Mal schnell nach Linz

Mal schnell nach Linz (Paesi)

Als vierköpfige ostdeutsche Familie aus dem Erzgebirge zog es uns im Sommer 1991 hinaus ins Weite. Da wir für gewisse Zeit vom Welttourismus ausgeschlossen, vielmehr sorgfältig verwahrt und somit unfreiwillig verschont geblieben waren, war die Reise ins Nachbarland Bayern schon eine Fernreise für uns wie für andere vielleicht eine Reise nach Singapur, China, Neuseeland oder so.

Es galt also erst einmal die heimatliche Ferne kennenzulernen, um uns dann Schritt für Schritt in andere Regionen vorwagen zu können. Man musste schließlich Erfahrungen sammeln, wie das mit dem Reisen so funktioniert.

Nach zehn erlebnisreichen Tagen in und um Passau dachten wir, wir sind so weit und können einen Ausflug im Auto, unserem ersten neu gebrauchten Westfabrikat, nach Linz ins schöne Österreich wagen. Da wir wussten, dass man auch dort der deutschen Sprache mächtig war, fiel für uns zunächst das Verständigungsproblem weg, sollte es doch wider Erwarten zu irgendwelchen ungeahnten Schwierigkeiten kommen betreffs Auskünften nach Wegbeschreibung, einer Toilette oder anderen wichtigen Dingen.

Beim Übergang ins Nachbarland fiel uns zunächst die schöne breite Straße mit der erlaubten 130 km/h empfohlener Richtgeschwindigkeit auf. Na, da sind wir ja in einer guten Stunde am Ziel und haben viel vom verbleibenden Tag. Passau und Umgebung hatten uns bisher nur ein gemäßigtes Tempo erlaubt. Und nun konnte der Wagen mal zeigen, was wirklich unter seiner Haube steckte.

Los ging es, entlang der wunderschönen Donau zur linken Seite und zur rechten ab und zu ein paar kleine Häuschen mit hübschen Vorgärten. Nur, warum schauten uns deren Besitzer so merkwürdig, fast vorwurfsvoll an? Zwar waren wir es mittlerweile schon gewohnt, gefragt zu werden, woher wir kommen, denn, obwohl wir uns die größte Mühe gaben, sächsisches Hochdeutsch zu sprechen, hatten andere irgendwie damit Probleme und die Verständigung fiel nicht immer besonders leicht. Doch woher sollten die Bewohner der idyllischen Häuschen wissen, woher wir womöglich kommen? Sollte es am Autokennzeichen liegen? Egal, weiter. Wir hatten schließlich ein Ziel und der Tag nur 24 Stunden.

Die Straße wurde schmaler. Eine 100 zu fahren, war schon schwierig, eine 130 ganz und gar unmöglich. Als die Straße kurvenreicher wurde und streckenweise mit Rollsplitt bedeckt war, fuhren wir dem Wagen zu liebe nur noch eine 70. Und auch das war nicht einfach, aber machbar. Ob es wohl die Österreicher schafften, hier eine 130 zu fahren?Wie dem auch sei, wir kamen voran, mal schneller, mal langsamer, doch nie so, wie es am Straßenrand laut Beschilderung stand.

Zum Glück konnten wir uns nicht verfahren, denn nach Aussage der Karte ging es immer geradeaus. Dennoch hielten wir an einer Straßengablung an, und zwar wegen drei merkwürdiger Schilder: nach links zeigte eins mit einer 129, nach rechts eins mit einer 130 und in unserer Fahrtrichtung stand eine weiße 127 auf blauem Untergrund.Wie soll man denn eine Geschwindigkeit von 127 km/h fahren? Das ist doch vollkommen unmöglich! Wir kamen ins Grübeln. Irgendetwas stimmte nicht.Zufällig fiel unser Blick auf die Legende der Straßenkarte: Das waren keine Schilder für die Richtgeschwindigkeit wie auf deutschen Straßen, das waren die Beschilderungen für die österreichischen Bundesstraßen.

Da hatten wir aber Glück gehabt, dass wir keiner Kontrolle zum Opfer gefallen waren. Wie hätten wir das erklären sollen? Vor allem, wer hätte das geglaubt?

Ein Text von: Paesi

Ähnliche Beiträge

Kommentare

Verstoß melden

Schließen