Gedichte für einen FRÜHLINGSTAG**

FRÜHLINGSLIEBE*

Die Lerche sang- die Sonne schien,
Es färbte sich die Wiese grün,
Und braungeschwollne Keime
Verschönten Büsch`und Bäume:
Da pflückt ich am bedornten See
Zum Strauß ihr, unter spätem Schnee,
Blau, rot und weißen Güldenklee.
Das Mägdlein nahm des Busens Zier,
Und nickte freundlich Dank dafür.

Nur einzeln blühten noch im Hain
die Buchen und die jungen Main;
Und Kresse wankt `in hellen
Umblümten Wiesenquellen:
Auf kühlem Moose , weich und prall,
Am Buchbaum horchten wir den Schall
Des Quelles und der Nachtigall.
Sie pflückte Moos , wo wir geruht,
Und kränzte sich den Schäferhut.

Wir gingen athmend, Arm in Arm,
Am Frühlingsabend, still und warm,
Im Schatten grüner Schlehen
und Veilchen zu erspähen:
Roth schien der Himmel und das Meer;
Auf einmal, strahlte groß und hehr,
Der liebe volle Mond daher.
Das Mägdlein stand und ging und stand,
Und drückte sprachlos mir die Hand.

Rothwangig, leichtgekleidet saß
Sie neben mir auf Klee und Gras,
Wo ringsum helle Blüten
Der Apfelbäume glühten:
Ich schwieg; das Zittern meiner Hand,
Und mein bethränter Blick gestand
Dem Mägdlein, was mein Herz empfand.
Sie schwieg und aller Wonn`Erguß
Durchströmt uns beid`in einem Kuß.`

Von Johann Heinrich Voß ( 1751 - 1826 )

eure waldfe68*

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