Mister Lebensfroh

Mister Lebensfroh (Larabella)

Es war ein trüber Tag im November und Wochenanfang, als seine Frau ihn wissen liess, sie müsse bei der wöchentlichen Einkaufstour dabei sein, um selber noch ein paar Sachen auszuwählen: Kaffee, Stärkepulver und Shampo; ist doch sowieso schöner, die Woche gemeinsam zu beginnen, gell. Lebensfroh hatte sich diesen Montagmorgen anders ausgedacht. Etwas Wichtiges wollte er tun; noch wusste er nicht genau was es sein würde, wichtig auf jeden Fall; aber jetzt wird es wieder sein wie immer: langweilig. Er wird natürlich ja sagen, einverstanden sein und den Einkaufswagen so platzieren, dass dieser den Kunden, die wissen was sie kaufen wollen, nicht den Weg versperrt. Wieder wird er sich unnütz vorkommen und gelangweilt sein. Ausserdem wird Frau Lebensfroh, die eine gebürtige Fröhlich ist, ihn wieder merken lassen, wie stressig es sei, in Begleitung eines ungeduldigen Mannes einzukaufen.

Lass es gut sein, wir suchen nicht auch noch nach Sauerkraut, du willst ja jetzt nach Hause. Weil Lebensfroh gar nicht nach Hause will, sagt er: Beim Apfelmus glaub‘, im Gang 5 ist das Sauerkraut. Wir brauchen jetzt kein Apfelmus, erwidert seine Frau; und er denkt: hab‘ ich ja gar nicht gesagt; dabei wäre es gut, Apfelmus im Kühlschrank zu haben, dann könnte sie "Hörnli" mit Apfelmus machen und bräuchte nicht zu sagen, dass sie das kochen könnte – wenn Apfelmus da wäre. Männer denken eben weiter: Apfelmus frisst doch kein Heu im Kühlschrank – und Vorrat sollte sowieso sein; "Hörnli" auch!

Milch und Eier sind jetzt an der Reihe, er schnappt sich eine Schachtel: Aber es hat noch mehr als anderthalb, sagt sie. Er tut so als würde er die Bemerkung nicht hören und lässt die Schachtel sorgsam in den Wagen gleiten. Dabei denkt er: "Eierhörnli", so wie damals, von der Mutter und den eigenen Hühnern. Beide Arme streckt seine Frau nun Richtung Einkaufswagen aus. Natürlich, sie will sich abstützen, ist ja klar: Einkaufen macht müde; aber nein, sie fummelt jetzt am Eierkarton, öffnet ihn sogar: Du musst immer schauen, ob keines gesprungen ist. Er hat noch nie ein gesprungenes Ei im Karton gesehen; aber das teilt er nur sich selber mit, schliesslich hat er ja gewonnen: die Eierschachtel bleibt im Wagen. Frau Lebensfroh will das nicht sehen, sie steuert der nächsten Glastür, der mit der Milch zu. Diesmal will sie von der richtigen, nicht Vollmilch, von der er letztes Mal gebracht hat; aber Lebensfroh ist schneller, er schiebt den Wagen so vor sich und sie hin, dass ihm die Rolle des galanten Helfers zufallen kann. Mit der Linken zieht er die Türe auf, die andere Hand ist bereit zum Zugreifen – noch zögernd, abwartend – und dann kommt, was er erwartet: Nein: von der Richtigen, der "Zweiprozent" und nur eine, ruft Frau Lebensfroh etwas laut und hörbar genervt. Stimmt ja sowieso nicht, denkt ihr Mann; Kühe geben heutzutage fast "Vierprozentige", das wäre die Richtige.

Brauchen wir Joghurt? ruft er ihr jetzt gespielt freundlich hinterher, weil sie weitergegangen ist, um nicht zu sehen, dass er wieder von «seiner» Milch genommen hat – und es doch wusste! Es hat noch gut anderthalb, sagt sie ins Leere. Vanille, oder Erdbeere?, fragt er. Sie antwortet: Zweiprozent, wie bei der Milch! Er wählt ein "Vanille" und ein "Erdbeere"; schon wieder gewonnen, immerhin neutral verteilt; von jedem eines!Erst als sein Einkaufswagen Frau Lebensfroh eingeholt hat und ihre Blicke zwei, statt nur einen Augenblick lang, im Wagen hängen bleiben, überfallen Lebensfroh Schuldgefühle – von wegen Joghurt und der Vierprozentigen.

An der Kasse treffen Lebensfroh-Fröhlichs eine Bekannte. Sie sei schon 5 Jahre Witwe und wäre froh, noch mit ihrem Hans, dem guten, gemeinsam Einkäufe tätigen zu können. Es sei immer so schön gewesen. Geniesst es, solange ihr könnt, sagte sie beim Weggehen.

Ein Text von: Larabella

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