Wie aus Fridolin Blacky wurde

Wie aus Fridolin Blacky wurde (RockyP)

Ein Leben ohne Hunde soll ja rein theoretisch möglich sein, auch ich habe es immer mal wieder versucht, doch gelungen ist es mir nie. Neben meinen weißen Hirtenhunden, den „ odhalanern“, teilten im Laufe der Zeit auch andere Hunderassen das Miteinander mit meiner Familie, ich denke, sie haben sich alle bei mir wohlgefühlt.

So hat wohl jeder Tierfreund im Laufe seines Lebens tolle und schöne Erlebnisse mit dem besten Freund des Menschen gesammelt, die für ihn immer unvergessen bleiben. So ist auch meine Erinnerung an den kleinen schwarzen Wirbelwind noch gegenwärtig, welcher unverhofft in mein Leben trat.

Für den Welpen war es von Anfang an klar, hier bin ich und hier bleib ich, denn hier gefällt es mir! Von Anfang an hat dieser kleine Rüde versucht, mit seiner Intelligenz und seiner akrobatischen Fähigkeit, eindeutige Akzente zu setzen. Und er hat es auch immer wieder geschafft, mich zu überraschen.

Als Welpe war Fridolin ein Mitbringsel der Schwiegereltern, aus dem Fundus "Tiere in Not". Man hatte den kleinen Hund bei einer Wohnungsauflösung von Mietnomaden einfach ohne genügend Futter und Wasser alleine in der Wohnung zurückgelassen. Eine Mutmaßung, wo mit sich dieser kleine Kerl in der Zeit bis zur Auffindung beschäftigt hat, um überleben zu können, haben wir erst später herausgefunden.

Dieser Welpe war ein kleines flauschiges Fellbündel mit gelockten schwarzen Haaren und langen Hängeohren. Laut Aussage des Tierheimes sollte die Mutter eine mittelgroße Pudeldame sein und der Vater aus dem Geschlecht Senfhund, in dem so im Laufe der Zeit einige Hunderassen ihren Senf beigetragen hatten. Doch bevor ich das Glück hatte Fridolin kennenzulernen, hatten die Kinder den Kleinen schon in Blacky umgetauft, da der Name durch die tiefschwarze Fellfarbe vorprogrammiert war.

Nun suchte dieser kleine Welpe ein neues Zuhause, mit der Hoffnung, es bei uns gefunden zu haben. Meine Kinder waren total begeistert und hatten sich mit dem wuscheligen Fellknäuel schon total angefreundet, denn sie wollten ihn natürlich behalten. Nun musste nur noch ich, von der sehr wichtigen Anschaffung eines Wachhundes überzeugt werden, denn so wurde ich aufgeklärt: Ein neu erbautes Haus brauchte unbedingt ein Wachhund.

Um seine Fähigkeiten als Bewacher unter Beweis zu stellen, hatte man ihm ein erstes Dressurstück beigebracht; er musste aufpassen, ob sich hinter dem bodentiefen Terrassenfenster etwas Fremdes bewegte, was dort nicht hingehörte. Sobald er Aufmerksamkeit zeigte, gab es ein Leckerchen. Da es unter Umständen lange dauern konnte, bis sich auf der Terrasse etwas Fremdes zeigte, wurden kurzer Hand Nachbars Kinder angeheuert, um dort Randale zu machen.

Der Kleine hatte seine Aufgabe schnell begriffen und die Leckerchen neigten sich dem Ende zu. Nachbars Kids erregten nach kurzer Zeit durch Lärm und übertriebenen Tumult den Unmut meiner Schwiegereltern. Und nachdem sie im Garten einige neu gepflanzte Stauden und Blumen geplättet und eingeebnet hatten, wurde der Test mit einer Tüte Süßigkeiten beendet.

Bei meinem Eintreffen im Wohnzimmer freute sich Blacky erst mal wie Bolle und begrüßte mich wie einen alten Bekannten. Gut – freundlich und lieb war er ja, aber ein Wachhund? Doch mit meinem Veto und den Hinweis auf seine Größe stieß ich auf erheblichen Widerspruch der Kinder. »Du kommst ja auch durch eine andere Tür und nicht über die Terrasse, das haben wir nicht geübt,« wurde ich von meiner Tochter belehrt, dabei kullerten ihr schon dicke Tränen über ihre Wange.

Gut, das Argument mit der Tür war logisch und wie sollte ich tränenden Kinderaugen widerstehen. Und genau zur Bestätigung von Töchterchen Tinas Aussage, fetzte dieses kleine Schlitzohr in Richtung Fensterfront los, obwohl dort nichts zu sehen war, bellte er kurz und kam schwanzwedelnd zurück um seine Belohnung abzuholen.

Dumm war der Zwerg ja nicht, er hatte auf jeden Fall in kurzer Zeit gelernt, wie man auf sehr einfache Weise zu einem Leckerchen gelangt. Ein richtig kleines Schlitzohr.

