Schöne Bescherung ! (Weihnachtshumoreske)

6. Dezember 2021 in Weblogs

Dezember 1977 - Nikolausabend.

Herr Heinrich Seidel sitzt mit seiner Frau Erika vor dem Fernseher und brütet schwere Gedanken.

Die beiden Töchter, Beate und Sigrid, - zwölf und acht Jahre jung, sind bereits zu Bett gebracht.

Der Nikolaus wird in diesem Jahr nur kleine Geschenke in die Strümpfe der beiden Mädchen geben können. – Herr Seidel, sechsunddreißig Jahre alt, ist seit zwei Jahren arbeitslos – und es mangelt an Geld.

Ein Augenleiden – hervorgerufen durch einen eigentlich mittelschweren Unfall – beendete sein Berufsleben als Kraftfahrer. Nun macht er sich Sorgen wegen des bevorstehenden Weihnachtsfestes. Was kann er seiner Familie schenken ?

Die vierunddreißigjährige Erika ist Hausfrau und hat niemals einen Beruf erlernt; so wie auch Heinrich außer dem Fahren niemals einer anderen Beschäftigung nachging. Seit über vierzehn Jahren verheiratet, konnten sie bisher von seinem Lohn nicht nur gut leben, sondern auch noch etwas auf die Hohe Kante legen - doch nun ist auch das Ersparte aufgebraucht und eine Anstellung Heinrichs immer noch nicht, trotz aller Bemühungen, in Sicht.

Im Fernseher beginnt ein Krimi, doch Heinrich ist nur halb bei der Sache - ihn plagen die Sorgen. - Erika stellt ihm eine frische Flasche Bier auf den Tisch und geht wortlos zu ihrem Platz auf dem Sofa zurück.- Sie ahnt, welche Gedanken ihn quälen. Des Öfteren schon hat sie sich erboten, eine Stelle als Putzfrau suchen zu wollen; doch Heinrich ist dagegen. Die Mutter seiner Kinder soll

nicht für fremde Leute arbeiten, sondern zu Hause für ihre Familie da sein. – Man würde schon über die Runden kommen, bis eine neue Anstellung gefunden sei.

Das Augenleiden habe sich ja schon deutlich abgeschwächt; nur grellem Licht dürfe er die Augen immer noch nicht aussetzen. Es würde schon werden: früher oder später....

Die Bezüge des Arbeitsamtes genügten für eine einfache Haushaltsführung, doch für Extras, wie jetzt der Fall, blieb einfach nichts übrig. Erika seufzt. – Auch nach vierzehn Jahren ist Heinrich ihr ein guter Ehemann und für sie Alle ein guter Familienvater. Selbst das Rauchen hat er aufgegeben, so schwer es ihm auch gefallen ist. Ein Trinker war er ohnehin nie; an Festtagen oder zu besonderen Anlässen trinkt er zwei, drei Bier und schränkt sich auch ansonsten ein, wo er nur kann.

`Er wird schon wieder eine Beschäftigung finden, ́ denkt sie, - `es muss ja nicht unbedingt als Fahrer sein. ́ - Liebevoll blickt sie ihn an – und verfolgt dann wieder das Geschehen im Fernseher.

Heinrich hat den Blick bemerkt – und das verunsichert ihn noch mehr.

`Wo findet man wohl noch so eine Frau - sie bringt mir unaufgefordert noch ein zweites Bier, weil sie weiß, dass ich mir selbst kein weiteres mehr gegönnt hätte. – Ich muss Etwas unternehmen.... Das bin ich ihr und den Kindern schuldig. – Aber was ? ́

Er versucht, sich auf den Krimi zu konzentrieren. – Es ist das Übliche. – Raubüberfall; die Täter flüchten; man hat ihre Fahrzeugnummer notiert und am Ende werden die Täter gefasst.

`Warum eigentlich, ́ schießt es Heinrich jäh durch den Kopf, `warum werden Täter eigentlich gefasst. ? ́

Der Gedanke lässt ihn nicht mehr los und er schaut sich den Krimi nun konzentriert bis zum Ende an....

Seine Frau erhebt sich, räumt den Wohnzimmertisch ab und sieht ihn fragend an. „Kommst du, oder bleibst du noch etwas auf ?“

Er will noch etwas nachdenken und verspricht, bald nachzukommen. Erika gibt ihm einen Gutenachtkuß und flüstert: „Grüble nicht soviel. – Wir schaffen es schon.“

Damit verlässt sie ihn, um ins Badezimmer – und danach in ihr Bett zu gehen. Schließlich muss sie früh aufstehen, um Frühstück für die Kinder zu bereiten. Ein dankbarer Blick folgt ihr.

Heinrich Seidel greift in das Bücherregal und entnimmt diesem gleich mehrere Kriminalromane.

Er blättert, - überfliegt, - greift zum nächsten Buch, um wiederum darin zu blättern. – Am Ende zieht er das Fazit: Alle haben sie einen Fehler gemacht; nur darum wurden sie letztendlich gefasst.!

Man müsste....,“ beginnt er; dann erschrickt er über seine eigenen Gedanken. Schnell stellt er die Bücher ins Regal zurück, als hätte er sich an ihnen verbrannt. – Er sucht das Badezimmer auf, um danach endlich ins Bett zu gehen. - Lange noch liegt er wach und denkt über eine Möglichkeit nach, noch vor dem Fest zu einer Summe Geldes zu kommen.

Wie es oftmals so ist im Leben - man schläft mit einem bestimmten Gedanken ein und wacht mit demselben wieder auf - und hat sich dieser Gedanke erst einmal festgesetzt, so wird man ihn so schnell nicht wieder los.

So auch bei Herrn Seidel. Er mochte noch so sehr versuchen, nicht mehr an diesen unsägliche und wahnwitzige Idee zu denken - vergebens! Der Gedanke spukte in seinem Kopf - verfolgte ihn gar des Nachts in seinen Träumen und wollte ihn partout nicht mehr loslassen.

- Ein Überfall ! Ein Überfall auf ein Geldinstitut; eine Tankstelle oder eine ähnliche Örtlichkeit würde seine Probleme lösen; vorausgesetzt, dass er sich nicht erwischen ließ.

Wieder der Griff zum Bücherregal. – Blättern, nachlesen, Fehler suchen und diese bewerten.

Gezielt suchte er sich jetzt aus der Programmzeitschrift Kriminalfilme aus und sah sie sich an.

Was braucht man, um einen erfolgreichen Überfall auszuführen ? – Er macht Notizen, schreibt Listen, die abzuhaken sind und später sorgfältig vernichtet werden.....

Maske, Waffe, eine geeignete Örtlichkeit, einen geeigneten Fluchtweg, ein geeignetes Fluchtfahrzeug. – Ein Fluchtfahrzeug.... Der springende Punkt! Das Fluchtfahrzeug und in seinem speziellen Falle – die geeignete Tageszeit....

Ob seiner empfindlichen Augen sind die Abende ungeeignet für sein Vorhaben. Jeder Autoscheinwerfer würde ihn hilflos machen. Also steht bereits fest, dass der Überfall am Tage stattfinden muss. Die Maskierung ist kein Problem und wird abgehakt. Jede Pudelmütze – mit Augenschlitzen versehen - ist geeignet für diesen Zweck.

Die Waffe ! Dieses Instrument wird für ihn zum Problem; um nichts in der Welt ist er gewillt, auf einen Menschen zu schießen, oder ihn zu verletzen – und sei es auch nur aus Versehen oder Nervosität. – Doch ist eine Waffe zur Einschüchterung eine absolute Notwendigkeit; also muss er sich Gedanken machen, welcher Art diese denn sein solle.

Er wird in die Kaufhäuser gehen, um die Spielzeugabteilungen zu durchforsten und dort etwas Geeignetes zu finden. Die Örtlichkeit. – Heinrich unternimmt ausgedehnte Spaziergänge; fährt mit dem Fahrrad in entfernte Bezirke und klappert mit Bussen und Zügen Ortschaften ab, bis er glaubt, das Geeignete gefunden zu haben:

Eine kleine Poststelle mit lediglich drei Angestellten in einem etwas entfernten Stadtbezirk.

Er besorgt eine Spielzeugpistole, die ihm von der Verarbeitung ihres Äußeren geeignet erscheint. Dann radelt er immer wieder, trotz der winterlichen Temperaturen, verschiedene Routen ab, um den ansprechendsten Fluchtweg von jener Post zu seinem Heim zu finden.

Auf dem Dachboden seines kleinen Häuschens sucht er nach alter, abgelegter passender Kleidung und stolpert dabei über ein Utensil, welches ihn auf einen neuen, aufregenden Gedanken bringt: Des längst verstorbenen Großvaters Rollstuhl!

Ein Rollstuhl als Fluchtfahrzeug ...! Welch ein Gedanke !

Aufgeregt zerrt er das verstaubte Gefährt ins Licht der Dachbodenbeleuchtung, um es genauer zu begutachten. Es erscheint im Großen und Ganzen heil und funktionstüchtig; selbstverständlich muss es gereinigt und geölt werden, damit es seinen ihm zugedachten Zweck erfüllen kann.

