Kurlaub

Kurlaub (hehahorst)

Wir sitzen im Bus nach Marianske Lazne in der Tschechei. Geplant war das nicht. Da sich unser Radurlaub in diesem Jahr nicht verwirklichen ließ, suchten wir einen kurzfristigen Ersatz. Nach etlichen Absagen erklärte sich schließlich ein Busunternehmen bereit, uns mitzunehmen. Marienbad in Böhmen kennen wir noch nicht, fahren wir hin.

In dem modernen Reisebus sitzen nur 20 Leute, eine angenehme Fahrt beginnt. Wir kommen ins Gespräch. Unser fülliger Nachbar auf Sitz 22 erzählt, er fährt schon zum dritten Mal zur Kur. Erstaunt sehen wir ihn an und fragen: " Wie, zur Kur?" "Alle hier verbringen einen Kurlaub in Marienbad, Sie doch auch." "Wir nicht, wir werden mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Böhmen reisen." Nummer 22 gibt nicht auf. "Als Sie diese Fahrt buchten, kauften Sie automatisch 20 Kurmittel dazu, da bin ich sicher". Ich werde unsicher. Am Telefon war keine Rede von einer Kur.

Nachmittags sind wir am Ziel, umgeben von einer Sahnetörtchen-Architektur. Rundherum stehen mächtige stuckverzierte Häuser und pompöse Hotels. In unserem Vier-Sterne-Haus wird uns, zusammen mit dem Zimmerschlüssel, ein Formular überreicht welches wir in unserem Drei-Sterne-Zimmer näher betrachten. Da steht es schwarz auf weiß: Morgen früh Vorstellung beim Arzt mit ausgefülltem Fragebogen. Jeder soll seine Beschwerden ankreuzen. Was nehme ich denn?

Dem Arzt gebe ich ein leeres Blatt und sage, ich sein nur zur Vorbeugung hier. "Aber sicher haben Sie Kopfschmerzen." "Nein, nie, außer ich hab mal zu viel getrunken." Er will unbedingt seine 20 Anwendungen los werden, macht noch einige Vorschläge und schließlich einigen wir uns nach dem Motto, was ich bezahlt habe nehme ich auch. Zum Schluss empfiehlt er noch, ich solle täglich 2 Liter trinken, besonders aus der Rudolf und Karolina-Quelle.

Am Nachmittag führt uns ein junger Mann durch das Bäderviertel. Auf dem Goethe-Platz thront er Höchstselbst vor seiner ehemaligen Unterkunft "der goldenen Traube", dem heutigen Stadtmuseum. Etwas abseits im Wald steht er nochmal, zusammen mit Ulrike, die ihn nicht wollte. Kein Kurbad Böhmens ließ er aus, ob er sich seine Krankheiten auch aussuchen durfte? Die Liste der berühmten Persönlichkeiten, die hier weilten, ist lang.

Der nächste Tag beginnt für mich mit einem Lavatherm-Umschlag und anschließender klassischen Teilmassage, also Rücken. Lauter weiße Bademäntel begeben sich, gebeugt und leidend, ins Kellergeschoß wo sich die Behandlungsräume befinden. Sitz 22 wurde in einen viel zu engen Frotteemantel gezwängt. Gut gelaunt schiebt er seinen Bauch vor sich her, er freut sich aufs Frühstück. Heinz, der normalerweise jeden Arzt meidet, bekommt heute Gas unter die Haut gespritzt. Schon in der Nacht trat ihm der Angstschweiß auf die Stirn. Nun fragt er jeden der Wartenden welche Schmerzen ihn erwarten und wie sich so eine Spritze auswirkt. Keiner weiß es, er bekommt die Erste.

Erwähnenswert ist auch das trockene CO2 Gasbad. Dazu steigt man in einen großen blauen Plastiksack, den sogenannten Heilsack, den mir eine mürrische ältere Dame überreichte. Damit lege ich mich hin und sie bindet ihn oberhalb meiner Taille mit einem Gummiband zu, klemmt einen Schlauch darunter und gibt Gas, im wahrsten Sinne des Wortes. Das Gas aus der Marienquelle lässt den Sack zum Ballon werden. Obenauf liegt eine Decke und das alles verbessert die Durchblutung. Dann warte ich auf die Befreiung denn die 30 Minuten sind längst um. Das Gas entweicht allmählich, die Decke rutscht und der feuchte Plastiksack klebt an meinen Beinen. Bäder und Elektrotherapie gehören auch noch zum Programm.

Täglich finden in den Kolonaden Sinfoniekonzerte statt. Wir flanieren mit unserem gesunden Getränk in der Hand durch die wunderschönen ausgedehnten Parks, betrachten die uralten Bäumen und füllen unser Trinkgefäß an der Ferdinand-, Alexandra- oder Waldquelle auf.

Zur Abfahrt treffen wir unsere Reisegesellschaft wieder. Sitz 22 meint lachend: " Ziel erreicht, drei Kilo zugenommen".

Ein Text von: hehahorst

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