Gute Nachbarschaft

In unserer großen Senioren-Wohnanlage sind mir eigentlich nur wenige Nachbarn namentlich bekannt. Die meisten kenne ich nur vom Sehen her. Und trotzdem bin ich doch mit vielen schon ins Gespräch gekommen, ganz einfach weil es die Situation ergab - ein Vorkommnis in der Anlage, der Einzug neuer Mieter, ein Sterbefall oder bloß die Launen des Wetters.

Da ist zum Beispiel Frau Kaiser, die ich fast jeden Morgen treffe, wenn ich meine kleine Hündin Kitty ausführe.

Gestern Morgen traf ich sie auf meinem Weg zum Einkaufsmarkt. Gemächlich schob sie mit ihrem Gehwägelchen und dem wohlgenährten Dackel ihre Runde. Der Hund ist viel zu fett, aber sie winkt ernsthaft ab: "Nein, nein, der muss so sein, das ist so eine dicke Rasse. Der ist doch aus Amerika." Das ist das Nette an Frau Kaiser, sie liefert mir immer einen Grund zum Schmunzeln.

Gestern rief sie nun schon von weitem: "Haben Sie schon gelesen – heute in der Zeitung die Todesanzeige? Das muss ein ganz Prominenter sein. Und stellen sie sich vor, der wird am Montag auf dem Friedhof in der Nordstraße beerdigt, hier ganz in der Nähe. Muss dann ja wohl am Montag allerhand was los sein auf'm Friedhof. Bin mal gespannt. Der Friedhof wird bestimmt brechendvoll werden. - Kommen Sie auch dahin, Frau Müller?"
"Wohin?" frage ich. "Na, auf den Friedhof", antwortet sie. Ich schüttele den Kopf: "Zu der Beerdigung? Nein, da gehe ich nicht hin, ich kenne die Familie doch gar nicht."
"Nein, nicht zu der Beerdigung", sagt sie, "ich meine, wenn Sie tot sind – kommen sie dann auch dahin?" "Ja natürlich", sage ich verdattert, "mein Mann liegt doch auch da."
"Ach wie schön", freut sich Frau Kaiser, "ich komm da auch hin. Dann sind wir ja wieder Nachbarn.........!" Und freudig lächelnd schlurft sie weiter.

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