Am nächsten Morgen, beim ersten Gassigehen, kam ich dem Geheimnis seiner Beschäftigung in der Messie-Wohnung einen Schritt näher. Da er beim Laufen seine Nase nur auf dem Boden bzw. in die Grasnarbe steckte und dort nach diversen ausgespuckten Kaugummis suchte. Bis zu diesem Tag war mir nie bewusst, wie viele von den Dingern achtlos entsorgt wurden.

Am Sonntag, in der folgenden Woche, stand ein Städtebesuch in Köln an, mit dem Ziel etwas zur Prägung des Welpen beizusteuern. Dazu gehörte, unseren Blacky auch für längere Autofahrten zu begeistern, weil es mit einem längeren Gassigang verbunden war.

Gleichzeitig wurde er dadurch mit dem Lärmpegel einer Großstadt konfrontiert, er lernte andere Hunde kennen, was wiederum seine Sozialisierung zu den Vierbeinern förderte. Und genau das, war eigentlich die Grundidee zum Großstadtbesuch, aber meistens kommt es anders als gedacht.

Der Straßenlärm in Köln war ja noch okay, aber alles andere nicht. Auf dem Weg zum Kölner Dom haperte es schon mit Blackys Leinenführung, aber auf der Domplatte hörte sie ganz auf. Das ganze Pflaster war mit festgetretenen Kaugummis total versiegelt. Unser Blacky drehte völlig ab, mit so vielen Leckerchen zu seinen Pfoten, das war Neuland für ihn.

Es war unmöglich den Kleinen an der Leine zu führen, denn seine Aufmerksamkeit galt nur den festgetretenen Gummis. Für ihn war es wohl das Paradies auf Erden. Laufen war out, ab sofort versuchte er mit seinen Zähnen, die weißen leckeren Kaugummireste von der Pflasterung zu lösen, und aufzufressen.

Für mich war es ein fürchterlicher Anblick, so auf der Stelle rumzustehen und dem Hund bei der Reinigung des Pflasters zuzusehen. Also auf den Arm mit dem Zwerg und ihn durch Köln getragen. An sich lag es nicht Sinn der Sache meinen Hund zu tragen, doch in diesem Fall war es die einfachste Lösung der Fortbewegung.

Na ja, Streicheleinheiten von Passanten gab es in dieser Position reichlich, da man sich nicht bücken brauchte, um ihn zu streicheln. Doch zur Sozialisierung mit fremden Hunden hat es leider nicht beigetragen, die waren aus seiner Sichtperspektive immer tief unter ihm. Wer etwas Positives bei diesem Ausflug gelernt hat, das waren wir Zweibeiner. Denn eins war uns sofort klar, seine Sucht nach Kaugummi musste geändert werden, doch diese Prozedur war sehr mühevoll und hat sehr lange gedauert.

Eine weitere Marotte zeichnete unseren Pudelmix aus und das war seine Abneigung gegen Wasser. So Schlechtwetterperioden mochte er gar nicht. Ganz allgemein gilt der Pudel ja als wasserscheu und unser Schatz bestätigte das in jeglicher Form. Egal ob Wasserpfützen oder feuchtes Gras, für unseren Blacky bedeutete es, betreten verboten, die Fußballen mussten trocken bleiben.

Im Haus sprang er sogar über feuchte Aufnehmer, jegliche Berührung mit dem nassen Element war für ihn der reinste Horror und tabu. Und wurde er beim Gassigehen mal mit nassen Rasen konfrontiert, lief er, um seine Notdurft zu entrichten, zur akrobatischen Hochform auf. Es wurde ein zirkusreifer Stand auf beiden Vorderpfoten hingelegt. In dieser Position balancierte er locker ein bis zwei Meter zum Lösungsort ohne die Balance zu verlieren; um dann gezielt nur die Stelle zu berieseln, welche er sich ausgesucht hatte. Lustig anzusehen war das allemal.

Ganz demonstrativ zeigte er seine Aversion gegen Nässe bei Regenwetter. Die Familie war sich einig, dass er ohne Blickkontakt um zig Zimmerecken wusste, ob es draußen regnete oder die Sonne schien. Selbst Lockrufe konnten ihn bei schlechtem Wetter nicht bewegen den Garten zu betreten, er blieb seelenruhig in seinem Körbchen liegen, auf freiwilliger Basis war er nicht bereit auch nur eine Pfote vor die Tür zu setzen. So dringend konnte keine Notdurft sein, um nicht noch eine Warteschleife einzulegen, bis das Umfeld wieder erträglich und abgetrocknet war.

Heikel wurde es immer, wenn wir selbst bei Regenwetter weg mussten und Blacky nicht alleine zu Hause bleiben sollte; in solchen Fällen ließ er sich auch gerne tragen, das heißt: Tragen war ein Muss.