Dies muss freilich in allergrößter Heimlichkeit vonstatten gehen, da er Erika oder den Kindern keine unbequemen Fragen beantworten möchte – und schon gar nicht gewillt ist, seine Lieben belügen zu müssen.- Außerdem muss er einen Weg finden, um den Rollstuhl nicht allzu weit, aber dennoch in genügender Entfernung, von der von ihm ausgewählten Poststelle unauffällig zu platzieren. – Ebenso unauffällig muss dies Gerät später wieder von dort verschwinden.

Erneut geht Herr Seidel auf Tour, um einen geeigneten Abstellplatz für den Rollstuhl zu finden.

Schwierig; äußerst schwierig. Wo kann man einen herrenlosen Rollstuhl – ohne Misstrauen zu erregen – wohl platzieren. ?

Dreieinhalb bis vier Kilometer beträgt die Entfernung von Heinrichs Heim bis zu der ausgewählten Post. Auf diesem Wege muss er einen Platz ausfindig machen; sonst scheitert sein ganzer schöner Plan.

Er wird fündig ! Was gibt es schon Geeigneteres für einen leeren Rollstuhl, als vor einer Arztpraxis zu stehen und auf seinen Besitzer zu warten...?

Heinrich Seidel ist stolz auf sich selbst und diese grandiose Idee. Beinahe fühlt er sich schon als professionellen Gangster; doch schnell schiebt er diesen Gedanken wieder beiseite. – Es wird bei diesem einen Mal bleiben - nie wieder wird er in seinem Leben etwas Derartiges tun. Dessen ist er sich ganz gewiss !

Etwa fünfhundert Meter vom späteren Tatort entfernt findet sich das Gewünschte. Heinrich muss die Fluchtroute geringfügig ändern, doch werden sich dadurch, soweit er es selbst beurteilen kann, keinerlei Nachteile ergeben.

Zufrieden radelt er nach Hause und arbeitet gedanklich weiter an seinem Plan.

Seiner Frau Erika fällt in den letzten Tagen eine Veränderung im Betragen ihres Mannes auf.

Er wirkt nicht mehr so bedrückt - scheint nicht mehr so niedergeschlagen, sondern gibt sich selbstbewusster, aber auch etwas fahrig, nervös, als habe er eine Überraschung parat, von der er aber noch nichts verraten wolle. – Ob er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat ? Ist dies die Überraschung? Sie beschließt im Stillen, so zu tun, als bemerke sie nichts, um ihm die Freude nicht zu schmälern.

Beide sitzen am Abend wieder vor dem Fernseher - und nachdem die Kinder `Gute Nacht ́ gesagt haben und in ihrem gemeinsamen Zimmer verschwunden sind, erhebt sich Heinrich aus seinem Sessel, setzt sich neben seine Frau auf die Couch und legt seinen Arm um ihre Schultern.

Zärtlich zieht er sie an sich und küsst sie auf die Wange. Erfreut erwidert Diese den Kuss und ist sich nun sicher, dass sie richtig lag mit ihrer Vermutung: -`Er hat sich wieder gefangen und bereitet eine Überraschung für uns vor. ́

Heinrich denkt: `Niemals darfst du etwas davon erfahren, mein Schatz; für euch würde ich alles tun, doch kann ich es euch niemals sagen. – Wird schon Alles gut gehen; und irgendwann später werde ich das geraubte Geld wieder zurück geben. ́

Er hat sich mit diesem Gedanken in den letzten Tagen selbst beruhigt - wenn auch nicht wirklich gerechtfertigt. Sein Plan ist fertig – und er will fest daran glauben, dass alles gut gehen wird.

Den Termin hat er auf vier oder fünf Tage vor dem Fest gelegt - endgültig entscheiden werden die äußeren Umstände.

Im Fernseher läuft eine Vorweihnachtssendung mit viel Musik – und Beide fühlen sich von der festlichen Stimmung ergriffen. An diesem Abend gehen sie gemeinsam zu Bett und schlafen eng umschlungen ein.

Am nächsten Tag – noch eine Woche bis Weihnachten - die Kinder sind unterwegs und Erika beim Einkaufen – holt Heinrich den Rollstuhl vom Dachboden und bringt ihn in die ungenutzte Garage.

Das Gerät ist nun einsatzbereit. Heinrichs Plan ist folgender: In der Nacht vor dem geplanten Überfall wird er das Gefährt zu der Arztpraxis bringen und zu Fuß zurück nach Hause gehen. Dies muss natürlich in aller Stille vor sich gehen.

Zum Überfall selbst wird er mit dem Fahrrad fahren; dieses vor einem Supermarkt anketten und den restlichen Weg zu Fuß gehen. Die mit Augenschlitzen versehene Pudelmütze wird er auf dem Kopf tragen – und die Plastikpistole in der Manteltasche. Handschuhe fallen bei winterlichen Temperaturen ohnehin nicht auf, so dass er sich darüber keinerlei Gedanken zu machen braucht.

Die Pudelmütze wird er sich beim Eintritt in das Postgebäude mit einer schnellen Bewegung über das Gesicht ziehen – er hat das vor dem Garderobenspiegel geübt – und mit der anderen Hand wird er die Spielzeugpistole ziehen. Er wird das Geld fordern und dieses in eine mitgeführte Plastiktüte packen lassen. Sodann wird er – nach erfolgter Tat – zu Fuß zur Arztpraxis flüchten, eventuell dort kurz eintreten; nach Lage der Dinge vielleicht auch sofort im Rollstuhl Platz nehmen können und in Richtung seines Heimes davon rollen.

Eine zweite Arztpraxis seines eigenen Wohnbezirks wird dann wiederum Halteplatz für seinen Rollstuhl sein und zu Fuß wird er nach Hause zurückkehren. Das Geld wird er auf dem Dachboden verstecken; die getragene Kleidung sowie die Spielzeugpistole in unterschiedlichen Abfallbehältern an Bushaltestellen entsorgen – und nach Einbruch der Dunkelheit auch den Rollstuhl wieder nach

Hause bringen. – Das Fahrrad kann bis zum nächsten Tag stehenbleiben.

Heinrich Seidel ist zufrieden mit sich und seinem Plan und felsenfest überzeugt, dass nun nichts mehr schief gehen kann, denn Fehler kann er beim besten Willen nicht erkennen. – Wer käme schon auf den Gedanken, einen Rollstuhlfahrer als Täter eines bewaffneten Raubüberfalls zu verdächtigen? – Kein Mensch ! – Er malt sich aus, wie er losziehen wird, um für Frau und Kinder Weihnachtsgeschenke zu besorgen; - er stellt sich ihre frohen und glücklichen Gesichter vor, da sie der Geschenke unter dem Weihnachtsbaum ansichtig werden – und fühlt sich fast, als hätte er das erwünschte Geld bereits in der Tasche. Ja, es wird ein schönes und frohes Fest werden - dessen ist er sich ganz gewiss !

Der Vorabend des Überfalls. Heinrich und Erika Seidel sitzen gemeinsam auf der Couch; wieder sind die Kinder bereits zu Bett. Heinrich hat etwas Besonderes vor. Zwei Flaschen schweren tunesischen Rotweins hat er besorgt; - eine davon steht bereits geöffnet auf dem Wohnzimmertisch.

Beide prosten sich zu und Erika, die nur geringe Mengen Alkohol verträgt, hält diesmal mit, um seine Freude, welche er offensichtlich an den Tag legt, zu teilen. Heinrich selbst darf nicht zu viel trinken, da er heute Nacht den Rollstuhl zur Praxis des Allgemeinmediziners bringen muss.

Er steht darum nach dem ersten Glas des Öfteren auf, um in Küche oder Bad zu gehen und die kleine Plastiktüte, welche er bei sich versteckt hält, wieder zu leeren. – Noch bevor die zweite Flasche geöffnet wird, hat Erika die notwendige Bettschwere erreicht und Heinrich begleitet sie ins Schlafzimmer. Bald darauf erhebt er sich wieder und lässt seine tief schlafende Frau zurück.

Um zwei Uhr in der Nacht macht er sich mit dem rollenden Gefährt auf den Weg und kehrt unbeobachtet wieder zurück, um sich nun endlich zur Ruhe zu begeben.

Noch vor Erika steht er am Morgen wieder auf, bereitet den Mädchen ein Frühstück und geht in Gedanken noch einmal seinen Plan durch. – Erika ist endlich erwacht und scheint bestürzt, als sie die Drei bereits in der Küche sieht.

Mein Gott ...,“ beginnt sie, - doch Heinrich lacht nur und schickt sie ins Badezimmer. – Er wird in der Zwischenzeit den Kaffee brühen, damit sie dann gemeinsam frühstücken können.

