Die Weihnachtsreise

Die Weihnachtsreise (Leseliese)

Wieder neigte sich ein Jahr dem Ende zu, es war Anfang Dezember und Dagmar überlegte, wie sie am besten die Weihnachtstage verbringen könnte. Ihr Mann war vor 2 Jahren gestorben. Nun lebte sie allein. Ihre Freundin hatte sie eingeladen: "Komm doch über die Feiertage zu uns, was willst Du allein in Deiner Wohnung machen?" Dagmar hatte abgelehnt. Sie wollte keinem zur Last fallen.
"Ich werde verreisen", überlegte sie. Vielleicht finde ich ein Angebot in der Zeitung oder im Internet. Als sie beide nicht mehr berufstätig waren, hatte Hans ein Notebook gekauft und es eingerichtet. Damals hatte sie sich nicht so viel damit beschäftigt, aber seit dem sie allein war, hatte sie sich mit der Technik vertraut gemacht. Inzwischen mochte Dagmar es nicht mehr missen. Vor einigen Monaten hatte sie sich in einem Seniorenforum im Internet angemeldet und dort schon einige interessante Briefpartner gefunden.

"Ob Beate vielleicht mit mir über Weihnachten verreisen würde? Sie ist auch allein und wohnt im Süden von Berlin. Am besten ich schreibe ihr gleich eine E-Mail und frage, ob sie Lust hat, mitzukommen."
Zwei Tage später hatte Dagmar eine Antwort im Postfach: "Gute Idee, ich komme mit.
wir sollten uns ein Hotel vielleicht im Spreewald aussuchen. Kannst Du die Buchung übernehmen?"
Das tat Dagmar gern. In Burg fand sie ein kleines Hotel, schön, dass man im Internet schon mal in die Zimmer schauen konnte. Für die Feiertage bot das Hotel eine Woche zu einem günstigen Preis mit Vollpension und Weihnachtsmenü an. Schon nach einem Tag bekam Dagmar per E-Mail die Bestätigung der Buchung.
Bisher kannte sie Beate nur durch den Briefwechsel, sie hatten zwar ein Foto ausgetauscht, aber was besagt das schon. "Hoffentlich geht das gut", dachte sie. Aber nun hatte sie sich entschlossen mit Beate zu reisen, darum, frisch gewagt, ist halb gewonnen.

Dagmar wohnt in Berlin. Beate in Mahlow, nach dem sich Dagmar die Route zum Hotel ausgedruckt hatte, informierte sie Beate, dass sie sie abholen würde. Es war kein großer Umweg.
Der 20. Dezember rückte näher und die Anspannung stieg. Ob, sie sich wie in den Briefen gleich verstehen würden?Pünktlich stand Dagmar bei Beate vor der Tür. "Komm rein, begrüßte Beate sie herzlich. Ich habe uns einen Kaffee gekocht, damit Du Dich stärken kannst und wir können uns schon ein bisschen beschnuppern", forderte Beate sie freundlich auf.Dagmar war angenehm überrascht. Sie spürte gleich, dass die Chemie zwischen ihnen stimmte. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Beate sprühte vor Temperament. Eine gepflegte, zierliche Frau mit silbergrauem kurzen Haar.Sie verstauten Beates Taschen in den kleinen VW. Dann nahm Beate die ausgedruckte Route auf den Schoss und so erreichten die beiden nach gut 2 Stunden ihr Ziel.

