Erinnerungen an ein langes Leben

Die Gegenwart ist Not, die Zukunft ist Hoffnung, aber die Schönheit des Lebens liegt in der Vergangenheit.
Diese Worte habe ich einmal als 20 Jähriger, in einem Brief an eine Freundin, gebraucht. Damals noch nicht ahnend, dass sie mit dem älter werden immer zutreffender werden.
Das ist auch der Grund warum die Menschen, wenn sie älter werden, soviel von „Früher" reden.
Früher war es natürlich nicht besser, aber vieles war heimischer und geselliger als heute, zumindest in der Erinnerung.
Viele verneinen dies, lassen sich aber trotzdem in ihre supermodern eingerichteten und beheizten Wohnungen einen offenen Kamin einbauen, damit er ihnen die fehlende psychische Wärme vorgaukelt.
Erinnerungen sind der unteilbare Besitz eines jeden Menschen.
Geschehnisse, von vielen Zeitgenossen gleich erlebt, werden in der Erinnerung tausendfach differenziert.
Erinnerung an Geschehenes, das ständig neu geschieht und doch nicht wiederkehrt.
Erinnerungen an die erste große Liebe oder an den ersten Liebesschmerz. Erinnerungen an Freunde und Freundschaften, die einem einmal alles bedeuteten. Man trug sie im Herzen und glaubte: „Für immer und ewig". In der Erinnerung aber fragt man sich: „Wo sind sie geblieben?"
Doch alle Wege trennen sich einmal und es driftet alles auseinander, wie ein Stück Holz im Ozean, zwar vorhanden, aber unerreichbar.
Rückblickend erinnere ich mich an Dinge, die zur Zeit des Geschehens völlig unbedeutend waren, aber in meiner Erinnerung fest wie Meilensteine sitzen, und ich weiß trotzdem nicht: „Warum?"
Viele Wege bin ich gegangen, aber nur wenige, sei es aus sozialen oder regionalen Gründen, konnte ich frei wählen, die meisten wurden mir aufgezwungen.
Immer mehr Menschen wollen heute ihren Kindern und Enkeln ihre Lebensgeschichte und Erfahrungen hinterlassen, denn nicht nur Prominente oder solche die glauben es zu sein, hatten eine Jugend und Vergangenheit.
Aus meinem eigenem Erleben und dem Bewusstsein heraus, dass jedes Leben einmalig und spannend ist, begann ich meine Erinnerungen aufzuschreiben. Auch wenn das Ergebnis nicht im Buchhandel landet und auf keinen Bestsellerlisten zu finden sein wird. Jede Lebensgeschichte ist es aber wert, aufgeschrieben zu werden.
Ich schreibe für die, die mich kennen, für die Kinder, Freunde, Verwandte und für Enkel und Urenkel, die irgendwann nicht mehr die Gelegenheit haben werden, mich selbst danach zu fragen.
Es sind keine Klatsch- und Tratschgeschichten, sondern Erinnerungen an meine Jugend, meine Familie, den Krieg und mein Leben.
Ich will versuchen Erinnerungen an vergangene Tage aufzuschreiben. Nicht nur Erlebtes, sondern auch Gelesenes und Gehörtes, aus Erzählungen und Überlieferungen. Das, was hängen geblieben ist und mir noch heute oftmals durch den Kopf geht, aber heute oft anders bewertet wird, als zur Zeit des Geschehens.
Die Erinnerungen sind zwar subjektiv und haben sich mit der Zeit verändert. Manches verklärt sich und vieles Unschöne verdrängt man, aber in der Erinnerung an das Erlebte, spiegelt sich doch die persönliche Deutung eines jeden Lebens wider und gibt eine diffuse Antwort auf die ewige Frage: „Was ist das Leben?"
Ich bin über achtzig und vielleicht der irrigen Meinung meine Nachkommen würden sich einmal dafür interessieren.
Sie können mich loben, belächeln oder auch tadeln, ich werde es ertragen.

