Heinerles Weihnachtsbär

Heinerles 7 RM Weihnachts - Teddybär.

Endlich war es so weit. Es weihnachtete sehr.

Als erstes kamen wir am Spätnachmittag des Heiligabend, nacheinander, in den großen Waschzuber.
Ab und zu, musste meine Mutter heißes Wasser nachschütten, denn frieren, wollte keiner. Dann, und das gab es in jedem Jahr zu Weihnachten, neue Unterwäsche, die ersten Jahre mit „ Klappe hinten. „ Später, als nicht mehr zumutbar, gab es Hemdchen und Höschen einzeln und Leibchen und ........lange Wollstrümpfe an Strippen.

So total aufgefrischt, saßen wir später unter dem sehr liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum. Andächtig wurden alle Weihnachtslieder gesungen.
" Oh, Tannenbaum " sangen wir als erstes und endeten
mit „ Es ist ein Ros entsprungen.„
Ich erinnere mich noch an den strengen Blick meiner Mutter, als ich inbrünstig sang: „Es ist ein Ross entsprungen.“ Ich habe es nie wieder getan.
Es war auch gar nicht so abwegig, denn im angebauten Stall, nebenan, standen vier Pferde. Drei Reitpferde und das schwere Kaltblut David.
Mein Lieblingspferd hieß Edelfink und war ein Rappe.

Geschenke, gab es nicht viel; ein Päckchen Buntstifte oder eine neue Federhaltermappe, ein Buch, einpaar Taschentücher mit Spitze, einen kleinen Spiegel für mich, ich war schon damals etwas eitel.

Meine Schwester bekam weißen Leinenstoff für eine Bluse und eine Brosche, ein schöngeformtes Blatt aus Perlmut. Sie war nicht zufrieden: „ Wenn ich denke, was meine Freundinnen alles bekommen,“ flüsterte sie mir zu.

Meine Mutter überhörte es. Ich schämte mich ein bißchen für meine Schwester, denn ich wusste, daß es kein Geiz meiner Eltern war.

Außerdem war ich an diesem besonderen Heiligabend nicht ganz unschuldig an ihrer Unzufriedenheit.

Meine Mutter hatte mir einige Tage vor dem Fest Geld gegeben.
Ich sollte in Düsseldorf in die Altstadt zu Tietz gehen und für meinen kleinen Bruder einen Teddybär kaufen. Der alte hatte nur noch ein Bein war schon vor lauter Liebhaben sehr verschlissen.

Sie hatte wieder ihre wirklich schlimme Migräne und konnte nicht selbst gehen.
Sie hatte das Geld nicht passend und darum schärfte sie mir ein, gib nicht mehr als 3,50 RM für den Bären aus, mehr darf er auf keinen Fall kosten.

Ich war glücklich. Einen Auftrag hatte ich bekommen, einen wirklich ernsthaften Auftrag, und ich durfte zum ersten Mal alleine in die Altstadt.

Lange, habe ich vor den festlich erleuchteten Schaufenstern gestanden.
Puppen sah ich; wie lange hatte ich mir schon eine gewünscht.

Elektrische Eisenbahnen fuhren durch liebliche Papplandschaften mit Bäumen, kleinen Gärten und beleuchteten Häusern.
Sie fuhren in kleine Tunnels hinein uund kamen auch tatsächlich hinten wieder heraus.
Winzige Figürchen konnte man an den Bahnübergängen erkennen,
und ich entdeckte sogar einen Schaffner mit roter Kelle.

Alles glänzte und leuchtete im weihnachtlichen Glanz. Es war himmlisch und für mich ein kleines Wunder.

Endlich riß ich mich von dem bezaubernden Anblick los und ging in das Geschäft hinein und fand auch die Spielzeugabteilung mit den Bären.

Sie saßen erhöht in einer Reihe, hoch auf dem Regal.
Einer neben dem anderen.
2,00 RM, 3,50 RM, 5,00 RM, 7 RM - Bären.

Der zu 7,00 RM Bär war am prächtigsten und er konnte so schön und tief brummen. Dagegen sah der zu 3,50 RM Bär total unterernährt und struppig aus.

Was würde Heinerle für Augen machen, wie würde er sich freuen, wenn er ihn in seinen kleinen Ärmchen hielt. Und ich traute kaum meinen eigenen Ohren, als ich zu der Verkäuferin mit fester Stimme sagte: “ Ich möchte den Bär zu 7,00 RM.

“ Wirklich? “ fragte zögernd die Verkäuferin: „ Hast Du denn so viel Geld bei Dir? “ Ich hatte!

Gib ja nicht alles aus, hatte meine Mutter noch gesagt. Sie hatte es nicht passend gehabt und an dem Tag, ging es ihr wirklich sehr schlecht.
Ich ging nach Hause. Glücklich und doch voller Angst.
Mutti fiel fast in Ohnmacht. “ Was hatte ich dir gesagt? Wie kann man nur so viel Geld für einen Teddybären ausgeben? „ schallt sie.

Dieser Teddybär, war das Einzigste, was gerettet wurde.
Denn, als unsere Familie durch den Krieg auseinandergerissen wurde,
jeder an einen anderen Ort, und meine Mutter mit meinem kleinen Bruder schon an der Haltestelle Stromstrasse stand und auf die
Linie 8 wartete um zum Bahnhof zu fahren, rief mein kleiner Bruder:
“ Mein Bär, meinen Bär, haben wir vergessen.“

Er weinte so bitterlich, daß meine Mutter zurück lief und den Bären holte, den er an sich presste und nicht mehr los ließ.

Der Bär war gerettet und wir auch. Die Firma Gerhardt & Co , vier Pferde, zu unserem Entsetzen auch der Pferdeknecht, weil er nicht rechtzeitig in den Luftschutzkeller gekommen war, verbrannten im Düsseldorfer Hafen durch Phosphorbomben der Alliierten.

von Saskia777

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Kommentare

  1. Liebe Saskia,

    das ist eine wirklich bewegende Geschichte, die Du hier hinterlegt hast. Das Leben hält beides für uns bereit: Freud und Leid. Schön, dass Eure Familie gerettet wurde einschließlich Bär.

    Heute wohnst Du in Horn, daran habe ich Kindheitserinnerungen, da ich nach dem Krieg mehrmals Urlaub in Leopoldstal gemacht habe: auf einem Bauernhof und auf einem Gut

    Mít einem lieben Gruß nach Horn
    Jochen

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