Werners Geschichten
Die Glühbirne
Ein modernes Märchen
Es war einmal
So fingen früher alle Märchen an. Aber die Zeiten haben sich geändert, die Zeit der Romantik ist dahin - schade. Aber ich will von Anfang an erzählen.
Als vor vielen Jahren ein gewisser Herr Edison durch die Erfindung der Glühbirne Licht in die Dunkelheit brachte, was später Herr Osram technisch verfeinerte, freuten sich beide, denn sie hatten etwas Großes geschaffen. Die Menschheit dankte es ihnen danach durch regen Gebrauch. Doch Herr Edison und Herr Osram konnten im Traum nicht ahnen, was später übereifrige Bürokraten in Unkenntnis physikalischer Zusammenhänge mit ihrer Erfindung anstellen. Sie wären sicher an Lachen gestorben, wenn der Himmel sie nicht schon vorher abberufen hätte.
In der Europa-Stadt Brüssel beschäftigen sich viele Beamte mit mehr oder weniger wichtigen Dingen. Außer ihrer augenschein- lichen Hauptaufgabe, das eigene Salär zu erhöhen, weisen sie mit Eifer und viel Geschwafel ihre Existenzberechtigung oft auf sehr kuriose Weise nach. Und dabei versuchen sie sogar, sich gegen-seitig zu übertrumpfen. Manche Ungereimtheit um es gelinde auszudrücken kommt dabei heraus. Einer der bisher markan- testen Beschlüsse war die Festlegung des Krümmungsgrades von Gurken. Das ist grausame Realität.
Doch zurück zur Glühbirne. Mit ihr war es nun möglich geworden, erst am Abend die Zeitung zu lesen und die kostbare Tageszeit mit Arbeit zu füllen. Den kleinen Störfaktor, sich beim Wechseln einer ausgebrannten Glühbirne regelmäßig die Finger zu verbren- nen, nahm man als gegeben hin. Der kluge Herr Osram verringerte dieses Problem, indem er die Haltbarkeit des Glühfadens verbes- serte und dadurch den Wechselzyklus verlängerte wenn auch die Hitze blieb. Die fortschreitende Zeit brachte außer mancher Veränderung auch neue Denker hervor, gute und weniger gute. Die Guten versuchten, bestehende Strukturen zu verbessern, auch bei der Beleuchtung, zum Beispiel an Leuchtstoffröhren, LED-Birnchen, aber auch an die so genannte Stromsparbirne. Letztere verbrauchen weniger Energie und sollen viel länger halten. Daß sie wesentlich teurer sind und zudem giftige Stoffe enthalten, nimmt man hin. Die weniger guten Grübler entdeckten neben manch anderer Unsinnigkeit auch die Klimaerwärmung durch Menschenhand. Doch Klimawechsel vollzieht sich schon seit vielen Tausenden von Jahren, schon als es die angeblich verursachenden Menschen noch gar nicht gab. Diese Neunmal- klugen ergingen sich darin, daß durch eine heiße Glühbirne die Polkappen noch schneller abschmelzen könnten. Daraufhin kam Bewegung in die europäische Bürokratie und nach vielem Gerede gelangten sie zu der Überzeugung: Glühlampen müssen verboten werden! Und genau das taten sie. Nach und nach wurde die Herstellung erst der größeren, später der kleineren Energie- verschwender eingestellt, der Verkauf verboten und die Leute mußten die neuen unförmigen und giftigen Stromsparbirnen teuer kaufen.
Es stellte sich aber bald heraus, daß sich auch in diesem Fall die Aussagen der Verantwortlichen von den tatsächlichen Gegeben- heiten stark unterscheiden. Die störende Anlaufzeit nach dem Einschalten bis zur vollen Leuchtkraft, die jedoch die angegebe- ne Intensität nicht erreicht, nimmt man noch hin. Daß aber die Haltbarkeit der teuren Dinger bei weitem nicht der versprochenen Dauer entspricht, trifft die Menschen hart nämlich am Geld- beutel. Man sann auf Abhilfe und hatte eine gute Idee.
Gesetze, wenn sie ordentlich geschaffen werden, sind ein gutes Fundament einer Gesellschaft. Es kommt auf jedes Wort an, manchmal sogar auf die richtige Reihenfolge der Worte. Deshalb ist auch in diesem speziellen Gesetz nicht das Wort Erzeugnis enthalten, sondern Glühbirne. Das ist eine bestimmte und unangreifbare Festlegung. Doch die Deutschen waren einmal ein Volk der Denker und Dichter. Ein kleines Häuflein von Denkern, die die gute alte Glühbirne sehr vermissen, haben gründlich nachge- dacht und kamen zu dem Ergebnis: Wenn es schon nicht möglich ist, ein Gesetz zu ändern oder zu umgehen, dann braucht man doch nur das Wort ändern und schon wird das Erzeugnis von diesem Gesetz nicht mehr erfaßt. Bis wieder ein neues Gesetz geschaffen und ein Verbot erlassen wird, vergeht viel Zeit und da fällt ihnen sicher noch etwas ein. Also gingen sie zu den ehemaligen Herstellern von Glühbirnen und ließen die verbotenen Erzeugnisse wieder produzieren. Nur ein kleines, besonderes Kennzeichen wurde eingebrannt. Der Verpackungshersteller aber erhielten den Auftrag, statt Glühbirne nunmehr Klein-Heizgerät aufzudrucken. Herstellung und Verkauf war überhaupt kein Problem, Gesetze brauchten nicht umgangen zu werden. Die alten neuen Erzeugnisse wurden in die dafür gedachten Vorrichtungen eingeschraubt und die Zimmer beheizt wenn auch nur in den Abendstunden. Das Abfallprodukt Licht nimmt man nun gelassen in kauf.
Und wenn sie nicht gestorben wären, lachten sie heute noch.
Grandios! Ist das eine Erfindung von dir?