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Kommentare

  1. Hallo Eden,

    habe gerade mal auf Deiner Homepage gestöbert.
    Du hast es ja schon aufgeschrieben Dein Leben.

    Auch ich schreibe an unserer Familiengeschichte in der Hoffnung, dass meine Tochter und Enkel sie eines Tages nicht nur lesen, sondern auch weiter schreiben werden.
    Meine Großeltern, Eltern, Tanten niemand lebt mehr. Dabei hätte ich doch noch so viele Fragen!
    Also ich denke schon, dass es etwas Großartiges wäre, hätte ich heute eine so genannte „Familienbibel“ in der ich das Leben und das Denken meiner Vorfahren nachlesen könnte.
    Mir ist es leider nicht vergönnt. Also beginne ich mit dem ersten Schritt, in der Hoffnung, dass mein „Werk“ von den nachfolgenden Generationen gelesen und fortgesetzt wird.
    Ein frommer Wunsch?

  2. Guten Abend, Eden, beim Stöbern durch das Forum kam ich auf Ihren Lebensbericht, den ich mit viel Interesse gelesen habe, er schließt vieles ein, was auch ich denke und empfinde. Auch hinter mir liegt ein langes Leben mit Höhen und Tiefen, Freude und Leid und jetzt, im Alter, auch Traurigkeit. Traurigkeit über den Verlust lieber Menschen, Versäumtes und getanes Unrecht, das nicht mehr zu korrigieren ist, und auch darüber, daß die Schönheiten des Lebens, die immer noch geblieben sind, bald ein Ende haben werden. Für mich liegt die Schönheit des Lebens nicht nur in der Vergangenheit, es bleibt doch auch im Alter etwas davon erhalten, wenn man sie sehen will: Die Schönheit der Natur die Musik - die mir viel bedeutet - und das bißchen Miteinander, das noch geblieben ist. Das muß man wahrnehmen, wenn man nicht in der Einsamkeit versinken will. "Erinnerungen an ein langes Leben", wie gesagt, ich habe sie mit viel Interesse gelesen und festgestellt, daß es viele Übereinstimmungen gibt.
    Auch ich habe über mein Leben intern berichtet, aber es ist schwierig. Man muß immer bei der Wahrheit des Geschehens und das Denkens bleiben. Kann man das wirklich? Ich habe es versucht, ob es gelungen ist, müssen später meine Söhne entscheiden.
    Zum Schluß: Kein Lob, kein Tadel, kein Lächeln - ANERKENNUNG!
    Eisblume

  3. Hallo Eden,
    ich war gerührt und dachte bei mir, welch wahre Worte!
    Du hast mir wie aus der Seele gesprochen. Ich denke immer meine Kinder und Enkel interessieren sich nicht für meine Kindheit die Flucht vor den Russen und Polen usw.
    Doch auch ich weis das alles Geschichte ist und trotzdem in meinen Träumen bin ich oft noch in Schlesien und erlebe mein verrücktes, wildes Wesen in Spielen mit meinen Cousins. Und eine gewisse Traurigkeit bemächtigt mich am Morgen, wenn ich mich daran erinnere wo ich wieder in der Nacht war.
    Fast alles ist die Wirklichkeit, wie du deine Gedanken dar gelegt hast. In manches ist man so hinein gestolpert und musste dafür oft Leiden.
    Doch wie sagt man: "Was einen Menschen nicht um wirft, macht ihn stark."
    Eigentlich dachte ich immer es sind die Heimatwurzeln nach den man sich immer sehnt, oder die man nicht vergisst.
    Auch die Jahre in der DDR möchte ich nicht alles vergessen, es waren auch schöne Dinge dabei. Der Sport, damit verbunden die vielen Reisen durch das Land. Vieles habe ich gesehen und erlebt, was mich sicher auch geprägt hat und für vieles die Augen geöffnet hat. Vor allen sind meine Kinder immer mein größter Schatz gewesen und so ist es heute noch.

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