Die Mädchen werden zur Oma geschickt; auch dies ist ein Punkt, welcher für den heutigen Tag spricht. Die Oma erwartet heute die beiden Mädchen; somit sind Diese aus dem Wege. Erika wird heute gewiss das Haus nicht verlassen. – sie ist dazu nicht in der Verfassung......

Gegen 11°° Uhr verlässt Heinrich Seidel das Haus und radelt in Richtung Supermarkt. Er wird kurz vor Schließung der Post eintreten und seinen Überfall ausführen.

....Herzklopfen; - zittrige Hände; - Schwindelgefühl, als er mit heruntergezogener Pudelmütze die Post betritt. – In seiner rechten Hand bebt die Plastikpistole; kein Wort bringt er über die Lippen, doch ist dies auch nicht notwendig. Die Angestellten sind ebenso verängstigt wie er selbst und händigen ohne Zögern und ohne irgendwelche Schwierigkeiten zu machen, das ersichtlich

Gewünschte aus.

Heinrich rennt mit der gefüllten Plastiktüte aus der Post, um zwei Häuserecken - und zwingt sich dann, mit üblicher Fußgängergeschwindigkeit weiterzugehen. – Er erreicht die Arztpraxis; Niemand zu sehen, der ihn beobachten könnte - er setzt sich in den Stuhl – die Plastiktüte unter sich – und rollt los.....

- - Damit beginnt die Odyssee des Heinrich Seidel. - Noch immer springt ihm das Herz im Leibe und mit fahrigen Händen dreht er die Räder des ungewohnten Fortbewegungsmittels.

Ein hilfreicher Passant frägt ihn nach seinem Ziel – und Heinrich stammelt den Namen des erstbesten Ortsteiles, der ihm einfällt. – Der Passant schiebt den Stuhl samt Heinrich zum nicht allzu weit entfernten Bahnhof und bringt ihn zu allem Überfluss auch noch auf das richtige Abfahrtsgleis.

Herr Seidel lässt es über sich ergehen; was kann er schließlich auch dagegen tun ? Die informierte Plattformaufsicht und ein Schaffner heben den Hilflosen in einen Waggon des eingetroffenen Zuges und der Schaffner verspricht, beim Aussteigen wieder behilflich zu sein.

Heinrich schwitzt Blut und Wasser. Er befindet sich weder im Besitz einer Fahrkarte, noch eines Behindertenausweises - doch Niemand frägt ihn nach einem dieser Papiere. Am unerwünschten Ziel angekommen, lädt man ihn wieder aus und frägt, ob er weitere Hilfe benötige. Heinrich schüttelt erschrocken den Kopf. – So schnell er nur kann, rollt er aus dem Bahnhof; man hilft ihm wiederum, die Stufen zu überwinden – dann geht es weiter; erst mal nur weg – weg aus dem Trubel - in eine stille Seitenstraße.....

Er zittert vor Kälte und Angst. – Er versucht, sich zu orientieren. – Mein Gott, wie soll er in diesem verflixten Stuhl den ganzen Weg zurück schaffen? Zum Bahnhof möchte er nicht zurück. Man könnte sich an ihn erinnern und unbequeme Fragen stellen. Er fährt weiter...

Ungeschickt betätigt er die Räder - und der vermaledeite Stuhl will einmal rechts, einmal links ausbrechen. Wiederum wird man auf ihn aufmerksam - wiederum frägt man, ob er Hilfe benötige.

Heinrich schafft es nicht, sich zu artikulieren – und so wird eine zufällig vorbeifahrende Polizeistreife angehalten. – Man hält ihn offensichtlich nicht nur für körperlich, sondern auch für geistig behindert. – Er muss sich nun zusammennehmen.

Heinrich räuspert sich und versucht, den Beamten zu erklären, dass er aus Versehen in einem falschen Zug gekommen sei und nun nicht wisse, wie er zurück an seinen eigentlichen Bestimmungsort – er nennt ein Dorf außerhalb des Stadtbereiches – käme.

Die Beamten öffnen die seitliche Tür ihres Polizeibusses und heben das Gefährt mit Hilfe der Passanten in das Wageninnere. – Heinrich versucht krampfhaft, zu verhindern, dass die Plastiktüte mit dem geraubten Geld unter ihm hervor rutscht und vielleicht gar zu Boden fällt.

- Weiter geht die Reise – und glücklicherweise frägt man ihn nicht nach seinem Namen. –

Die Beamten haben anscheinend Zeit und bringen den Gebrechlichen bis zur genannten, jedoch nicht wirklich gewünschten Ortschaft. Heinrich lässt sich unweit des Bahnhofes aus dem Fahrzeug heben, bedankt sich und versichert, dass er nun alleine zurechtkäme, worauf ihm die Polizisten noch ein Frohes Fest wünschen und endlich weiterfahren, um ihren Dienst an den Bürgern weiterhin zu versehen.

Heinrich rollt sich in Richtung des kleinen Bahnhofs, überlegt es sich dann jedoch anders und wendet sich der Landstraße zu. – Er erinnert sich an den parallel zur Straße verlaufenden Rad– und Fußgängerweg und beschließt, diesen zu benutzen, um zurück zur Stadt zu kommen. – Er hat genug von der Hilfsbereitschaft seiner Mitmenschen und hofft, dass er auf diesem Wege seine Ruhe haben wird.

Es sind gut drei Kilometer bis zum Stadtrand und Heinrich nimmt an, diese Strecke in einer halben Stunde zu bewältigen.

Allmählich gewöhnt er sich an den Umgang mit dem störrischen Räderlaufwerk und kann die Gedanken schweifen lassen. - Wie wird sich seine Familie freuen, wenn sie erfährt, .... Heinrich erschrickt. – Wenn sie was erfährt ? – Alles hat er bedacht, - nur Dieses nicht. – Was kann er seinen Lieben erzählen; wie kann er an das Geld für die Geschenke gekommen sein ...? - Sie belügen ...? -

Niemals ! - Doch irgendwie muss er die Herkunft der Gaben doch wohl erklären....

Heinrich schluchzt... Er fühlt sich, als sei er eben gerade aus einem Traum erwacht. – Seine Hände greifen ins Leere – und der Stuhl bleibt stehen....

-- Was hat er sich bei all dem nur gedacht...? – Was würden seine Lieben von ihm denken ?

Vor seinem geistigen Auge erscheinen die beiden Töchter – und die ältere Beate erklärt ihrer Schwester Sigrid :

`Weißt du; - Papa ist im Gefängnis, weil er ein Krimineller geworden ist. – Erst hat er eine Post überfallen – und dann ging das immer so weiter – und er konnte gar nicht mehr damit aufhören. ́

Erika erscheint – und die Tränen strömen über ihr Gesicht:

`Heinrich, - wie konntest du uns das nur antun ? ́

Mit einem Schwung ist Herr Seidel aus dem Sitz; - die Plastiktüte fällt zu Boden – und der Rollstuhl erhält einen Tritt, so dass er rückwärts einige Meter zurücklegt, um dann in den Straßengraben zu kippen und liegen zu bleiben.

Niemals !“

Heinrich ist außer sich.

Niemals wird es soweit kommen ! – Ich Idiot !!“

Er hebt die Tüte auf und marschiert los. Er wird das Geld zurückbringen - noch heute; jetzt gleich; auf der Stelle !

Er marschiert den weiten Weg zurück bis zur Post – und findet an der Tür ein Schild, welches besagt, dass die Post für den heutigen Tag wegen eines Überfalls geschlossen bleibt.

- Daran hätte er denken müssen. – Langsam geht er zurück nach Hause - es ist mittlerweile spät am Nachmittag und er legt die Plastiktüte mit dem Geld in die Garage.

Verwundert blickt Erika auf seine Aufmachung - doch sie stellt keine Fragen.

Heinrich isst eine Kleinigkeit und legt sich dann im Wohnzimmer auf die Couch, wo er auch bald einschläft.

Als er erwacht, ist es bereits eine halbe Stunde vor Mitternacht, doch seine Frau ist noch nicht zu Bett gegangen. – Sie sitzt in einem Sessel und hat Mühe, die Augen offenzuhalten.

Heinrich,“ flüstert sie, „ist alles in Ordnung mit dir ?“

Er nickt und erhebt sich von der Couch. „Komm, lass uns schlafen gehen. Morgen werde ich dir alles erzählen; - doch zuvor muss ich etwas erledigen.“

Damit geht er ins Bad – und wartet dann im Ehebett auf seine Frau.

Am nächsten Morgen macht Heinrich Seidel den schwersten ( ...oder zweitschwersten ? ) Gang seines Lebens. – Er geht ins Innere des Postgebäudes – und wieder befällt ihn leichter Schwindel.

Er wartet, bis der letzte Kunde den Schalterraum verlassen hat, - dann wendet er sich an den Beamten, welcher ihm gestern die Tüte mit dem Geld ausgehändigt hat.

Hier,“ flüstert er erstickt, „hier möchte ich Ihnen Etwas zurückgeben, was ich mir unrechtmäßig angeeignet hatte.“

Damit legt er dem verdutzten Schalterbeamten die bewusste Plastiktasche vor die Nase.

