Ein Märchen der Navajo

Fast überall in Nordamerika leben Coyoten. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Coyoten in den Geschichten der Indianer eine große Rolle spielen. Da Coyoten nicht so stark wie Bären oder Wölfe waren, oder so geschickt wie Mader, Otter und flinke Jäger wie z.B. der Puma, mussten sie besonders listig und einfallsreich sein um zu überleben.

Wie die Sterne in den Himmel fielen
Ein Märchen der Navajo

Als der Rhythmus des ersten Tages den Rand der Nachte erreichte, sprach Erste Frau zu Erster Mann: „ Die Menschen müssen die Gesetzte lernen. Um ihnen zu helfen, müssen wir die Gesetze schreiben, damit sie alle sehen können.“ Schreib sie in den Sand“, sagte er. „Aber der Wind wird sie verwehen“, antwortete sie.

„Dann schreib sie auf das Wasser, sagte Erster Mann und wollte gehen, um sich wichtigeren Dingen zuzuwenden. „Aber die Gesetze werden sofort verschwinden, wenn ich sie auf das Wasser schreibe, sprach Erste Frau betont laut. Erster Mann drehte sich ungeduldig um und sah sie an, wie sie dort am Rande der Nacht saß, mit einer Decke voller Sterne vor ihren Füßen.
„Warum schreibst du die Gesetze nicht in den Himmel?“ sagte er.
„Nimm deine Juwelen und schreibe sie an den Himmel!“ Und sie begann langsam mit dem ersten Stern, dann nahm sie den nächsten und verteilte nach und nach all ihre Juwelen am Himmelszelt. Sie schrieb sorgfältig, so dass jeder lesen konnte.

Aber erste Frau war nicht allein. Hinter ihr im Gebüsch versteckte sich Coyote und beobachtete wie sie ihr sorgfältiges Mosaik auf das Schwarzbeerentuch der Nacht schrieb.
Er kroch näher. „Was machst du?“ fragte er mit einer Stimme, die wie das Sirren eines Pfeiles im Wind klang. „Warum bestückst du den Nachthimmel mit deinen Juwelen?“
„Oh, entgegnete sie, während sie einen Stern an seinen Platz setzte, ich schreibe die Gesetze, damit alle Menschen sie lesen können. Es wird keine Verwirrung mehr geben, wenn wir zu jeder Zeit die Gesetze lesen können.“ Ihre Hände glühten von der Wärme der Sterne. Sie lächelte während sie schrieb. „Darf ich helfen?“ fragte Coyote. Erste Frau nickte.
„Beginn hier, sagte sie und reichte ihm ein Stern.
Coyote hängte den Stern an die richtige Stelle und trat zurück, um sein Werk anzusehen. Er nahm den nächsten Stern, dann einen weiteren und noch einen.
Aber für jeden Stern, den er aufhängte, schienen hunderttausend weitere auf der Decke von Erster Frau zu liegen. „Das ist aber eine lange Arbeit, murmelte er. „ Die Gesetze zu schreiben können viele Monde dauern, entgegnete sie und summte vor sich hin.
„Gibt es keinen schnelleren Weg die Arbeit zu beenden?“ fragte Coyote.
„Warum beenden?“ Antwortete sie. „Gibt es etwas anderes zu tun, was nur halb so wichtig ist wie die Gesetze zu schreiben? Die Menschen werden die Gesetze lesen bevor sie nachts in ihren Hogan gehen. Die jungen Mütter werden ihren Kindern vorsingen. Der einsame Jäger, der durch ein fremdes land wandert, wird zu ihnen aufschauen und sich an ihrem Anblick wärmen.
Vielleicht werde ich den Rest meines Lebens Nacht für Nacht die Gesetze schreiben.“
Doch Coyote hatte nicht soviel Geduld wie Erste Frau.
Er liebte es eine Arbeit rasch zu beenden.
Ungeduldig griff er zwei Ecken der Decke von Erster Frau und bevor sie ihn daran hindern konnte, schleuderte er die restlichen Sterne hinaus in die Nacht.
In einem wilden Durcheinander zerstörten sie die behutsam geschriebenen Muster von Erster Frau. Erste Frau lehnte sich weit hinaus in die Nacht und beobachtete die stolpernden Sterne.
„Was hast du getan, du dummes Tier!“ schrie sie Coyote an.
Er schlich davon, während Erste Frau weinte. Sie wusste, sie konnte Coyotes Tat nicht ungeschehen machen.

Am nächsten Morgen erwachten die Menschen, um zu tun was sie jeden Tag tun.
Sie wussten nicht, dass der dumme Coyote die Sterne durcheinander gewirbelt hatte.
Sie wussten nicht, dass aus diesem Grund Missgunst, Neid und Feindschaft immer wieder unter den Menschen wachsen würde.

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