Tropengewitter

Tropengewitter

Heiß und schwül ist es. Die Sonne ist nicht mehr allein am Himmel. Sie hat Gesellschaft von Wolken bekommen. Die werden immer mehr. Jetzt ziehen sie in ganzen Geschwadern von Osten heran. Über dem Berg, auf dem der Campus liegt, ist der Himmel schon grau in grau. Dieses Grau zieht herüber zu uns, breitet sich aus, zerfließt, nimmt all die kleineren Wolken in sich auf und deckt den Himmel nach allen Seite ab. Eintöniges Hellgrau von Horizont zu Horizont gespannt, verwässerte Milch, Totenlaken. Stille sickert ein, erstickt jeden Laut. Nur wenige Vögel sind noch unterwegs. Sie fliegen geschützten Plätzen zu.

Der Wind erreicht uns als erster, schlägt die Türen im Haus zu und lässt die Glöckchen auf meiner Terrasse erklingen. Die Wolkenmilchsuppe wird durcheinander getrieben. Der erste Blitz ist irgendwo dahinter. Mit einem trockenen Knall zerbirst die Stille. Ihm folgt Maschinengewehrdonner aus allen Himmelsrichtungen. Regen prasselt auf die Pflanzen nieder, der Wind peitscht Wasserwände durch die Palmen, die Flammenbäume, den Hibiskus und meine schlecht schließenden Fenster. Mein Dach ist Gott-sei-Dank dicht.

Nicht so Kasongos. Sein Dach ist voller Löcher. Ich kann mir gut vorstellen, wie das Wasser auf den Tisch, das Schmuckstück seiner Wohnung fließt, wie der unzementierte Boden zu Morast wird. Ich bezweifle, dass es dort eine einzige trockene Ecke gibt. Wie lange hält sich die Nässe in den unverputzten Wänden? Wo schlafen er und seine Familie nach solchem Regen? Der angebaute Verschlag seines kleinen Bruders dürfte noch trostloser sein und bei den Nachbarn ist es nicht besser.

Heute wird es nicht mehr hell werden. Morgen erst werden sie wissen, welchen Schaden der Regen dieses Mal angerichtet hat, wieviel Erde noch übrig geblieben ist. Zweifellos hat der Regen neue Erdrutsche verursacht, der abgeschwemmte Sand die Asphaltstraßen wieder in Pisten verwandelt, drei Tage nachdem Straßen und Abwassergräben freigeschaufelt wurden.

Es ist Nacht geworden. Von den Bäumen tröpfelt es noch, statt der Blitze nun harmloses Wetterleuchten und der Donner grummelt weit entfernt vor sich hin. „Mea culpa, mea culpa“ ruft der Vogel, der sich nach dem Regen als erster meldet.

 

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Kommentare

  1. Hallo @Mondin ,
    das ist eine starke Geschichte, die Du hier veröffentlicht hast. Ich spüre buchstäblich, wie den Menschen das Wasser ins Haus fließt, die wenigen Einrichtungsgegenstände, beschädigt oder zerstört, wie Wände und Boden das Wasser wie ein Schwamm aufsaugen und so die Feuchtigkeit über Tage und Wochen im Haus halten.
    Ich habe Deine Geschichte mit Freude gelesen.
    Gruß Bernd

  2. Diese Geschichte hat mir sehr gefallen, liebe Mondin. Das Gewitter, das Wasser, die Menschen, die das immer wieder hinnehmen müssen; alles ist so real, als sei es eben passiert. Auch die Sprache ist gut, zugleich poetisch und realistisch. - LG Heide

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