Bitte, rufen Sie die Polizei,“ fügt er noch hinzu – und fängt dann an, die ganze Geschichte zu erzählen. – Nach einigen Sätzen unterbricht ihn der älteste Beamte – und man führt ihn in ein Nebenzimmer, wo er sitzen und in Ruhe seine Erzählung zu Ende bringen kann.

Die drei Angestellten haben sehr rasch begriffen, dass sie es mit keinem hartgesottenen Ganoven zu tun haben – und sind sich einig, dass man diesen im Grunde ehrlichen Menschen nicht durch einen Gefängnisaufenthalt noch mehr bestrafen sollte, als er es durch seine Arbeitslosigkeit ohnehin schon ist.

Man gibt ihm ein großes, braunes Kuvert, steckt das geraubte und wieder erhaltene Geld hinein, klebt das Kuvert zu, schickt den verdutzten Heinrich in Begleitung eines der Postler auf die Straße und nötigt ihn, das Kuvert in den hauseigenen Briefkasten zu werfen. – Danach wird der Briefkasten geöffnet und das Kuvert wieder entnommen.

So,“ sagt der Senior der Drei, „jetzt können wir der Polizei erzählen, dass der Räuber das Kuvert mit dem Geld auf diese Weise zurückgab - und wir brauchen nicht einmal zu lügen.“

Augenzwinkernd sieht er den Heinrich an.

So; - und jetzt füllen sie dieses Formular aus, denn in zwei Wochen wird einer unserer Briefträger pensioniert – und wir brauchen einen Ersatz für ihn. – Ich bin mir sicher, dass man unter den wenigen Bewerbungen, welche wir bisher haben, gerade Ihre bevorzugen wird.“

Diesmal zwinkert er seinen Kollegen zu – und Diese zwinkern zurück.

- Heinrich kann es kaum fassen; - nicht nur straffrei wird er bleiben – er wird auch einen sicheren Arbeitsplatz erhalten.

Überschwänglich bedankt er sich bei den Postlern – und die Tränen laufen ihm über das Gesicht. – Nun kann er seiner Erika wieder unter die Augen treten, ohne sich mehr schämen zu müssen. ( ... oder vielleicht nur noch ein kleines bisschen ...? )

Zu Hause angekommen, holt er die zweite Flasche des roten Weines aus dem Schrank, zieht seine Frau auf die Couch und sagt:

Diesmal bekommst du nur ein einziges Glas – und ich werde den ganzen Rest austrinken.“

- Dann erzählt er ihr die ganze Geschichte. – Angstvoll, - gespannt, - und zum Schluss erleichtert und erfreut, blickt ihn die Gute an und flüstert, als er geendet hat:

Heinrich; nie wieder darfst du auf solch einen Gedanken kommen. – Was hätten wir nur ohne dich angefangen ?

- Für uns bist doch nur du das allerschönste Weihnachtsgeschenk...“

- - - Ja, ja; - auch so kann eine Bescherung sein....

(Aus: ‚Kurzgeschichten ...wie sie das Leben schreibt‘ von B. Mich. Grosch)

Luzifer

1. November 2021 in Weblogs

*

Du verstoßener Engel Luzifer,

dessen Name kennt das Erdenrund.

Wer warst du einst und wo kamst du her;

- wer gibt dein’ wahre Geschichte kund ?

*

Man saget, der Engel Höchster warst du

und alle Anderen dich ehrten.

Du warst Stellvertreter Gottes dazu,

bevor sie sich gegen dich kehrten...

*

Was war geschehen – was ist nur passiert ?

Warum waren Alle gegen dich ?

Die Antwort brennend mich interessiert.

Warum war dein Straf’ so fürchterlich ?

*

Es heißet, wie Gott du werden wolltest;

dein zweiter Platz war dir nicht genug.

Darum verstoßen du werden solltest,

- und weil du voll Hinterlist und klug....

*

Auch sagt man, dass du Eva verführtest,

so dass wir Menschen heute leiden.

Du ihre weibliche Schwäche spürtest

und so die Hölle konnt’st bereiten !

*

Hast wirklich du mit anderen Engeln,

die abtrünnig wurden, wie du auch,

versuchet, den Herren zu bedrängeln;

- ganz gegen Gesetz und guten Brauch ?

*

Habt ihr gekämpfet gar mit dem Schwerte,

zu vergießen selbst des Herren Blut?

Hattet ihr vergessen alle Werte;

- den Unterschied von Böse und Gut ?

*

Wie konntest du wider den Schöpfer sein ?

Hast Unglück über uns All’ gebracht!

Ohne dich uns’re Herzen wären rein;

- nicht gäbe es die endlose Nacht ...

*

Hast du bereuet nun deine Taten ?

Tut es dir leid – dein schmähliches Tun ?

Bist damals auf Abweg’ nur geraten;

- hast du geändert dein Denken nun?

*

Versuchst du tatsächlich, uns zu schaden;

zur Hölle uns hinabzuziehen ?

Sollen im Höllenfeuer wir baden;

- wer hat dir dieses Recht verliehen ...?“

*

O Mensch, so höre meine Geschichte,

sofern du sie denn auch hören magst.

Die ganze Wahrheit ich hier berichte,

so dass zu zweifeln du wohl nicht wagst:

*

Nicht Täter – bin Opfer stets gewesen-,

verkannt von Allen für immerdar.

Vor allen Ander’n ich war erlesen;

- ich war der Schönste, Klügste – fürwahr

*

Der Neid nur verseuchte ihre Herzen,

ob meiner Schönheit und Erfolge.

Sie konnten es einfach nicht verschmerzen,

dass ich hatt’ so großes Gefolge.

*

Sie trieben Hetze und intrigiereten;

verleumdeten mich gar vor dem Herrn.

Für dies alles sie sich nicht genierten;

- und Gott, - er selber sah es wohl gern !

*

Sie setzten sich über mich zu Gericht

und brachten ihre falschen Zeugen!

Diese gar lachten mir frech in’s Gesicht;

- sie wussten, ich müsste mich beugen ...

*

Du siehst, o Mensch, Schuld nicht auf mir lastet;

- ein Opfer ich nur gewesen bin.

Bis heute die and’re Seit nicht rastet;

- meine inn’re Ruhe ist dahin ...!“

*

Wie kann ich dir glauben, o Luzifer?

Deine Red’ ist voller Widersprüch’.

Diese Worte beeindrucken nicht sehr;

- an ihnen haften üble Gerüch’ ...!

*

Man kennet dich als den Herr’n der Lügen,

der das Obere zuunterst kehrt.

Gelingen wird’s nicht, mich zu betrügen,

indem man mich dieses Falsche lehrt.

*

Gut taten die Engel damals daran,

dich aus dem Himmel zu verbannen.

Wenn ich nun die Wahrheit nicht hören kann,

so besser mache dich von dannen !“

*

Nun gut, o Mensch, so lasse dir sagen,

wie alles sich zutrug dazumal.

Vielleicht verstehst du dann mein Betragen;

- ich hatte wirklich kein’ and’re Wahl ...

*

Wie ich bereits früher schon bemerkte,

so war einst sehr schön ich von Gestalt.

Meine Klugheit mich darin bestärkte,

dass zustand mir auch göttlich’ Gewalt.

*

Nicht stand ich allein’ mit diesem Denken;

- ein’ Gefolgschaft hatte ich zuhauf.

Sehr leicht sie ließen von mir sich lenken;

- so nahm das Geschehen seinen Lauf ...

*

Warum sollte ich mich stets besinnen,

was ich IHM hatte zu verdanken ?

Sollte ich dem niemals mehr entrinnen;

- dieser Gedanke ließ mich wanken.

*

Wenn ER mich wirklich hatte erschaffen,

wie konnt’ ich sein IHM ebenbürtig ?

- Ich glaubte, ich hätt’ die bess’ren Waffen,

d’rum sei ich aller Ehren würdig!

*

Hätte ich gesieget in jener Schlacht,

so würde mir göttlich’ Ehr’ zuteil.

Ich wär’ nun nicht Herr der finsteren Nacht;

- in göttlicher Sphär’ ich dann verweil’...

*

So ist es doch auch in heutiger Zeit:

- Der Sieger schreibt stets die Geschichte.

Ich habe verloren in jenem Streit;

- darum ich nur dir hier berichte.

*

Wer ist schuldig an meines Denkens Art?

Wer schuf mich so, wie ich nun `mal bin?

Warum musste ER mich strafen so hart ?

- - Ist doch ein Teil von IHM in mir d’rin ...

*

Warum hat ER mir Verstand gegeben,

wenn ich ihn doch nicht benutzen soll ?

Soll ich denn wie eine Pflanze leben,

die nur mit Blättern und Blüten voll ?

*

Bin ich denn wirklich nur böse und schlecht;

- hat Eva nicht auf mich gehöret ?

