"Das Paradies der Damen"

Letzte Nacht - kein Traum.
Daher also, als Ersatz, ein kleiner Bericht über ein Buch, das ich soeben zu Ende gelesen habe:

„Das Paradies der Damen“ von Emile Zola (1840-1902) ist für mich eine echte Entdeckung. Irgendwie mochte ich ihn nicht, vielleicht weil er – nach der Schullektüre – in meinem Gedächtnis mit seinem dramatischen Polit-Engagement (die Dreyfus-Affäre) und den beiden sozial-kritischen Schinken „Germinal“ und „Der Bauch von Paris“ hängen geblieben ist. Sein linker Naturalismus war mir zu gewollt, zu manipulativ.
Und nun „Das Paradies...“ – ein Roman über Shopping, Marketing-Strategien und Konsum-Paläste, total aktuell und köstlich sentimental. Denke ich an die Abertausende von deutschen Haushalten, die Privatinsolvenz anmelden müssen, da sie ihre Kaufsucht in die Pleite trieb, kann ich nur sagen: Zola hatte es vor mehr als 150 Jahren vorhergesehen. Außerdem: käme ein Unternehmen auf die Idee, dieses Buch seinen Verkaufs-Azubis als Pflichtlektüre anzupreisen, könnte es sicherlich Einiges an Gehältern für das Lehrpersonal sparen.

Spielort: Paris, Mitte des 19. Jahrhunderts.
Die Story ist einfach: Zwei arme Waisen aus der Provinz – die 20-jährige Denise und ihr kleiner Bruder - suchen Schutz bei ihrem Pariser Onkel, der jedoch selbst genug Sorgen um sein Auskommen hat.
Schauplatz: ein großes Pariser Warenhaus, das wächst und alle kleinen Ladengeschäfte in der Nachbarschaft verschlingt, weil der Inhaber Octave Mouret, Herrscher über Scharen von Verkäuferinnen, die Kauflust der Frauen anzapft und manipuliert, so das die Damen unter „Konsumzwang, ohne Bedürfnisse“ kaufen. Er entdeckt die Bedeutung von Werbung, Lockangeboten, Schaufenstern, imponierenden Ambiente – eben all das, was heute selbstverständlich ist.
Denis, hübsch und tugendhaft, wird Verkäuferin im „Paradies“, Mouret versucht, auch sie in Versuchung zu führen, das arme Fräulein bleibt standhaft, doch ein Happy End ist unvermeidlich: sie heiraten.

Ein Paar Zitate, als „Lockangebote“ zum Selber-Lesen:
„Die Warenhäuser ... fingen die Frau in der ewigen Falle ihrer Gelegenheitseinkäufe, nachdem sie sie durch ihre Schaustellungen betäubt haben. Sie erwecken in ihrem Fleische ganz neue Begierden, sie bildeten ein ungeheuere Versuchung, in der sie ihrem Verhängnis unterliegen musste, indem sie zunächst als gute Hausfrau kleinen Einkäufen stattgab, dann aber von Gefallsucht übermannt und schließlich völlig verzehrt wurde ... Mouret versuchte ohne Unterlaß stärkere Verführungsmittel auszudenken; aber hinter ihrem Rücken war, sobald er ihr die Taschen ausgeleert und ihre Nerven zerrüttet hatte. Voll heimlicher Missachtung für sie, wie jeder Mann, sobald seine Geliebte die Dummheit begangen hat, sich ihm hinzugeben.“

„Mouret einzige Leidenschaft war die Überwindung der Frau. Sie sollte die Königin seines Hauses sein, er errichtet ihr diesen Tempel, um sie durch ihn in seine Gewalt zu bekommen...Daher zerbrach er sich Tag und Nacht den Kopf auf der Suche nach neuen Erfindungen. Er hatte bereits, um zarten Damen die Mühe des Treppensteigens zu ersparen, zwei mit Samt ausgeschlagene Aufzüge einrichten lassen. Dann war er darauf verfallen, einen großen Erfrischungsraum zu eröffnen, wo Saft und Wasser sowie Zwieback umsonst verabreicht wurden, fernen einen Lesesaal, einen prachtvollen Durchgang, der mit übertriebene Aufwand eingerichtet war und in dem er sogar Gemäldeausstellungen plante. Aber sein tiefster Gedanke war der. In den nicht gefallsüchtigen Frauen die Mutter durch das Kind zu überwinden... Die Hauptrolle seines Erfolges lag in der öffentlichen Werbung. Mouret ging so vor, dass er im Jahr hunderttausend Francs für Preislisten, Ankündigungen und Maueranschläge ausgab, darunter fünfzigtausend im Ausland, in alle möglichen Sprachen übersetzt. Jetzt ließ er sie mit gestochenen Abbildungen versehen, legte ihnen sogar auf einzelnen aufgeklebte Proben bei...er kam auf den Gedanken von Rückgaben, ein Meisterstück jesuitischer Verführungskunst...Er vertrat den Grundsatz, die Frau habe keine Widerstandskraft gegen eine gute Werbung, ein Verhängnis zwinge sie, jedem Lärm schließlich nachzulaufen....
Und sämtliche anwesenden Damen waren seiner Meinung. Das war´s ja gerade, sie befanden sich dort (=in seinem Kaufhaus) wie auf einem Damenfest, sie fühlten sich beständig umschmeichelt und geliebkost, eine Anbetung hing in der Luft, die auch die aufrichtigsten fesseln musste.“

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