Aus meinen Lebenserinnerungen

Meine Zwergschule, (mit Fortsetzung)
.....Und dann ging`s zur Schule. Volksschule nannte man die seinerzeit. Und unsere war dazu noch eine sehr kleine, denn alle acht Schuljahre saßen in einem einzigen Klassenraum, auf acht Viererbänken. So um die 32 Kinder zwischen 6 und 14 Jahre hatte der Lehrer also zu unterrichten.
An den Klassenraum kann ich mich noch gut erinnern: vorne ein Lehrerpult, etwas erhöht aufgestellt, Röhrenofen in der Ecke. Daneben stand immer der berüchtigte Rohrstock, der, wenn er bei Gebrauch einmal abgebrochen war, von einem der großen Jungs neu aus dem nahen Wald beschafft werden mußte. Eine fahrbare Doppel-Wandtafel, die man hoch und runter ziehen konnte, und eine einfache Tafel hinter dem Pult an der Wand ergänzten das Mobiliar.
Jeweils vier Bänke an der Seite waren so aufgestellt, daß ein genügend breiter Mittelgang übrig blieb. Hinten stand ein Lehrmittelschrank, dessen Glastür den Blick auf einige einfache Geräte und eine tote Kreuzotter in Spiritus für den Naturkundeunterricht frei gab. Ein weiterer Schrank enthielt alte Hefte und Bücher, wurde aber selten aufgemacht.
Die Fenster lagen zur Schulhofseite hin, so konnte der Lehrer uns auch in den Pausen unbemerkt im Auge behalten. Auf dem Hof war ein Toilettengebäude mit zwei Plumsklos und Pissoir. Stank dort ganz furchtbar. denn Spülung gab es damals noch nicht. Die zugehörige Sammelgrube wurde alle Jahre einmal entleert und der Inhalt auf dem Schulacker verteilt. Der übermäßig große Rhabarber des Lehrers war daher in der ganzen Gegend bekannt! Nicht unerwähnt bleiben sollten noch die Turngeräte: ein vom örtlichen Schmied gebautes Reck und ein Barren, bei dem aber beide Holmen während meiner ganzen Schulzeit nicht vorhanden waren.
Direkt am Schulgelände begann eine große Heide mit angrenzendem Torfmoor, für den Lehrer ein umfangreiches Biotop, das immer mal zu Ausflügen Anlaß gab (vor allem, wenn er mal am Tag vorher einen über den Durst getrunken hatte, kam aber sehr selten vor). Für uns Kinder war das natürlich auch außerhalb der Schulzeit ein herrliches Abenteuergelände, vor allem, als dort während des Krieges große „Pappflugzeuge“ aufgestellt wurden, um den feindlichen Fluggeschwadern einen regulären Militärflugplatz vorzutäuschen.
In dieser Schule sollte ich mich von nun an jeden Tag einfinden. War auch recht interessant. Bis auf den dritten Tag. Da kam nämlich ein Regenschauer, und – bei Regenwetter mußte ich nach Hause! So hatte ich schon vor Jahren Order bekommen und ich war gewillt, mich auch während der Schulzeit daran zu halten. „Wo wullt du denn hin?“ riefen die großen Jungs, als ich bei den ersten Tropfen zu meinem Rad eilte. „Na Huus, dat fang an to regen!“ Wir sprachen ja alle Plattdeutsch damals. Man hielt mich fest, ich fing an zu brüllen, und der Lehrer kam dazu. Nach Anhörung meinte der: „Na, denn kumm du hier man rin inne School, is jo uk`n Huus!“ Und damit war das Problem sauber gelöst.
Daß ich jetzt jeden Tag zur Schule sollte, fand ich gar nicht mal so schlimm, denn dort wurde ja viel interessantes geboten. Und wenn wir mal was nicht verstanden hatten, bediente sich der Lehrer eines besonderen Hilfsmittels. Er war nämlich ein begnadeter Kasperle-Spieler, der ohne große Vorbereitungen sehenswerte Darbietungen hervor zauberte. Wenn es dann mal im Unterricht nicht mehr weiter ging (was von uns natürlich auch mal provoziert wurde!), dann holte er schnell von nebenan aus der Wohnung einige Kasperlpuppen, funktionierte die fahrbare Wandtafel zu einer Kleinbühne um, und dann versuchte eben die Großmutter dem begriffsstutzigen Kasper das Thema zu erklären. Natürlich verstand dieser immer nur Bahnhof, und Großmutter bat uns Kinder dann um Hilfe. Darauf gingen wir selbstverständlich auch gern und vor allem sehr lautstark ein, – und in kürzester Zeit waren sowohl der Kasper als auch wir völlig im Bilde über das, was der Lehrer uns beibringen wollte. Im Nachhinein überlegt war dieses eine sehr wirkungsvolle Methode, die es wert gewesen wäre, ins Pädagogik-Lehrbuch übernommen zu werden.
Überhaupt ist mir bis heute nicht erklärbar, wie ein einzelner Lehrer die acht Schuljahre alle zur gleichen Zeit in nur einem Raum unterrichten konnte. Dabei waren wir keineswegs artige Chorknaben! Er muß ein außergewöhnlicher Meister seines Faches gewesen sein, denn folgendes ist normal wohl kaum denkbar: (siehe Fortsetzung)

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