Eigenartigerweise liebte er dagegen den weißen Schnee, vielleicht war es der Farbkontrast, der ihn anlockte. Bei seiner ersten Begegnung mit der weißen Pracht ist er direkt aus dem Auto in eine hohe Schneeverwehung gesprungen und war in den Massen verschwunden. Frauchen geriet total in Panik, unser Hund war weg. Ohne groß zu überlegen, sprang sie hinterher und steckte dann selbst bewegungslos bis zur Hüfte in der Schneewehe fest.Jetzt musste ich eine mühevolle Rettungsaktion starten und erst mal Frauchen befreien. Bei Blacky zahlte sich seine schwarze Fellfarbe im Schnee aus, er war als kleiner dunkler Punk zu erkennen, so konnte ich bei der Rettungsaktion sicher sein, ihn nicht zu verletzen. Es hat mich einigen Aufwand gekostet, beide dort auszubuddeln.

Blacky muss die Rettungsaktion wohl Spaß gemacht haben, denn kaum saß er trocken abgerubbelt im Auto auf seiner Decke, sprang er erneut in den Schneehaufen. Doch diesmal hat er sich selbst befreit.

Manchmal neigte er auch zu total krasser Übertreibung. Von der Tiefgarage führte eine lange steile Steintreppe mit über fünfzig Stufen zum Haus. Und im Winter wurden diese wegen Glättegefahr mit Hagelsalz abgestreut. Um Blackys kleine Fußballen vor den Salzkörnern und Schneematsch zu schonen, wurde er kurzerhand von mir auf den Arm genommen und über die Treppenanlage nach oben geschleppt. Das fand er total cool und praktisch, endlich hatte er seinen eigenen Treppenlift und brauchte die olle Treppe mit eigener Kraft nicht mehr erklimmen.

Tage später war der Schnee verschwunden, die Treppenstufen abgetrocknet und die Sonne lachte voll vom Himmel. Und wie das so ist im Leben, die schönen Dinge werden immer besonders gut abgespeichert; so auch bei meinem Hund. Auf dem Heimweg konnte er plötzlich nicht mehr laufen und legte demonstrativ an der untersten Stufe vor der großen Außentreppe ein Stopp ein, er wollte weiterhin über die Stufen nach oben getragen werden. So Herrchen, da stehe ich, bis hier hin und nicht weiter, bitte tragen.

Was soll ich sagen: Ich habe erst mal meinen Kopf geschüttelt und musste ihn an diesem Tag regelrecht mit der Leine über die Treppenstufen nach oben ziehen.

Diese kleinen Marotten von Blacky waren an sich immer willkommene Einlagen, welche den sonst so tristen Hundealltag stets etwas auflockerten und ihm eine besondere Note gaben, langweilig wurden die Spaziergänge mit ihm nie. Aber besonders in Wald und Flur konnten seine Eskapaden gewaltig meine Nerven strapazieren, wahrscheinlich machten sich hier die vielen gemischten Gene seines Vaters bemerkbar. Man hatte urplötzlich einen ganz anderen Hund an der Leine, dessen Nase nur noch vom Jagdtrieb gesteuert wurde.

Blacky in freier Wildbahn abzuleinen, den Fehler habe ich einmal gemacht und es bitter bereut, danach war ich stinksauer auf meine eigene Dummheit. Ich kannte meinen Hund und hätte es besser wissen müssen was passiert, wenn ich ihn ohne Leine freilaufend führte. Und besonders peinlich empfand ich es in meiner damaligen Situation, weil just an diesem Tag dort andere Hundeführer zugegen waren und mit wohlgemeinten, nach ihrer Ansicht guten Ratschlägen zur Hundeerziehung nicht sparten. Es war von Schleppleine, Klicker und einem Teletakt die Rede.

Teletakt ist so eine Art Hundehalsband, welches als Erziehungshilfe gedacht ist. Durch einen Sender werden vom Hundehalter bei dem Tier impulsartige Stromschläge ausgelöst, so ungefähr wie beim Weidezaun. Und welches Geschöpf ist schon erpicht auf solch eine Behandlung.

Nur an einen Campingstuhl für mein Hinterteil und ein kühles Getränk für meinen Gaumen hat keiner gedacht und das hätte ich dringend für die lange, nicht eingeplante Wartezeit gebraucht, welche jetzt anstand.

Natürlich war ich froh, dass einerseits nach einer Stunde mein Blacky als ein dunkler Punkt am Horizont wieder auftauchte, doch anderseits auch stark frustriert; so eine ungewollte Zwangspause voller Ungewissheit, macht einfach keinen Spaß und zerrt an den Nerven.

Doch an diesem Tag habe ich aus meinem Fehler gelernt. Einen Campingstuhl habe ich mir allerdings nie mitgenommen, doch es blieb die Erkenntnis: Beim nächsten Mal bin ich schlauer, da bleibt Blacky an der kurzen Hundeleine.

So sammelt der Hundehalter beim Zusammenleben mit dem besten Freund des Menschen einiges an Erfahrungswerten. Hat immer einen guten Freund an der Seite, der stets zu einem hält und seinen Menschen so akzeptiert, wie er ist.

Ein Text von: RockyP

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