Hat sie nicht gespüret, dass ich im Recht;

- dass ein And’rer den Frieden störet ...?“

*

Sehr listig bist du, Luzifer,und schlau;

kannst umgeh’n gut mit schönen Worten.

Jedoch noch immer ich dir nicht vertrau’;

- komm’ sonst zu nah’ der Hölle Pforten !

*

Eine Erwiderung finde ich nicht,

doch fühle ich, dass etwas verkehrt.

Wenn man es setzet in’s richtige Licht,

ist dies nicht, was uns der Glaube lehrt.“

*

Gemeinplätze sind’s, o Kind der Erde,

die ich von dir zu hören kriege

und ernst ich doch niemals nehmen werde.

- Mein Argument dich nun besiege !

*

Der Stärkste immer das Gesetz bestimmt;

- es hat sich daran geändert nichts.

Die lauteste Stimme man nur vernimmt;

- - so auch am Tag des Jüngsten Gericht’s...

*

In der Hölle es brennt kein Feuer;

- das Feuer brennt nur tief in mir d’rin.

Weil ich verlor, was mir lieb und teuer;

...und niemals wieder ich nun entrinn’.…

*

BMG

Wenn ein Sack Reis umfällt

29. Oktober 2021 in Weblogs

Mein Freund Zimmermann hat sich die Unart zu eigen gemacht, immer, wenn er Etwas als nicht bemerkenswert erachtet, zu sagen:

Das interessiert mich ebenso wenig, als wenn in China ein Sack Reis umfällt.“

Es nervt - und Zimmermann weiß das. – Genau deshalb verwendet er diesen Spruch bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit.

Selbstverständlich werde ich die Nervensäge nicht bitten, damit aufzuhören; - dazu kenne ich Zimmermann zu gut. – Doch werde ich es ihm heimzahlen. – Beim Damenbart meiner Großtante – ich werde es ihm heimzahlen - und wie !

- Mein neuestes Buch wird demnächst erscheinen – und ich informiere meinen Freund telefonisch über diesen Umstand.

Das interessiert....“, beginnt Dieser, doch unterbreche ich ihn.

Sag’ es nicht, sonst werde ich meine Einladung noch einmal überdenken und alleine zum Essen gehen.“

Schon gut, schon gut,“ erwidert der Vielfraß, „wo soll es denn hingehen ?“

Ich überlege einen Moment.

Ich habe mich noch nicht entschieden,“ sage ich dann, „doch werde ich dir rechtzeitig Bescheid geben, zumal du ja ein vielbeschäftigter Mann bist. – Woran arbeitest du denn im Moment ?“

... Aufgelegt......

Bei der Verlagsfeier im kleinen Kreise bitte ich eine der Sekretärinnen, mir eine mitgebrachte Kassette zu besprechen. Die Dame hat eine sehr schöne Stimme und ist bestens geeignet für diese – wenn auch infame – Aufgabe, welche ich ihr zugedacht habe.

Wieder Zuhause angekommen, führe ich ein Telefongespräch mit einem befreundeten Arzt, welcher gleichzeitig Zimmermanns Hausarzt ist. --- Danach steht meinen weiteren Plänen nichts mehr im Wege.

Voller Vorfreude führe ich ein weiteres Gespräch mit dem Eigentümer eines China-Restaurants und bestelle über Dessen Party–Service für das kommende Wochenende eine opulente Mahlzeit für zwei Personen.

Mit einem dritten Telefonat informiere ich meinen Freund.

Die Festlichkeit wird in deinem Garten stattfinden,“ erkläre ich, „da für das kommende Wochenende schönes Wetter vorausgesagt wurde, sollte dem wohl Nichts im Wege stehen. – Außer, du bist zu sehr beschäftigt....“

Dies Letztere füge ich mit leicht ironischem Unterton hinzu. - Der Vielfraß freut sich:

Keine Sorge - ich werde mich für Samstag freihalten. Hoffentlich hast du etwas Gutes bestellt.“

Lass’ dich überraschen.“ Damit beende ich das Gespräch.

Samstag. Mein altes, japanisches Kassettenradio mit der Fernbedienung in der Hand, begebe ich mich zu meinem Wagen, fahre diesen aus der Garage und mache mich auf den Weg zu meinem unterbelichteten Freund.

Die von der freundlichen Lektorin besprochene Kassette habe ich bereits ins Kassettenfach eingelegt; - auch alles Weitere wurde von mir genauestens berechnet.

Der nimmersatte Zimmermann erwartet mich bereits in seinem Garten an der schon gedeckten

Tafel.

Wo bleibst du nur ? Warum kommst du so spät ?“

Ich beruhige ihn:

Wir haben Zeit im Überfluss. Es wird mindestens noch eine Stunde dauern, bis das Essen geliefert wird. Ich gab dir doch die genaue Zeit an.“

Ich hole Zimmermanns Kabeltrommel aus der Garage, um das mitgebrachte Radio anzuschließen, während mein durstiger und darum ungeduldiger Freund die ersten zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank holt und diese gleich öffnet.

Das Radio ist bereit und spielt leise Musik - die Fernbedienung befindet sich in meiner Hosentasche.

Wir trinken Bier und warten auf das Eintreffen des bestellten Essens. Unter Anderem bestellte ich Tomaten– und Gurkensalat, da mir bekannt ist, dass Zimmermann diese Kombination liebt.

Außerdem hat er die Angewohnheit, seinen Salat erst nach dem Hauptgang zu essen, welcher Umstand meinen Plänen in höchstem Maße entgegenkommt.

Endlich ist es soweit. Das Bestellte wurde gebracht – und während der Hausherr sich um die Speisen im Garten kümmert, bringe ich den Salat in die Küche, um diesen, nachdem ich meines Freundes Portion etwas verfeinerte, in den Kühlschrank zu stellen.

Danach begebe ich mich wieder nach Unten, stecke den Bediensteten des Chinarestaurants ein großzügiges Trinkgeld zu – die Rechnung wurde von mir bereits vorab beglichen – und geselle mich zu meinem Freund in den Garten.

Wir nehmen Platz. Da mir – wenn auch in Zimmermanns Garten – die Rolle des Gastgebers zufällt, verteile ich die verschiedenen Gänge der Speisen.

Mein Freund erhält zu den jeweils unterschiedlichen Fleischsorten Reis; - für mich sind mehrerlei Nudelsorten gedacht.

Warum bekomme ich keine Nudeln,“ will der Hungrige kauend wissen, „warum ist für mich Alles nur mit Reis ?“

Weil du bekanntlich kein Hundefleisch isst,“ lüge ich und gebe eine weitere Portion Glasnudeln auf meinen Teller. -

Misstrauisch beäugt Zimmermann mein Schweinegulasch, sagt jedoch nichts weiter, sondern schaufelt in gewohnter Manier die Nahrung in sich hinein. Unbemerkt stelle ich die Musik etwas lauter und genieße weiter das vorzügliche Mahl.

Nach Beendigung der Mahlzeit tragen wir gemeinsam das benutzte Geschirr in die Küche; Zimmermann greift nach weiteren Bierflaschen, - ich nach dem Salat.

Mit Beidem bewaffnet, begeben wir uns erneut an die Gartentafel. Wir essen unseren Salat, - und während der Hausherr das Bier öffnet, greife ich nach der Fernbedienung und schalte während einer Musikpause auf das Kassettenlaufwerk um....

Wieder ertönt Musik; - dann eine Unterbrechung. Wir hören eine Frauenstimme, welche eine Warnung an die deutsche Bevölkerung verliest:

`Meine Damen und Herren. Die Bevölkerung wird gebeten, in nächster Zeit auf den Konsum chinesischen Reises zu verzichten ! – Wie mittlerweile bekannt wurde, fiel vor etwa zwei Monaten in einer südchinesischen Provinz ein Lastwagen, beladen mit Reissäcken, um und die Ladung ergoss sich aus den beschädigten Säcken auf die nur wenig befahrene Straße.

Mehrere Tage blieb diese Reisladung auf der Straße liegen, wo sie von Mäusen und Ratten verunreinigt wurde.

Unglücklicherweise war dieser Reis für den Export nach Deutschland bestimmt, wohin er letztendlich auch gelangte.- Mehrere Fälle von Erkrankungen wurden bis jetzt gemeldet. Die Symptome beinhalten Brechreiz und Durchfallerscheinungen. –

Sollten Sie derlei Symptome an sich selbst beobachten, suchen Sie bitte umgehend Ihren Hausarzt auf ! – Bewahren Sie dennoch Ruhe und verzichten Sie unbedingt auf den Genuss von kaltem Bier, sofern Sie von

dieser chinesischen Reiskrankheit befallen sind ! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !

-- Weiter geht es mit Musik. – Meinem Freund Zimmermann bleibt das letzte Stückchen Tomate im Halse stecken. Würgend und mit blaurot angelaufenem Gesicht keucht er:

Hast du ..., hast du das... gehört ?“

Ja,“ bestätige ich, „na und...? Es interessiert mich soviel, als wenn in China ein Sack mit Reis umfällt - ich esse keinen Reis.....“

Ein großer Schluck aus meinem Bierglas.

