Seniorentag im Golfclub

Donnerstag. Dieser Tag gehört den Senioren, die auch heute wieder, in großer Zahl, auf dem Platz erschienen sind, um sich in einem Turnier zu messen.
Als ich gegen 10 Uhr meinen Wagen auf dem Parkplatz abstelle, sehe ich meine Golf Freunde eifrig damit beschäftigt, ihre Bags auf den Trollies zu platzieren und sich die Golfschuhe zuzubinden. An diesem warmen Spätsommertag tragen die meisten karierte Bermudas, und obwohl die meisten der anwesenden Clubmitglieder schon weit über 60 Jahre alt sind, bewegen sie sich ziemlich forsch.

Im Clubhaus treffe ich die beiden Herren, mit denen ich zusammen in einem Flight eingeteilt bin. Mit Harry verstehe ich mich ganz ausgezeichnet. Theo ist etwas ruhiger und versucht manchmal zu mogeln. Eine Tatsache die mich eher amüsiert, als ärgert. In der Vorfreude auf einen erfolgreichen und schönen Tag, ziehen wir mit unseren Trollies zum ersten Abschlag und beginnen die Runde.

In gemächlichem Tempo wandern wir über das Fairway, freuen uns über jeden gelungenen Abschlag, ziehen an blühenden Blumenrabatten vorüber und an Wasserläufen, in denen Enten schwimmen. Bald erreichen wir die Obstwiese mit den hübschen Apfelbäumchen.
Immer die Fahne im Auge, versuchen wir die gut gepflegten Greens zu erreichen. Das Putten erweist sich oft als schwierig. Während ein Mitspieler die Fahne hält, versuchen die anderen das Kunststück, den viel zu großen Ball, in dem viel zu kleinen Loch zu versenken. Beruhigend zu wissen, dass auch der widerspenstigste Ball irgendwann in jedes der 18 Löcher plumpst.
Nach den ersten 9 Loch kehren wir zu einer kurzen Frühstückspause im Clubhaus ein. Wie immer sind auch heute die Brötchen fertig gerichtet. Der Kaffee ist heiß, er muntert uns auf. Nach einem Besuch im Waschraum ziehen wir schon bald weiter.

Das Loch 10 ist die pure Herausforderung. Hier muss man über einen See schlagen und es passiert immer wieder, dass die Bälle darin versinken.
Heute klappt es, wir laufen über eine Brücke, überqueren die Zufahrtsstraße, um den nächsten Abschlag zu erreichen. Die kleine Gruppe von Spielern vor uns hat gebummelt. Wir müssen warten. Endlich geht es weiter. Über weichen, kurz geschnittenen Rasen wandern wir einen sanft abfallenden Hang hinunter.
Angeregt durch den Kaffee und das herrliche Wetter, macht sich bald eine ausgelassene Stimmung breit. Jeder Ball, der in einem Hindernis landet, löst Gelächter aus.
Am späten Nachmittag erreichen wir Loch 17. Ein nicht ganz einfaches Loch, zumal heute ein leichter Seitenwind von rechts nach links bläst und hinter dem Loch ein großer Sandbunker lauert. Harry schlägt seinen Ball auch flink hinein und braucht mindestens drei Schläge, um ihn endlich sicher auf das Green zu setzen.

Viel zu lange verweilen wir an diesem Loch. Der nachfolgende Flight rückt uns bedenklich nahe auf die Fersen. Am nächsten Abschlag schlägt Theo seinen hoch aufgeteeten Ball mitten ins Rough. Zu dritt machen wir uns auf die Suche. Weit von hinten höre ich den Warnruf FORE , drehe mich um und sehe einen kleinen weißen Ball auf uns zuschießen. Wir ziehen die Köpfe ein und gehen in die Hocke. Ein heftiger Schlag an meinem Kopf löst den Schmerz aus, der mein Rückgrat hinunter schießt. Alles dreht sich im Kreis. Ich fühle, wie ich falle, dann wird es dunkel um mich herum.

Ich schlage die Augen auf und blicke in besorgte Gesichter, die sich über mich beugen. Mein Kopf schmerzt. Ich liege auf dem Rasen, versuche zu begreifen was passiert ist. Eine kleine Menschenansammlung hat sich um mich herum gebildet. Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich nackte Beine in karierten Bermudas. Ich liege auf dem Golfplatz, das weiß ich jetzt.

" Bleib ganz ruhig liegen, Amelie, der Krankenwagen muss gleich hier sein."

Fritz drückt mir einen nassen Lappen auf den Kopf und versucht mich zu beruhigen. Mir ist übel, ich habe das dringende Bedürfnis, mich zu übergeben. Zwei Sanitäter eilen herbei, knien sich neben mich auf den Boden und betrachten meinen Kopf.
"Sie haben Glück gehabt " sagt der eine. "Einen Zentimeter weiter und ihre Schläfe wäre getroffen", teilt er mir sachlich mit.
Ich würge meinen Brechreiz hinunter. Mit tiefen Atemzügen versuche ich mich selbst zu beruhigen. Als er meinen Kopf anhebe, um die Wunde versorgen zu lassen, fällt mein Blick auf Lore, die einem Nervenzusammenbruch nahe zu sein scheint. Zwei meiner Golf Freunde versuchen sie zu trösten. Aus dem Nebel tauchen Bilder in meiner Erinnerung auf. Ich sehe den Golfball durch die Luft schießen. Da wird mir klar, wem ich das Malheur zu verdanken habe.

Vierzehn Tage später bin ich schon wieder fit und ziehe meinen Caddy übers Fairway. Lore habe ich längst verziehen. Die Flasche Champagner, die sie mir schenkte, tranken wir gemeinsam.

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