...drei Freunde...

Ein Mann hatte drei Freunde. Zwei derselben liebte er sehr, der dritte war ihm gleichgültig, ob dieser es gleich am redlichsten mit ihm meinte.

Einst war er vor Gericht gefordert, wo er unschuldig, aber hart verklagt war.

Wer unter euch, sprach er, will mit mir gehen und für mich zeugen? Denn ich bin hart verklagt worden, und der König zürnet.

Der erste seiner Freunde entschuldigte sich sogleich, dass er nicht mit ihm gehen könne wegen anderer Geschäfte. Der zweite begleitete ihn bis zur Tür des Richthauses, da wandte er sich und ging zurück, aus Furcht vor dem zornigen Richter.

Der dritte, auf den er am wenigsten gebaut hatte, ging hinein, redete für ihn und zeugte von seiner Unschuld so freudig, dass der Richter ihn losließ und beschenkte.

Drei Freunde hat auch der Mensch in dieser Welt; wie betragen sie sich in der Stunde des Todes, wenn ihn Gott vor Gericht fordert?

Das Geld, sein bester Freund, verlässt ihn zuerst und geht nicht mit ihm.

Seine Verwandten und Freunde begleiten ihn bis zur Türe des Grabes und kehren wieder in ihre Häuser.

Der Dritte, den er im Leben oft am meisten vergaß, sind seine wohltätigen Werke.

Sie allein begleiten ihn bis zum Throne des Richters; sie gehen voran, sprechen für ihn und finden Barmherzigkeit und Gnade.

Johann Gottfried Herder

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