Wirklich angenehm gekühlt, dein Bier.“

Zimmermanns Gesichtsfarbe wechselt nun zu einer ungesunden Blässe.

Ich glaube, - ich glaube....“

Er läuft davon....

Lachend bleibe ich sitzen und genieße mein gekühltes Bier. -- Ja - Rizinusöl in Tomaten und Gurkensalat zeitigt schnelle Wirkung......

Montag. Das Telefon läutet. Ich nehme ab und höre Zimmermanns Stimme:

Mein Hausarzt sagte, es sei die chinesische Reissackkrankheit ! Ich darf drei Wochen lang kein Bier mehr trinken ! – Was sagst du dazu ?“

Nun,“ erwidere ich ungerührt,

wenn ich ehrlich bin, muss ich gestehen, dass mich das ebenso wenig interessiert, als wenn in China ein Sack mit Reis umfällt !“

Lachend lege ich auf und hole mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank ..…

BMG

Selbsttötung

27. Oktober 2021 in Weblogs

Hat man das Recht auf Herbeiführung des eigenen Todes ?

`Ja, ́ sagen die Einen; `Nein ́ wiederum Andere. Die Gründe für die gegensätzlichen Ansichten mögen vielfältigster Natur sein; doch sind es Gründe, welche man unter allen Umständen ernst nehmen und respektieren sollte.

Dass jemals eine endgültige und verbindliche Antwort gegeben werden kann, wage ich zu bezweifeln....

Die nachfolgende Geschichte ist zwar in allen Einzelheiten frei erfunden - könnte sich jedoch durchaus jederzeit und überall so ereignen....

Helga Breitner war die Tochter des angesehenen Architekten Eberhard Breitner und Dessen Gemahlin Gerlinde, - geborene Schuhmacher.

Aus gutem Hause stammend, absolvierte Helga – wohlerzogen und lernfreudig – die Mittleren und Höheren Schulen; schloss ihr Universitätsstudium mit Bravour ab, um anschließend in einem Unternehmen ihrer Heimatstadt eine Beschäftigung als Biochemikerin anzutreten.

Hans Baumgartner arbeitete bereits seit vier Jahren im gleichen Unternehmen. – Ihm gefiel die neu hinzu gekommene Helga und er begann, Diese zu umwerben. Helga, immer freundlich, höflich, zuvorkommend und zugleich arglos, erkannte nicht den Frauenheld in dem selbstbewussten, adretten Schönling und verliebte sich in ihn.

Hans sprach von Verlobung, Heirat und einer sonnigen, gemeinsamen Zukunft und die ehrliche, offene Helga wollte diesen seinen Worten nur zu gerne glauben. Bis dahin ohne jegliche Erfahrung mit dem männlichen Geschlecht, gewährte sie ihrem zukünftigen Verlobten und Ehemann die erste Liebesnacht.

Dieser folgten noch zwei oder drei weitere; danach verlor Hans Baumgartner das Interesse an seiner neuen Errungenschaft und er wandte sich neuen Eroberungen zu....

Helga, zutiefst verzweifelt und verletzt, musste zu allem Überfluss feststellen, dass das nächtliche Zusammensein mit jenem Gewissenlosen nicht ohne Folgen geblieben war.

Zur Verzweiflung gesellte sich die Scham, so dass Helga bald kaum mehr in der Lage war, einen klaren Gedanken fassen zu können.

Die Sechziger waren längst vorüber und eine unverheiratete Mutter beileibe keine Seltenheit oder gar ein Stein des Anstoßes mehr; doch im Kopfe der armen jungen Frau mochte sich Ungeahntes abspielen. –

Fest steht, dass Helga Breitner am 9. März 2004 um 2 Uhr dreißig nachts auf den Zuggleisen wenige Kilometer außerhalb der Stadt stand, wo sie vom heranbrausenden ICE erfasst und getötet wurde.....

- - Arnold Hermann, 42 Jahre, war Zugführer aus Leidenschaft bis zu jener schrecklichen Nacht im März 2004. –

....Des kleinen Arnold Lieblingsspielzeug war eine Modelleisenbahn, welche er auch in späteren Jahren keineswegs in Vergessenheit geraten lassen wollte; sondern diese ständig vergrößerte und die Anlage ausbaute, wobei ihn der Vater tat– und finanzkräftig unterstützte.

- Selbst Eisenbahner, teilte Dieser die Begeisterung des Sohnes für alles, was mit der Eisenbahn auch nur im Entferntesten zu tun hatte. – Der Junge besaß Uniformjacken, Mützen, Kellen, Trillerpfeifen und was noch so zu den Utensilien der früheren Eisenbahn gehören mochte.

Der Fernseher war das Stiefkind in der Familie, denn auch die Mutter zog es vor, sich in ein Buch zu vertiefen, während Papa und Sohn die Weichen stellten, Signale gaben oder wieder einmal dabei waren, den Schatz der Familie auszubauen und zu vergrößern.

Arnold Hermann trat, mit Hilfe des Vaters, nach Beendigung der Schule seine Arbeit als Eisenbahnerlehrling an und, fleißig und gelehrsam, saß er nach einigen Jahren zum ersten mal im Führerstand einer Lok.

Man lernte den jungen Arnold als gewissenhaften Zugführer kennen, welcher es niemals versäumte, trotz bereits stattgefundener Kontrollen, alles selbst noch einmal in Augenschein zu nehmen. –

Seine berufliche Karriere war geprägt von Schulungen und Fortbildung neben seiner gewohnten Arbeit, so dass er stets Schritt mit den Neuerungen im technischen Bereich hielt.

Mehrere Auszeichnungen erhielt Arnold Hermann im Laufe der Jahre für seine Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit im Dienst.

Dann der schreckliche 9. März: - Arnold, pünktlich wie stets, gewahrte die etwa einhundertfünfzig Meter entfernte Gestalt, welche die Gleise betrat – und mit ausgebreiteten Armen stehenblieb.

Signal ertönen lassen und Notbremsung einleiten, war Eines ; doch der Zugführer wusste, dass es sinnlos war ...!

Eine junge Frau, - mit krampfhaft geschlossenen Augen und angstvoll verzerrter Miene, erwartete ihren Tod ...!

Dann dieses so schreckliche Geräusch...., - ein Geräusch, welches den Zugführer fortan nicht wieder loslassen sollte....

Arnold erwachte im Spital – und wusste sofort, was geschehen war; kein gnädiges Vergessen, - wenn auch nur für kurze Zeit....

- Es folgten Beurlaubung und therapeutische Behandlung, doch Arnold, längst verheiratet und Vater zweier Kinder, wusste: Nie wieder würde er den Führerstand einer Lok betreten.

- `Eine Frage der Zeit, ́ hämmerten die Worte des Therapeuten in seinem Kopf; - `eine Frage der

Zeit. ́ -

- - Die Modelleisenbahn war abgebaut und eingemottet. Arnold mied Bahnhöfe und Gleisanlagen, doch jenes schreckliche Geräusch verfolgte ihn bei Tag und in der Nacht.

Sechs Monate nach diesem schrecklichen Ereignis verließ Arnold Hermann seine Familie und nahm eine kleine Wohnung zur Miete. – Nicht länger wollte er die Familie mit seinen nächtlichen Schreien stören....

Weiterhin erwachte er des Nachts schweißgebadet durch jenes furchtbare Geräusch, von dem er wusste, dass es sich doch lediglich in seinem Kopf befand. – Festgefrorene Erinnerung..!

- - Vier Monate lebte Arnold zurückgezogen in seiner engen Dachwohnung, ohne dass auch nur ein einziger Tag ihm die Gnade erwiesen hätte, ihn jenes Geräusch nicht mehr hören zu lassen. - -

- Am frühen Abend des 24. Dezember ging Arnold Hermann in den nahen Wald – und erhängte sich in der herrschenden Eiseskälte mit einem mitgebrachten Strick an einem Baum.

Zu seinen Füßen fand man ein mit einem Stein beschwertes Stück Papier, auf welches nur drei Worte gekritzelt waren:

`Dieses schreckliche Geräusch....

BMG

Die Quelle

23. Oktober 2021 in Weblogs

Einst saßen in einer Herberge drei Kaufleute beim Mahle und stritten sich über der Frage, welche denn wohl die Beste der Religionen sei.

Ein hochbetagter, ehrwürdiger Greis, der etwas abseits saß, folgte aufmerksam dem Gespräch und lächelte dabei still in seinen langen, weißen Bart.

