Erinnerungen an ein langes Leben

6. Juni 2009 in Weblogs

Die Gegenwart ist Not, die Zukunft ist Hoffnung, aber die Schönheit des Lebens liegt in der Vergangenheit.
Diese Worte habe ich einmal als 20 Jähriger, in einem Brief an eine Freundin, gebraucht. Damals noch nicht ahnend, dass sie mit dem älter werden immer zutreffender werden.
Das ist auch der Grund warum die Menschen, wenn sie älter werden, soviel von „Früher" reden.
Früher war es natürlich nicht besser, aber vieles war heimischer und geselliger als heute, zumindest in der Erinnerung.
Viele verneinen dies, lassen sich aber trotzdem in ihre supermodern eingerichteten und beheizten Wohnungen einen offenen Kamin einbauen, damit er ihnen die fehlende psychische Wärme vorgaukelt.
Erinnerungen sind der unteilbare Besitz eines jeden Menschen.
Geschehnisse, von vielen Zeitgenossen gleich erlebt, werden in der Erinnerung tausendfach differenziert.
Erinnerung an Geschehenes, das ständig neu geschieht und doch nicht wiederkehrt.
Erinnerungen an die erste große Liebe oder an den ersten Liebesschmerz. Erinnerungen an Freunde und Freundschaften, die einem einmal alles bedeuteten. Man trug sie im Herzen und glaubte: „Für immer und ewig". In der Erinnerung aber fragt man sich: „Wo sind sie geblieben?"
Doch alle Wege trennen sich einmal und es driftet alles auseinander, wie ein Stück Holz im Ozean, zwar vorhanden, aber unerreichbar.
Rückblickend erinnere ich mich an Dinge, die zur Zeit des Geschehens völlig unbedeutend waren, aber in meiner Erinnerung fest wie Meilensteine sitzen, und ich weiß trotzdem nicht: „Warum?"
Viele Wege bin ich gegangen, aber nur wenige, sei es aus sozialen oder regionalen Gründen, konnte ich frei wählen, die meisten wurden mir aufgezwungen.
Immer mehr Menschen wollen heute ihren Kindern und Enkeln ihre Lebensgeschichte und Erfahrungen hinterlassen, denn nicht nur Prominente oder solche die glauben es zu sein, hatten eine Jugend und Vergangenheit.
Aus meinem eigenem Erleben und dem Bewusstsein heraus, dass jedes Leben einmalig und spannend ist, begann ich meine Erinnerungen aufzuschreiben. Auch wenn das Ergebnis nicht im Buchhandel landet und auf keinen Bestsellerlisten zu finden sein wird. Jede Lebensgeschichte ist es aber wert, aufgeschrieben zu werden.
Ich schreibe für die, die mich kennen, für die Kinder, Freunde, Verwandte und für Enkel und Urenkel, die irgendwann nicht mehr die Gelegenheit haben werden, mich selbst danach zu fragen.
Es sind keine Klatsch- und Tratschgeschichten, sondern Erinnerungen an meine Jugend, meine Familie, den Krieg und mein Leben.
Ich will versuchen Erinnerungen an vergangene Tage aufzuschreiben. Nicht nur Erlebtes, sondern auch Gelesenes und Gehörtes, aus Erzählungen und Überlieferungen. Das, was hängen geblieben ist und mir noch heute oftmals durch den Kopf geht, aber heute oft anders bewertet wird, als zur Zeit des Geschehens.
Die Erinnerungen sind zwar subjektiv und haben sich mit der Zeit verändert. Manches verklärt sich und vieles Unschöne verdrängt man, aber in der Erinnerung an das Erlebte, spiegelt sich doch die persönliche Deutung eines jeden Lebens wider und gibt eine diffuse Antwort auf die ewige Frage: „Was ist das Leben?"
Ich bin über achtzig und vielleicht der irrigen Meinung meine Nachkommen würden sich einmal dafür interessieren.
Sie können mich loben, belächeln oder auch tadeln, ich werde es ertragen.