Lebenslauf Kapitel 21

Kapitel 21.

Die Wohngemeinschaft war in einem Bezirk,
mit dem ich früher nie etwas zu tun haben wollte.
"Kreuzberg". Leute die dort wohnten waren nicht
meine Welt, so ein „ goldener Reiter“ war ich.
Völlig bekloppt und abgehoben was Menschenkenntnis betraf.
Nun wurde ich selbst Bewohner eines solchen Bezirks.
Das Haus, von außen als wäre der letzte Bombenangriff
von 1945 gerade gestern gewesen. Zwei Hinterhöfe.
Eine Wohnung: 1 Zimmer, eine Küche, ein Flur.
Ofenheizung, Einfachfenster. Der Blick aus den Fenstern
direkt auf einen Friedhof. Der Blick auf den Haushof, ein Zillemilieu, es fehle nur noch der Leierkastenmann. Diese Wohnung teilte ich mir mit noch
einem Alkoholiker. Meine Frage an ihn, wo ist denn die Toilette?
beantwortete er mit: eine halbe Treppe tiefer und sie wird
auch von den Nachbarn genutzt.
Wo war ich hier bloß hingeraten, jetzt war ich wirklich am Ende.
16 WG Bewohner waren wir, im Lebensalter von 20 bis zu mir.
Ich hatte nur das Privileg, ich war der „Alterspräsident“.
Ich musste mich nun täglich im Verein aufhalten und auch bei bei meiner
Sozialbetreuung. Ich konnte für meine Zukunft noch keine Pläne
machen, beruflich war alles unklar. Mein Gehalt wurde gekürzt,
na prima, meine Frau forderte Unterhalt, rosige Zeiten.
Da ich finanziell nicht klar kam, verdingte ich mich als
Leiharbeiter ( Sklave). Da ich aber, außer Beamter, nichts gelernt
hatte, war es nicht ganz so einfach einen Job für mich zu finden.
Ich wurde eingesetzt als Fließbandarbeiter bei der Fa. Herlitz,
einsortieren von Bleistiften, Kugelschreiber.
Dann wurde ich in einer Zigarettenfabrik beschäftigt, einer Papierfabrik
und zum Schluss, in einer Fleischwaren Fabrik im Rauch.
Ich kann es nicht empfehlen im Rauch zu arbeiten, kalter Rauch
stinkt grauenvoll, und ist auch kaum aus der Haut zu bekommen,
trotz duschen, duschen, duschen.
Ich verdiente zwar gutes Geld, durfte aber nur die Differenz meines
gekürzten Gehalten behalten. Stundenlohn so 4 DM. Aber die brauchte
ich. So habe ich als Beamter auch das Arbeiterleben kennen gelernt.
Die ganze Zeit über hatte ich noch mein Auto behalten und so war
es mir ein Leichtes die verschiedenen Arbeitsstellen zu erreichen.
Ach so ja, den Käfer hatte meine große Tochter leider zu Schrott
gefahren, ihr ist Gott sei Dank nichts geschehen, aber der Käfer war
nicht mehr zu retten. Ich kaufte mir damals wieder einen kleinen Engländer,
gebraucht, und der begleitete mich seit meiner Bahnhofszeit.
Dann musste ich die Nebenbeschäftigung aufgeben, mein Gerichtstermin
stand an. Ich hatte Glück, nur 6 Monate Haft auf 3 Jahre Bewährung.
Nun kam noch das Verwaltungsgericht, das konnte mir die
Beine wegziehen. Ich war zwar Beamter auf Lebenszeit, aber das
Delikt ?????
Die Sozialbetreuung bemühte sich für mich wieder eine Dienststelle
zu finden, auch davon hing mein Verbleiben bei der Polizei ab.
Ein ganzes Jahr wohnte ich nun schon in der WG. Im Stillen hatte ich die
irrationale Hoffnung, irgendwann kommt ein Anruf mit den Worten:
„komm nach Hause“, Dieser Anruf kam nie.

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