Gestern Nacht 9

Ich stehe in einem engen, dunklen, voll gedrängten Gang hoch über der Kathedrale, die düster, dennoch festlich wirkt. Ich trage das Gewand eines katholischen Priesters, aber auf dem Kopf habe ich einen Kranz aus frischen bunten Sommerblumen, aus Korn, Margaritten, Nelken usw., wie man ihn einst auf dem Lande zur farbenfrohen Trachten trug. Die Kontrolleure am Ende des Ganges fragen nach meinem Namen, finden ihn auf einer Liste, lassen mich passieren, ich lande auf einem hohen, herrlich ausgeleuchteten Balkon über dem Kirchenschiff, ein italienischer Aufpasser sagt, ich habe die Nummer 40.
Ich lehne mich an die Balustrade, sehe eine „Etage“ tiefer eine Amateur-Blaskapelle und Schulkinder-Gruppen aufmarschieren. Die Kirchenhalle unter uns wirkt leer, aber vor allem dunkel, während es hier oben voller Licht und Glanz ist.
Eine sehr kultivierte Engländerin (?) neben mir meint aufgeregt: Da kommt er! und rennt weg.
Schnitt.
Unten kommt der Papst an, und zwar in einem flachen, roten, langen Dreirad sitzend – um das Ding in Bewegung zu setzen, muss man tüchtig mit den Beinen strampeln. Er trägt Weiß, steigt mit Hilfe anderer aus dem Auto und geht zu einer kleinen Höhle, die mich an die Grotte Christi in der Grabenkirche in Jerusalem erinnert. Natürlich muss er sich bücken, um drin verschwinden zu können.
Oben bei uns fangen in dem Augenblick alle an zu spielen und zu singen – ein absurder Lärm, ich will weg, aber ein italienischer Carabinieri lässt mich nicht raus: Erst einmal müssen alle fotografiert werden.
Da steht auch schon die Engländerin und fotografiert mich...Ich frage mich, ob man uns von unten, aus den Gebetsbänken sehen und hören kann, weiß aber, dass es nicht der Fall ist, und finde es irgendwie lustig und zu gleiche schade, unsichtbar zu sein. Mein Blumenkranz ist ja so wunderbar...

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