und wieder sucht man die Ostereier
Und wieder ist ein Jahr vergangen und ihr bereitet euch darauf vor, bunte Ostereier zu sammeln.
Sonnenschein und frühlingsfrische Temperaturen kommen hier in Spanien der Semana Santa zugute, der Karwoche, die auf ganz eigenwillige Weise gefeiert wird.
Am Passionssonntag war überall die große Prozession der Mater Dolorosa. Der Paseo mit der Mutter Gottes unter dem Kreuz, die ihren Sohn auf dem Schoß hält, wurde durch die Straßen getragen. Es ist immer eine reine Frauenprozession. Alleine die Choreographie des Absetzens und wieder Anhebens des Altars ist sehenswert. Da klopft der Majordomus mit seinem Stab dreimal auf den Boden, alles stoppt. Von der Seite springen Helfer herbei und setzen Stützen an Stelle der Schultern, die Trägerinnen wechseln, wieder ein Klopfen, die Stützen werden entfernt und der Paseo liegt wieder auf den Schultern. Beim Schlag der Trommeln beginnt er, seitwärts zu schaukeln und in Rhythmus und Fahrt zu kommen, und mit Einsetzen der Flöten, Klarinetten und Schalmaien wird der erste Schritt vorwärts getan. Bis zu 100 Schritte schaffen die Frauen, dann steht der nächste Wechsel an. Man kann sich vorstellen, wie lange dann eine bis zu 5 km lange Prozession dauert.
Heute am Karfreitag sind alle Paseos an der Sammelstelle angekommen, von der aus sie zur Abschlussprozession starten, die meist mehrere Stunden dauert. Jeder Paseo steht unter einem Motto, das immer mit der Geschichte im alten Jerusalem zu tun hat, an deren Ende die Kreuzigung stand. Durch Mark und Bein gehen die fanfarenartigen Anrufungen und Fürbitten, die im Stil der andalusischen Zigeunerweisen von den Balkonen der Häuser in den nächtlichen Himmel geschmettert werden.
Und noch eine faszinierende Veranstaltung ist die Schweigeprozession am Gründonnerstag. In der Nacht des letzten Abendmahls, als Jesus am Ölberg verraten wurde, spitzt sich das mystische Element der jedes Jahr neu nachgestellten und nachgelebten Karwoche zu. Ganz normale Bürger werden zu Büßern, beladen sich mit einem Kreuz, laufen barfuß oder nur mit leichten Sandalen bekleidet, eingehüllt in alles verbergende Kutten, eine Laterne in der Hand, durch die nächtlichen mittelalterlichen Straßen der Städte, folgen dem gekreuzigten Jesus auf seinem Paseo. Es ist fast Mitternacht, dunkel, keiner spricht, alles lauscht auf das sich langsam nähernde Geräusch schlurfender Schritte gepaart mit leichtem Stöhnen. Riesengroße Schatten der Büßer und ihrer Paseos geistern im Mondlicht über die Hauswände.
Spanien wäre nicht Spanien, wenn sich anschließend die Lebensfreude in den vielen Bars der Altstädte nicht wieder Bahn brechen würde. Die Semana Santa dient auch dazu, alte Freundschaften zu pflegen vor allem bei den jüngeren Leuten. Es ist Tradition, dass man zur Semana Santa an den Sitz der Familie reist eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen man sich treffen kann mit alten Freunden. Während die Großeltern die Nachkommen hüten, kann es die Jugend in den Bars schon mal bis in den frühen Morgen krachen lassen, und zum Abschluss gibt es Mona mit heißer Schokolade, eine zuckersüßer Hefeplatz mit dickflüssiger Schokolade aus der Tasse die spanische Spezialität schlechthin am Ende einer jeden Feier.
Und immer dort, wo sich Einheimische und Zugereiste treffen, bleibt auch in den Nächten der Karwoche die Politik nicht außen vor. Viel Zündstoff liefert in diesem Jahr die Krise auch der spanischen Regierung. Weltmeisterschaften und Olympiaden auf Pump, hohe Sozialleistungen durch Einbürgerung von südamerikanischen Landarbeitern während der Hochzeit der Agrarsubventionen, Ausbau eines öffentlichen Bildungswesens auf Pump neben dem traditionellen privaten, Ausbau der Vorstädte der Großstädte auf Pump mit Wohnsiedlungen für junge Familien das alles hat eine Staatsverschuldung anwachsen lassen, die kaum noch beherrschbar ist. Und wie überall wehren sich die einfachen Bürger und Steuerzahler gegen ihre Regierung, die ihnen über die Steuer und über Einkommensverzicht die Hauptlast aufbürden will.
Die europaweite Globalisierung seit 2001 mit der Verlagerung von Produktionsstätten in Billiglohnländer ohne Sozialleistungen, die Osterweiterung der EU und der Wegfall der Agrarsubventionen seit 2007 treffen Spanien hart. Die Wirtschaft stagniert. Die Tourismusindustrie kann nicht ausreichend wachsen angesichts weltweiter all-inclusive-Angebote, bei der Touristen essen und trinken wie in Europa, in Ring-durch-die-Nase-Touren nur das zu sehen bekommen, was man zeigen will, aber nicht die Armut, die hinter den Billigangeboten steckt.
Und so diskutieren sie in den Nächten der Karwoche darüber, wieviel Egoismus sich Europas Bürger leisten können angesichts eines gemeinsamen Wirtschaftsraums, und wieviel Solidarität die Mitgliedsländer einfordern können.
In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein unbeschwertes Eiersuchen!
Hallo Marilou,
Eine nach allen Seiten hin erschöpfende Darstellung des Lebens in Spanien. Es regt Aufmerksamkeit und Nachdenken an, eine offen am Tage liegende Wahrheit die gewissermaßen auf dem Präsentierteller dargeboten wird. Eigentlich ist das kein Thema, Solarität was schwerlich zu behandeln ist. Es wäre ein Leichtes, über dem Thema Gerechtigkeit und wäre hilfreich das Thema nicht pauschal, sondern differenzierter zu betrachten. Gehört nicht doch eine gewisse Blindheit des Staates eigentlich dazu?
Pacta sunt servanda. Verträge müssen eingehalten werden.
Dass der Staat als politisches Gebilde notwendig und auch zweckmäßig ist, will ich nicht bestreiten.
Viele Grüsse,
Udo