Heilig Abend und die Stunden davor

Die Adventssonntage verliefen in unserem Haus immer nach demselben Schema: Morgens stand der Besuch des Gottesdienstes an , mittags gab es ein schon festtägliches Mittagessen mit Vorsuppe und Braten und gegen Abend versammelte sich die ganze Familie am Adventskranz um zusammen zu singen , Gedichte aufzusagen und vielleicht ein Musikstück auf der Blockflöte zu spielen. Danach spielte noch die ein oder andere Weihnachtsschallplatte von Heintje , Ivan Rebroff oder Peter Alexander.
Gegen 20 Uhr waren die Adventstage dann auch zu Ende und wir Mädchen mussten ohne unsere Lieblingspuppen zu Bett, denn die waren ja seit vor dem ersten Advent spurlos verschwunden und keiner hatte eine Ahnung wo die nur sein konnten. Jedes Suchen war ergebnislos und so ergaben wir uns dem Schicksal und akzeptierten , dass unsere Lieben für immer verschwunden sein mochten.
Am 23.12. standen wir Kinder schon früh auf und waren gewillt unserer Mutter so gut es ging zu helfen , um jede Schandtat des Jahres wieder gut machen zu können , so dass es keine böse Überraschung am Gabentisch geben konnte. Es wurde geputzt , gebacken und geräumt. Gegen Mittag brachte Vater dann den schönsten Tannenbaum der Welt in die gute Stube und wir Kinder durften von diesem Moment an nicht mehr ins Wohnzimmer, aber jedes Mal wenn die Tür zum Zimmer aufging, versuchten wir einen Blick zu erhaschen, doch oft ging unser Blick ins Leere.
Vater brachte immer wieder einen Karton nach dem anderen in das versperrte Zimmer und gab uns auf unser Nachfragen , was wohl in den Kartons sei, nur ein Lächeln zur Antwort. Wir mussten also bis zum Weihnachtsmorgen warten, um das zu sehen ,was er dort hinter verschlossenen Türen so machte.
Also begaben wir uns weiter daran , unserer Mutter so gut es ging behilflich zu sein.
nachmittags wurde dann in unserer Gemeinde eine wunderschöne Kindermette gegeben , die die kleineren von uns liebend gern besuchten und abends war dann die Christmette , wo nur die Grösseren mit durften , die Kleineren mussten dann zu Bett.
Von Schlaf war aber bis spät in die Nacht keine Rede, denn wir waren viel zu aufgeregt und jedes Geräusch wurde von uns zur Kenntnis genommen und kommentiert , mit typisch kindlichen Aussagen wie : „ Hast du gehört? Da hat ein Rentier Geräusche gemacht!“ oder „ Jetzt ist dem Christkind etwas herunter gefallen , da hat es gerummst.“ Aber trotz der Neugierde wagte sich lange Zeit kein einziges Kind aufzustehen und nach unten zu gehen , um zu schauen ob es das Christkind erwischen konnte. Irgendwann schlief auch das letzte Kind im Zimmer und wurde unruhig ganz früh am Morgen wach. Der erste der wach war , weckte gleich die anderen Geschwister und alle zusammen schlichen wir leise am Schlafzimmer der Eltern vorbei, die seltsamerweise immer noch tief und fest schliefen.
Leise öffneten wir die Wohnzimmertür und wurden von einem hellen Lichtschein begrüsst , denn dort stand er , der schönste Weihnachtsbaum von der Welt , geschmückt mit Feenhaar und wunderschönen bunten Glaskugeln.
Einen Augenblick hielten wir inne und schauten mit leuchtenden Augen zu dem Baum und der Krippe die unter dem Baum auf einem kleinen Tischchen stand. Erst später machte unser Blick die Runde und meine Schwester und ich sahen sie als erstes: unsere gelibten Babypuppen , die so lange verschollen waren. Sie waren sauber gebadet und gekämmt und hatten traumhaft schöne neue Kleidung an. Wir rannten hin und vergassen erstmal den Rest um uns herum und knuddelten ausgiebig unsere kleinen besten Freundinnen.
Nachdem wir die Puppen dann lange genug im Arm hielten fiel uns noch auf dass unter den Puppen die auf der Couchlehne saßen, auch noch einige Anziehsachen lagen und probierten diese an. Es war eine weihnachtliche Modenschau die von jeder Schwester kommentiert wurde. Nie werde ich diese Weihnachtstage vergessen , wo wir noch eine Grossfamilie waren und ich würde mich freuen wenn ich meinen Kindern von diesem Gefühl etwas vermitteln konnte.

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