Herbstlied

Nun ziehn die kalten Nebel
vom Erlengrund her übers Feld.
Und wird noch kälter werden
in unserer bedrohten Welt.
Und ist nicht viel geerntet
in 13 Jahren und ein Tag.
Nun wird sich manches wenden,
was mancher nicht gewendet mag.
Die Scheuer eingefahren -
das taten die, die's immer tun,
zu Maultrommeln und Flöten
und immer zu dem gleichen Lohn.
In die Kartoffelfeuer
blasen sie ihre kalte Wut
und tragen Ohrenschützer
und stochern schweigend in der Glut.
Wer läßt jetzt Drachen steigen
im rauchgewürzten Stoppelwind?
Zu solchen Sommerträumen
lacht nicht nur das gebrannte Kind.
Was soll das Bunt der Wälder,
wenn saurer Regen es entfacht?
Und die Kastanienwärme
in deiner Hand nährt den Verdacht.
Der Tau tropft schwarz von Zweigen,
am toten Geleise krächzen Kräh'n.
Wer jetzt ein Haus hat, läßt es
für niemanden mehr offenstehn,
hängt Strohpuppen ins Fenster,
und mancher betet in der Nacht.
Es werden Schüsse knallen,
die Treiber sammeln sich zur Jagd.
Nun ziehn die kalten Nebel
vom Erlengrund her übers Feld.
Und wird noch kälter werden
in unserer bedrohten Welt.
Und trotzdem steck ich Äpfel
in meinen Ofen, sing dies Lied,
und baue einen Drachen,
der feuerrot,
der feuerrot,
der feuerrot
im Abend fliegt.
Franz-Josef Degenhardt

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