Wahre Geschichten (2)
Tomate (Fortsetzung)
Nachdem der Tomatensalat gegessen war, fiel mir plötzlich ein, daß ich ja selbst einmal hätte versuchen können, in einem Blumenkasten auf dem Balkon Tomatenpflänzchen zu ziehen und wenn es nur zwei, drei Stauden wären. Ich bedauerte, nicht früher daran gedacht zu haben. Nun muß man aber wissen, daß ich bei der Zubereitung der Salatsoße meinen ganzen Ehrgeiz einsetze, sie so schmackhaft wie möglich zu machen. Das Rezept beinhaltet als Zutaten Balsamico, Senf, Maggi, Öl, Salz, Pfeffer, Knoblauch und Kräuter. Trotzdem fischte ich einige Körnchen aus der Soße und legte sie beiseite.
Im Frühjahr streute ich die Körnchen in einen Blumentopf, deckte sie leicht mit Erde zu, stellte den Topf mitsamt Untersatz auf das Fensterbord in der Küche und besprühte sie regelmäßig. Und hierbei entdeckte ich eine weitere Fähigkeit der profanen Tomate: Sie weckte Gefühle! - Nein, ich denke nicht an die Bezeichnung »Liebesapfel«, aus der man gewisse Schlüsse ziehen könnte. Dazu müßte man wohl auch erst eine Tomate essen aber soweit waren wir noch gar nicht. Die Gefühle, die ich meine, war die Sorgfalt im Umgang mit meinem Blumentopf, der ein Geheimnis (einen Keim) in sich barg. Ich begann mir Sorgen zu machen, ob die Körnchen nicht doch Schaden durch die scharfen Gewürze genommen haben; und wenn sie wirklich keimten, ob später die reifen Früchte bereits diesen würzigen Geschmack in sich trügen. Auf jeden Fall achtete ich sehr darauf, daß die Erde im Blumentopf die richtige Feuchtigkeit hatte, zuviel oder zu wenig Wasser könnten dem werdenden Leben schaden.
Apropos Liebesapfel. Die griechische Mythologie berichtet vom Streit unter den Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite, wer von ihnen die Schönste sei. Da sie sich nicht einig wurden, beschloß man, die Entscheidung dem hübschen Jüngling Paris zu übertragen. Er sollte den goldenen Apfel derjenigen überreichen, die er für die Schönste hielt. Er gab ihn Aphrodite, die Göttin der Liebe. Es ist leider nicht überliefert, ob dieser goldene Apfel vielleicht die Nachbildung eines Liebesapfels, einer Tomate, gewesen ist. Sie hätte es aber gut sein können.
Ich sprach vom Liebesapfel. Daß dieser auch, noch ehe er gekeimt, gewachsen und gereift war, zu einem Zankapfel werden könnte, hätte ich wirklich nicht gedacht. Es begann damit, daß meine liebe Gefährtin mich ob meiner Sorgfalt hänselte und fragte:
Glaubst du wirklich, daß das was wird?
Ich bin zuversichtlich. Warum sollte der Tomaten-Samen nicht keimen, wo die verkohlten Weizenkörner von Pompeji nach mehr als 1900 Jahren noch dazu fähig waren?
Ein anderes Mal bemängelte sie, daß ich die Erde zu wenig wässere, die Körner würden doch vertrocknen. Dann wieder forderte sie, ich solle den Topf an die Seite stellen, es würde ja doch nichts daraus werden. Dabei stellte ich fest, daß die Tomate, wenigstens die rumänische Sorte, offensichtlich imstande war, unterschiedliche Gefühle zu wecken: Bei mir Zuneigung, bei ihr Abneigung. Und seltsam war, je mehr sie gegen die Tomate opponierte, um so stärker wurde meine Zuversicht.
(Fortsetzung Teil 3)
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