Das Hotel lag am Stadtrand. Das Zimmer war gemütlich eingerichtet.
"Ich glaube, hier können wir in Ruhe die Feiertage verleben und uns die schöne Umgebung anschauen", bemerkte Beate. "Schade, dass wir jetzt keine Kahnfahrt mehr machen können,"fügte sie noch an.
"Weißt Du, mir war schon etwas mulmig zumute, wir, kennen uns doch nur durch unsere Briefe, aber jetzt ist mir wohler. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen", seufzte Dagmar.
"Mir ging es nicht anders" bestätigte Beate.
"Was machen wir morgen?" Ich schlage vor, wir erkunden unsere Umgebung zu Fuß, was meinst Du", antwortete Dagmar.Nach dem sie gefrühstückt hatten, machten sich die beiden Frauen auf den Weg. Die Birken und Trauerweiden, die an den Ufern der Spreearme standen, reckten ihre kahlen Zweige in den blauen Winterhimmel. Es war kalt, aber die Luft war frisch und klar.Gegen Mittag kehrten sie ins Hotel zurück.
Die Tage bis zum Fest gingen schnell vorüber. Dagmar und Beate waren vom Spreewald begeistert. Die Landschaft gefiel beiden sehr gut.
Am Nachmittag des 24. Dezember gingen beide in die Kirche und sahen sich ein Krippenspiel an. "Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal am Heiligabend in einer Kirche war", bemerkte Dagmar. "Es war doch sehr stimmungsvoll, mir hat es gefallen", erwiderte Beate. Danach bummelten sie über den kleinen Weihnachtsmarkt. Es duftete nach Kindheit, nach Bratäpfeln und gerösteten Mandeln.

"Wie gut, dass wir uns diese Reise gegönnt haben. Wie traurig wäre der Weihnachtstag für uns gewesen, wenn wir allein in unseren Wohnungen gesessen hätten" stellte Dagmar fest.
In guter Stimmung kehrten die beiden Frauen in das Hotel zurück und machten sich für das festliche Abendessen zu Recht.Als sie in den Speisesaal kamen, war die Tafel festlich eingedeckt. In der Ecke stand eine geschmückte Weihnachtstanne und auf den Tischen trugen dicke rote Kerzen zur weihnachtlichen Stimmung bei. An jedem Platz stand eine kleine Schale mit selbst gebackenen Plätzchen. Tischkarten wiesen den Gästen die Plätze zu.
Neben ihnen waren noch zwei Plätze frei. Als schon der 1. Gang des Menüs gereicht wurde, betraten 2 Frauen den Raum und sahen sich suchend um. Dann setzten sie sich neben Dagmar und Beate.
"Beate, die Frau, die neben Dir sitzt, kommt mir bekannt vor, woher kenne ich sie nur??" grübelte Dagmar. Auch die Frau schaute zu Dagmar herüber. "Entschuldigen Sie bitte, ich glaube, ich kenne Sie, bist Du nicht Dagmar Schneider und hast im Gymnasium neben mir die Schulbank gedrückt?" fragte sie. Ja, natürlich, dann bist Du Doris Böhme", rief Dagmar erstaunt aus."Das muss über 50 Jahre her sein. Nach dem Abitur haben wir uns aus den Augen verloren", ergänzte Dagmar. "Na, das ist ja eine Überraschung, eine richtige Weihnachtsüberraschung".

Nach dem Abendessen gab es noch ein Kulturprogramm, ein Kinderchor sang Weihnachtslieder.
Dann setzten sich die vier Frauen in die Bibliothek und bestellten sich eine Flasche Rotwein und Dagmar und Doris tauschten Erinnerungen aus. Sie hatten sich viel zu erzählen, was war in den Jahren nicht alles passiert.
Auch Beate und Eva unterhielten sich und stellten fest, dass sie ein gemeinsames Hobbyhaben, beide lesen sehr viel, besonders gern Biografien. Die Literatur bot reichlich Gesprächsstoff. Es wurde ein unterhaltsamer Abend.

In heiterer Stimmung beschlossen die Frauen, die nächsten beiden Tage, die ihnen noch blieben gemeinsam zu verbringen."Ich schlage vor" sagte Dagmar," wir fahren morgen mal nach Lübben". "Informationsmaterial habe ich mir schon an der Rezeption geholt, ich glaube der Ausflug lohnt sich".

Am Abreisetag bedauerten sie, dass die Zeit so schnell vorübergegangen war und sie beschlossen, sich bald einmal wieder zu treffen. Denn Eva und Doris wohnen in Oranienburg. Das sind keine Entfernungen. Sie tauschten noch die E-Mail-Adressen aus, damit sie sich untereinander schnell verständigen konnten.

"Ist doch toll, dass das heute alles so einfach ist, die moderne Technik macht es möglich",bestätigte Beate.
Tschüss, bis zum nächsten Treffen, dann fuhren sie in den beiden Autos davon.

Ein Text von: Leseliese

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