt ist er auch: 80! Eine Tatsache. Die Dame an der Kasse bemerkt das. „Sie können jetzt“, sagt sie mit kritischem Blick und ihrem Zeigfinger auf dem violett schimmernden Schlitz: „Die Karte in den Schlitz schieben“, fügt sie an und macht es grad selber – mit seiner Karte: „Hier!“ Das ist dort, wo ihr Finger alles versperrt hatte; bevor sie; er hätte das ebenso gut selber tun können. „Jetzt müssen Sie nur noch den Code eingeben; oder wollen Sie einen Bezug machen? Nein? Dann hier: auf "No" und da: auf "Chq", ja genau da; jetzt den Code und dann OK“. Sie macht sich diskret und lächelt ein reserviert, höfliches Lachen. Siegeslachen! Wieder so ein alter Knacker, dem ich helfen konnte, wird sie denken. Das denkt er jetzt. Ist doch einfach beleidigend; saublöd, wie Die tut!Ach ja: Code, jaja, den von vorhin mit der 14 am Anfang und der Karte mit dem roten Punkt; nicht den von seiner Kreditkarte. Selbiger wusste er immer auswendig – seit der Rekrutenschule vor 60 Jahren. Es ist seine Karabinernummer. Sie ist persönliche Codenummer geworden, das ist einzigartig und supersicher – unvergesslich. Stucki hatte die Nummer vor ihm und Buchmann die nach ihm. Überhaupt: damals kannten Alle alle Nummern vom ganzen Zug. Jeder wusste welche Nummer zu welchem Karabiner und Rekruten gehörte. Aber jetzt die Nummer, die andere, die mit 14 am Anfang, ja eben die, die mit dem roten Punkt. Hätte er vorher in die Handfläche schreiben sollen, nur sicherheitshalber.„Vergessen?“ hört er fragen. Sie lächelt teilnahmsvoll, bevor ihr Befehl kommt: „Denken Sie einfach ruhig nach, das kommt dann schon“. Er bemüht sich ja ruhig zu bleiben. Es kommt aber nichts; alter Knacker! Nur die blöde Karabinernummer und was dazu gehörte, jetzt unwichtig ist, das kommt, ist präsent: Zug Horber, vierte Kompagnie, Stucki und Buchmann. Peinlich, ausgerechnet jetzt, als hätte er in die Hosen gemacht – er ein Mann von 80 Jahren. Immer noch fit und im Schuss. Die verdammten Nummern! Die vom roten Punkt.Er bezahlte bar. Genauso, wie es in der Rekrutenschule war. Damals, mit dem Stucki und dem Buchmann, als sie froh waren die Konsumation mit dem Rest vom Sold bezahlen zu können, aber so selbstsicher taten, als würden sie den ganzen "Laden" kaufen können – vor 60 Jahren. Er könnte noch sagen wie sie gesessen hatten, wie das Lokal, der Wirt und die Wirtin ausgesehen haben und wie sie, die Wirtin, sagte: „Müend dänn au na zaaahle“.

Ein Text von: Larabella

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