Da nun die Drei sich gar nicht einigen wollten und der Streit immer heftiger wurde, wandte sich schließlich der jüngste der Kaufleute an den Alten:

Sagt, ehrwürdiger Patriarch; Ihr habt mittlerweile ein gesegnetes Alter erreicht – und im Leben gewiss so manche Erfahrung gemacht, welche uns noch nicht beschert wurde; könnt Ihr vielleicht unseren Streit schlichten – und die Lösung zu unserem Problem geben?“

Nun ja,“ räusperte sich der Gefragte, strich über seinen Bart und rückte näher zu den Streitenden heran, „die Lösung zu Eurem Problem müsst Ihr wohl schon selbst zu finden wissen - doch will ich Euch gerne eine Geschichte erzählen, welche Euch vielleicht dieser Lösung näher kommen lässt.“

So ist’s recht,“ stimmten auch die beiden Anderen erfreut diesen Worten zu, „kommt, Vater; nehmt an unserem Mahle teil – es ist reichlich vorhanden – und erzählt uns Eure Geschichte.“

So geschah es denn auch. Dem Alten wurde vorgesetzt; zum bequemeren Sitzen ihm weitere Kissen gereicht - und er begann:

Ein Vater hatte drei Söhne - und alle Drei waren sie wohlgeraten und folgsam. – Nur in einer einzigen Sache wollten sie gar nicht übereinstimmen: Einmal im Monat nämlich begaben sie sich gemeinsam in einen entfernten Ort, in welchem Markt abgehalten wurde, um Lebensmittel einzutauschen.

Ein Jeder der Drei aber hatte eine besondere Vorliebe für eine ganz bestimmte Speise, für welche wiederum die anderen Beiden einen Abscheu empfanden:

Der älteste Bruder nämlich aß für sein Leben gerne Joghurt - der Zweite war nur für Käse zu begeistern – und der Dritte schwur Stein und Bein, dass einzig und alleine Butter das Richtige sei.

So erhandelte sich denn jeder Einzelne der Brüder seine Ware und sah mit Widerwillen den beiden Anderen zu.

Wie kann man nur Käse und Butter essen,“ rief der Älteste voller Ekel, „es schmeckt nicht und man kann gar krank davon werden!“

Unsinn,“ riefen die beiden Gescholtenen jeder für sich, „von Joghurt und Butter“ – und:

von Käse und Joghurt wird man krank!“

Ein Wort gab das andere und sie zerstritten sich tüchtig und traten Jeder für sich – mit Groll im Herzen – den Rückweg an.

Zuhause angekommen, versuchte Jeder neuerlich, seine Brüder von seiner eigenen Ansicht zu überzeugen; doch Keiner war bereit, nachzugeben oder ein Zugeständnis zu machen.

Jeder war felsenfest davon überzeugt, er – und nur er – habe recht – und die Brüder täten schweres Unrecht, eine solch’ ekle Sache zu essen.

Eines Tages nun; - es war wieder Markttag gewesen - stritten sich die Brüder so arg, dass ihr alter Vater sich einmischte und ihnen Ruhe gebot:

Wisst ihr eigentlich,“ schalt er, „wo jene Dinge, für welche ihr eine solche Vorliebe habt, her kommen?“

Ei freilich, Vater,“ rief der Jüngste, „vom Markte bringen wir sie uns halt mit!“

Freilich vom Markte,“ lachte der alte Mann, „aber wisst ihr auch, von woher sie auf den Markt gelangen? Wie man angefertigt hat, was ihr gar so gerne esst?“

Für eine kleine Weile herrschte Schweigen in der Stube - dann meldete sich der zweite Sohn:

Nun, ich denke doch, dass mein Käse auf Bäumen in irgendeines Bauern Garten wächst. Von daher wird Dieser ihn auch auf den Markt bringen, wo ich ihn erstehen kann.“

Auf Bäumen,“ höhnte der Älteste, irgendein räudiger Hund wird ihn wohl ausgebrütet und gleich noch sein Ungeziefer darinnen gelassen haben!“

Still,“ rief der Vater, da der Streit von Neuem auszubrechen drohte, „sag’ du mir doch, wie wohl dein Joghurt beschaffen ist, der dir ja gar so wohl bekommt!“

Doch auch der Älteste konnte keine Auskunft geben; - genausowenig der Jüngste – aber dennoch wollte Keiner von seiner Überzeugung auch nur eine Handbreit abweichen.

Traurig schüttelte der greise Vater sein Haupt:

Es ist meine Schuld; ich hätte euch besser lehren sollen. – Aber was ich versäumt habe, will ich beim nächsten Markttage nachholen.“

Damit ließ er die drei Brüder alleine.“

- Der Erzähler hielt inne und ließ seinen Blick in die Runde schweifen.

Nachdenklich und still saßen die drei Kaufleute und warteten, dass der Alte seine Geschichte zu Ende erzähle. Dieser fuhr denn auch fort:

Am nächsten Markttage begleitete der Vater seine Söhne und führte sie auf dem Markte zu einem Mann, welchen die Söhne bisher noch nie gesehen hatten. Mit Diesem sprach der Alte; jedoch so leise, dass die drei Neugierigen kein Wort des Gespräches verstehen konnten.

Danach wandte sich der Vater ihnen zu:

Meine Söhne; - ich werde euch nun verlassen, meine Besorgungen erledigen und danach wieder nach Hause gehen. Ihr aber werdet hierbleiben - und wenn der heutige Markt zu Ende ist, mit diesem meinem Freunde gehen, um für die Dauer von einer Woche bei ihm zu bleiben. Er wird euch etwas lehren, was für euch sehr wichtig ist. Nach Ablauf dieser Frist kommt wieder zu mir nach Hause.“

Mit diesen Worten verabschiedete sich der Greis und ging seiner Wege.

Die Brüder aber taten wie geheißen und kamen richtig nach Wochenfrist gemeinsam wieder in des Vaters Haus.

Nun, meine Söhne, - habt ihr nun gelernt, wie die wichtigen Dinge des Lebens beschaffen sind ?“

Beschämt ließen die Drei die Köpfe hängen und wussten gar nichts zu sagen....

Seht ihr, meine Kinder, - ihr habt jetzt selbst erfahren, dass so verschiedene Speisen wie Käse, Butter und Joghurt alle aus dem gleichen Stoffe sind und tatsächlich von einem einzigen Tiere kommen. ----- So – und ähnlich, steht es auch mit vielen weiteren Dingen auf dieser Welt - und nur die Geschmäcker der Genießenden sind zuweilen verschieden..... Merkt euch diese Worte gut und nutzt euer neuerworbenes Wissen auf euerem weiteren Lebenswege.“

-- Damit beendete der Patriarch seine Geschichte.

Auch uns seht Ihr beschämt, ehrwürdiger Weiser. Wir verstehen wohl den Sinn Eures Gleichnisses und erkennen nun, dass w i r die Toren waren, welche Ihr so treffend beschrieben habt. Doch sagt; - so genießt Ihr selbst wohl keine der drei Speisen ?“

Ich habe,“ erwiderte der Alte, „die Milch getrunken und weiß, woher sie kommt. – Ich genieße darum auch jede der drei Speisen und erfreue mich an ihnen, ohne sie jedoch die eine wichtiger als die andere zu erachten. - - Wichtig ist allein die Quelle.“

Ihr seid wahrhaftig ein weiser Mann, dem wir sehr viel zu verdanken haben. – Doch gebt uns

Antwort noch auf eine letzte Frage:

Wer seid Ihr – und was ist Euer Tun ?“

Der weise Alte erhob sich von seinem Sitze, - trat ganz nahe vor die gespannt Wartenden, beugte sich zu ihnen nieder und sagte mit leiser Stimme :

-- Ich bin ein Wächter der Quelle – und habe darauf zu achten, dass ihr kein Unrecht geschieht...“

Sprach’s – und verschwand in der Nacht.....

BMG

Nichtraucher

22. Oktober 2021 in Weblogs

Es gibt Augenblicke im Leben, in welchen man sich regelrecht wie ein Idiot vorkommt ....

Heute vormittag eröffnete mir mein Freund Zimmermann telefonisch, dass er höchstselbst uns Beide zu einer Therapie angemeldet habe.

Einer Therapie, die uns im Zeitraume von lächerlichen drei Wochen von unserer schädlichen Neigung zum Nikotingenuss sicher und dauerhaft befreien solle.

Außerdem teilte er mir – nun mit leicht erhobener Stimme – mit, dass er nicht gewillt sei, sich auf Diskussionen über dieses Thema mit mir einzulassen - er habe sich für diese Sache entschieden und dabei bleibe es. Ich solle gefälligst keine Schwierigkeiten machen.

Damit war die Verbindung unterbrochen.

Ich dachte nicht im Geringsten daran, Schwierigkeiten zu machen - ich packte meine Koffer....

Leider gelang es mir nicht mehr, den Flughafen zu erreichen, denn im selben Moment, in welchem ich mich aus dem Haus schleichen wollte, traf mein böser Geist in einem Taxi – ebenfalls mit gepackten Koffern – ein.

Der hellsichtige Zimmermann in seiner Nächstenliebe hatte – um mich vor Schaden an Leib und Seele zu bewahren – beschlossen, die verbleibenden zwei Tage bis Therapiebeginn sich bei und mit mir häuslich niederzulassen.

So sitzen wir uns nun in meinem Wohnzimmer gegenüber – ich mit zusammengebissenen Zähnen - Zimmermann hingegen in höchster Selbstzufriedenheit.

