Eine Liebe zwischen Hamburg und Dresden

Eine Liebe zwischen Hamburg und Dresden

Fyps:
Im Herbst 2002, anderthalb Jahre nach dem Tode meiner Frau Karin, mit der ich 43 Jahre verheiratet war, fühlte ich mich immer einsamer. Im Forum für Senioren fand ich am 20. 9. ein Inserat, das mich durch seine Nüchternheit beeindruckt:"Ich suche einen lieben Partner, ab 62/1.75/NR, der zu mir passt, mit dem ich Pferde stehlen kann und für den ich die Richtige bin, auch wenn der Weg noch so weit ist.Mehr steht in meiner Visitenkarte. Löwin1"
Diese Frau wollte ich näher kennen lernen, sie schien für mich "die Richtige" zu sein. So schickte ich eine höfliche aber ebenso nüchterne interne Mail an sie:

"Hallo, loewin1,Ihr Inserat in der späten Liebe interessiert mich. Schauen Sie doch mal auf meine Visitenkarte und in meine Webseite, ob das Interesse auf Gegenseitigkeit beruht. Ich bin gespannt.
Gruß, fyps"

Löwin1:
Ich sah mir seine Webseite an und war zunächst überrascht: Diese Art der Selbstdarstellung war mir ungewohnt. Trotzdem war ich neugierig und antwortete noch am selben Abend in einer Mail, in der ich auch einiges aus meinem Leben berichtete:

Hallo Fyps.
Dank für Ihre Zeilen im Forum. Ich habe Ihre Visitenkarte und Ihre Webseite mit Interesse gelesen. Es hat mich sehr bewegt. Aber ich kann einem so bewegten Leben nichts entgegensetzen. Ich bin seit 20 Jahren allein und habe meinen Sohn auf eigenen Wunsch allein großgezogen. Als ehemaliger DDR-Bürger muss ich nicht erklären, warum ich nicht viel von der schönen Welt gesehen habe. ...
Nun schließe ich erst einmal und bin gespannt, ob Sie meine Zeilen etwas unterhalten haben. Ihnen ein schönes Wochenende
Gruß Loewin 1

Fyps:
Sie hatte geantwortet! Ich freute mich riesig und bastelte lange an einer passenden Antwort, mit der ich sie für mich gewinnen wollte:

Hallo, liebe Löwin,
herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Unterhalten, wie Sie schreiben, sollten ihre Zeilen mich wohl gar nicht, ich kann eher sagen, dass sie mich angerührt haben.Dass Sie meinem Leben nichts entgegen setzen können, glaube ich nicht. Ich hatte verwandtschaftliche Verbindungen in die DDR und weiß einiges über das Leben dort, das viel schwieriger war als bei uns. Und im übrigen muss unser bisheriges Leben doch nicht vergleichbar sein. Wichtig ist das, was vor uns liegt. ...
Ich würde mich über eine Antwort freuen, denn so weit ist der Weg zwischen Dresden und Hamburg gar nicht, und Pferde stehle ich auch immer noch gerne, selbst wenn ich schon 71 Jahre alt bin.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag und grüße Sie herzlich,
Ernst-Günther

Fünf Wochen lang haben wir dann fast täglich z. T. mehrere Mails getauscht und sind uns dabei immer näher gekommen. Von Anfang an gab es eine unwahrscheinlich Vertrautheit und Offenheit zwischen uns. Schon bald redeten wir uns mit Vornamen an und tauschten Bilder aus, blieben aber noch beim "Sie".

Schließlich fühlten wir beide, dass eine tiefe Zuneigung zwischen uns gewachsen war, die alle Anzeichen von Liebe aufwies. Nachdem dieses Wort in unseren Mails Platz gefunden hatte, gingen wir zum "Du" über. Fünf Wochen nach dem ersten Kontakt rief ich Rosemarie zum ersten Mal an und wir sprachen gleich 40 Minuten miteinander.

Rosemarie:
Jetzt wusste ich, dass wir uns unbedingt persönlich kennen lernen müssten und schlug ihm den 31. Oktober vor, der bei uns Feiertag ist. Den Freitag danach wollte ich als Brückentag nehmen. Als er fragte: "Gehen wir zu mir oder zu Dir", musste ich schallend lachen. Weil er in seinem Haus ein separates Gästezimmer hat, einigten wir uns, dass ich nach Hamburg komme. Jeder gestand dem anderen, dass er Schmetterlinge im Bauch hat.

Ernst-Günther:
Am 31.10. war ich schon 20 Minuten vor Ankunft des Zuges am Hauptbahnhof und kaufte eine langstielige rote Rose. Ich hatte Herzklopfen, ich wusste genau, diese Begegnung wird entscheidend für mein weiteres Leben sein. Und dann hatte der Zug auch noch 23 Minuten Verspätung! Doch als sie ausstieg, erkannte ich sie sofort, lief auf sie zu und umarmte sie.

Rosemarie:
Als feststand, dass der Zug ca. 20 Minuten Verspätung hat, wurden meine Knie weich, denn die ganze Fahrt war für mich ohnehin aufregend genug. Jetzt bis zum Augenblick der Begegnung noch länger zu warten, kostete Nerven. Endlich in Hamburg angekommen, erkannte ich Ernst-Günther, wie er mit einer riesenlangen roten Rose auf mich zu kam. Ich schwebte ihn an den Hals und flüsterte: "Geschafft". Damit war die Spannung erst einmal gelöst.

Ernst-Günther:
Wir gingen essen und spazierten anschließend an der Alster entlang zum Rathausmarkt und ins Hanseviertel. Ich wollte hier mit Rosemarie Kaffee trinken, wo ich mit Karin so oft gesessen habe. Als ich ihr das sagte, freute sie sich. Sie meinte, Karin und sie hätten sicherlich Freundinnen sein können.

Rosemarie:
Am nächsten Tag bat ich Ernst-Günther, mit mir zu Karins Grab zu fahren. Ich wollte mich bei ihr mit einem schönen Strauß für ihn bedanken, so wie er es bei seinem ersten Besuch in Dresden am Grab meiner Eltern tun wollte.

Ernst-Günther:
Seit diesem ersten Treffen besuchten wir uns jedes zweite Wochenende abwechselnd in Dresden und Hamburg. Da ich nicht mehr arbeite, konnte ich meist mehrere Tage bei Rosemarie bleiben. Uns kam die Idee, über Silvester nach Prag zu fahren, das ja von Dresden nicht weit entfernt ist.

Rosemarie:
Im Internet fand ich ein Angebot, einige Tage über die Jahreswende in Prag zu verbringen und in der Neujahrsnacht "Die Fledermaus" in der Staatsoper zu sehen. Das gefiel uns beiden gut. Auf der Fahrt nach Prag schlug Ernst-Günther mir vor, dort Ringe zu tauschen. Um 0 Uhr haben wir uns dann in der Oper eine gemeinsame Zukunft versprochen.

Ernst-Günther:
Mit gegenseitigen Besuchen ging unser gemeinsames Leben bis zu Rosemaries Pensionierung Ende August weiter. Gleich danach begannen wir eine dreimonatige Rucksackreise mit Fähren und Bussen über Venedig, Athen, die Kykladen, Kreta, Rhodos, die Dodekanes und die Westtürkei nach Zypern.

Rosemarie:
Am 19. Dezember war dann der große Tag: Im Kreise unserer Kinder und Enkel feierten wir unsere Hochzeit. Von der Hochzeitsreise nach Paris sind wir gerade zurück gekehrt.

Eingereicht von:
fyps

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