Ginkgo Biloba

Wenn ich im Herbst auf einem Spaziergang an einer der Schulen unserer kleinen Stadt vorbeikomme, begegne ich "meinem " Ginkgo und sammle einige der goldgelb gefärbten Blätter auf, die sanft zu Boden gleiten. Manchmal bleiben sie auf der Hecke darunter liegen, werden in der herbstlichen Nässe nicht zertreten. Einige sind besonders schön geformt und werden behutsam zwischen die Seiten eines Buches gelegt, um vielleicht später in einem Brief an eine liebe Freundin auf eine weite Reise zu gehen.

Bei mir zuhause, in einem großen Pflanzkübel, wartet seit ein paar Jahren ein kleiner Ginkgo auf die Zeit, in der er endlich einen festen Platz in meinem Garten findet. In diesem Jahr ist es soweit. Ich denke, er ist kräftig genug, auch die Winter zu überstehen.
Obwohl noch so klein, schenkte er mir doch auch jedes Jahr im Herbst ein paar seiner einzigartigen Blätter.

Ist nicht so ein zweigeteiltes BLatt vom Ginkgobaum wie ein Synonym für meine Seele?
Fühle ich nicht, wie Goethe auch in seinem Gedicht, dass ich oft zweigeteilt bin zwischen Gefühl und Vernunft, - zwischen dem, was ich für mich möchte und dem, was andere von mir erwarten, - zwischen den Anforderungen, die das Leben an mich stellt und der Kraft, die ich habe, um ihnen gerecht zu werden, -----? Und,--- habe ich nicht auch Freude und zugleich Traurigkeit in mir?

Ich bin wie ich bin. Und ich mag den Ginkgo, weil er mir zeigt, dass ich beides sein kann und doch eins bin in mir selbst.

"Dieses Baumes Blatt, der von Osten
meinem Garten anvertraut,
gibt geheimen Sinn zu kosten,
wie's den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,
das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
dass man sie als eines kennt?

Solche Frage zu erwidern
fand ich wohl den rechten Sinn:
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
dass ich eins und doppelt bin?"

Johann Wolfgang von Goethe

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Kommentare

  1. Hallo Ginkgo,

    auch ich denke so wie Du in Sachen Ginkgo.Ich habe mir ein Ginkgo- bäumchen für den Garten gewünscht....Jetzt nach Jahren hat mein Mann mir eines in den Garten gepflanzt.
    Einmal habe ich diese wunderschönen Blätter aufgelesen und sie mit Goldfarbe angemalt. Sie dienten an meinem Geburtstag als Tischdekoration und wurden mitgenommen.
    Der Ginkgo ist der älteste Baum der Erde.

    Liebe Grüße Silvetta

  2. Viel Erfolg für Deinen Ginkgo-Baum...wunderbar!
    Habe mich 1985 mit dieser Baumart besonders auseinander gesetzt...natürlich Goethe in meiner Frankfurter Zeit,Goethemuseum...kenne einige Ginkgo Standorte in Lindau z.B.in
    Esslingen...habe vor kurzem zum ersten mal in natura einen "weiblichen Baum" in Frankfurt am Main gesehen die Baumart ist ja "zwei-geschlechtlich"...nicht nur das Blatt ist so interessant...
    Danke...hat mich sehr gefreut!
    Pitti65

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