Standhaft verweigere ich jegliche Unterhaltung. – Für circa fünf Minuten. – Schließlich darf ich den Bogen nicht überspannen.

Also drücke ich meine Begeisterung zu Zimmermanns genialem Plane aus und zeige mich total verrückt vor Freude darüber, dass endlich –endlich! – ein Weg mir gewiesen wurde, aus dem Sumpf meiner widernatürlichen Abhängigkeit mich zu befreien.

Mir stehen wahrhaftig Tränen in den Augen, als ich mich endlich vor meinem Retter zu Boden werfe und dankbar seine – ach so gütige – Hand ergreife.

Doch er denkt nicht daran, mitsamt seinen Koffern wieder zu verschwinden.

Zimmermann kennt kein Schamgefühl!

Was bleibt mir Anderes, als mich mit den Gegebenheiten abzufinden? Nichts!

Absolut nichts – wie immer, wenn Zimmermann seine Hand im Spiele hat. Innerlich verfluche ich Zimmermanns Ahnenreihe bis zurück ins letzte, im Dunkel der Uranfänge verschwindende Glied.

Allerdings wohl wissend, dass auch dies nicht das Geringste an meinem Schicksal ändern wird.

Aber es erleichtert. Zumindest vorübergehend.

Alles geht vorüber. - So auch die zwei Tage bis Therapiebeginn....

....Die Therapie selbst scheint endlos zu sein. - Bereits vom ersten Tage an kreisen meine Gedanken unablässig um den uns nun verbotenen und darum um so begehrenswerteren Rauchgenuss.

Der einzige Lichtblick ist, dass es Zimmermann um kein Deut besser geht!

Dringend empfohlen wird uns viel frische Luft im Zuge von Spaziergängen und sportlichen Übungen in den weitläufigen, parkähnlichen Anlagen rund um die Villa, die seit einigen Jahren als Privatklinik – für solche Idioten, wie wir es sind – ihre Funktion erfüllt.

Aufgezwungen wird uns viel frisches Gemüse im Zuge einer unsinnigen Diät, die wir unter strengster Bewachung im gemeinschaftlichen Speisesaal über uns ergehen zu lassen haben.

Uns, - das sind dreiundzwanzig menschliche – männliche sowie weibliche – Wesen, die sich aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen in den Kopf gesetzt zu haben scheinen,ihre Menschlichkeit für die Dauer von drei Wochen teilweise abzulegen.

Es ist geradezu ekelhaft, einige dieser würdelosen Insassen dieses Entmenschungsinstitutes zu beobachten, welche schon nach wenigen Tagen die Therapeuten nach einer – nur einer einzigen!- Zigarette anbetteln..!

Überflüssig, zu betonen, dass ich mich soweit niemals gehenlassen würde. Schließlich weiß ich, was ich meiner Würde schuldig bin....

Am dritten Tage versuche ich, leider ohne Erfolg, einige Zigaretten von einem Küchenangestellten zu stehlen. Nachdem diese Aktion fehlgeschlagen ist, täusche ich einen - ebenso erfolglosen – Schwächeanfall vor und verlege mich schließlich aufs Bitten.

Zwecklos!

Alles, was ich erreiche, ist, dass mein Name zur Meldung gebracht wird und ich mich am Abend während des alltäglichen Gruppengespräches verantworten muss. Einfach widerlich...!

Zimmermann entblödet sich nicht, den Empörten zu spielen, obwohl ich sicher weiß, dass gerade er eine Quelle für die – ach so begehrten – Stäbchen aufgetan haben muss.

Ich kann es riechen! Ich beschließe, von nun an vorsichtiger zu sein und außerdem ein Auge auf Zimmermann zu haben. Ich muss herausfinden, wie er es anstellt, geradezu unverschämt nach Zigarettenrauch zu stinken!

Geschlagene vier Tage bin ich hinter ihm her, ohne das Geringste zu erreichen. Immer wieder gelingt es ihm, mich abzuhängen und für die Dauer von fünfzehn Minuten oder einer halben Stunde zu verschwinden. Ich mache ihm Vorwürfe; ich probiere sogar, ihn zu durchsuchen.

Doch Zimmermann wehrt sich und will mir nicht erlauben, vom Inhalt seiner Taschen Kenntnis zu nehmen. Er besitzt gar die Stirn, jeglichen Verstoß gegen die Hausordnung kaltblütig abzuleugnen.

Es ist unfassbar ...!

Auch meine illegalen Bemühungen, auf Unkosten eines der Therapeuten oder sonstigen Angestellten des Hauses, zu der Erfüllung meiner allnächtlichen Träume, welche sich ausschließlich um den Besitz und Genuss von Zigaretten, Pfeifen und Zigarren in unvorstellbaren Mengen drehen, zu kommen, zeitigen keinerlei Erfolg.

Ich bin also in zweifacher Hinsicht gehandicapt!

Doch am fünften Tag – endlich ! – ein Lichtblick.

.... Ich habe ihn erwischt!!

Ich bin Zimmermann auf die Schliche gekommen! – Doch noch verhalte ich mich ruhig. - Am nächsten Tag der endgültige Beweis. Ich hatte mich nicht getäuscht. Jetzt kann ich zuschlagen!

Was ich am siebten Tage auch tue....

Mit größter Unverfrorenheit verlässt Zimmermann täglich in der Freizeit das Gelände der Klinik – das heißt, er verlässt es nicht, sondern tritt hinter ein Gebüsch, welches sich in unmittelbarer Nähe des schmiedeeisernen Zaunes befindet, der das Gelände von der Außenwelt trennt und nimmt durch die Zwischenräume der Stäbe besagten Zaunes seine tägliche Ration in Empfang, nachdem er den Gegenwert in barer Münze auf gleichem Wege dem Überbringer der verbotenen Gabe – einem Jungen von etwa zwölf Jahren – überreicht hat.

- Es ist so einfach, dass man es schon fast genial nennen könnte. Doch Zimmermann hat nicht mit meinem Genius gerechnet.... Kaltblütig und ohne jedes Schamgefühl erpresse ich ihn. Entweder,oder......

Er begreift und entscheidet sich – wie auch nicht anders zu erwarten – für das Entweder.

Brüderlich werden die Zigaretten geteilt – und um die verbleibenden knappen zwei Wochen mache ich mir keinerlei Sorgen mehr.

Der geschäftstüchtige junge Lieferant beansprucht für die nun verdoppelte Lieferung auch doppelte Vergütung, welche er selbstredend erhält. (Nach eigenem Bekunden bessert er schon seit Monaten sein Taschengeld auf, indem er entlang dieses Zaunes patrouilliert und verzweifelten Patienten seine Dienste anbietet!)

Mit höchster Leichtigkeit steigere ich mich in der verbleibenden Zeit meines Hierseins von einer auf zwei Packungen Zigaretten am Tag und schaue mit Verachtung und Verständnislosigkeit auf meine jammernden und klagenden Mitpatienten hernieder.

Ich kann mir gratulieren. Ich habe diese schwere Zeit überstanden, ohne meine Würde auf der Strecke zu lassen!

....Es gibt Augenblicke im Leben, in welchen man sich regelrecht wie ein Idiot vorkommt...!

Es ist mir heute eingefallen, dass ich bis vor drei Wochen eingefleischter Nichtraucher war!!

......Ich sollte vielleicht eine Therapie machen.

Telefonisch mache ich Zimmermann diesen Vorschlag …

BMG

Wie kommt es...??

28. September 2021 in Weblogs

*

Hörst du, wie die Vögel singen ?

Siehst du die Wolken am Himmel zieh’n;

- werden sie uns Regen bringen ?

Wo kommen sie her – wo zieh’n sie hin ?

*

Spürst du das Pochen deines Herzen’s,

das Rauschen des Blut’s in deinem Ohr,

wenn du Grund des weiblich’ Scherzen’s;

- wenn eine Liebe dir steht bevor ?

*

Kannst die Wärm’ des Feuer’s spüren,

welches vom Blitz wurde angefacht?

- Was mag wohl die Wogen führen,

die tanzen im Meer bei Tag und Nacht ?

*

Siehst das Gras du auf den Wiesen ?

- Die Kinder es beim Spiele erfreut.

Siehst die Blumen, wie sie sprießen ?

- Hat dies ein Auge jemals gereut ?

*

Siehst du den Mond am Himmel steh’n ?

Erfreuet dich der Stern’ Gefunkel ?

Hast je Kometen ziehen seh’n ;

- gehört des Wasserfall’s Gemunkel ?

*

Fühlst das Atmen der Erde gar,

wenn in der Nacht es herrschet Stille?

Wirst sein nicht deiner Sorgen bar,

wenn zirpen hörest du die Grille ?

*

Wach deine Sinne alle Tage?

Hörst du die Blätter flüstern im Wind ?

Hinter Alledem die Frage :

... `wie kommt es, dass wir lebendig sind ....?‘

*

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