Krankenversicherungskarte

Krankenversicherungskarte (RockyP)

ch weiß nicht, wem das Folgende so wie mir schon passiert ist? Es gibt gewisse personenbezogene Dokumente, welche nicht jeden Tag gebraucht werden. Aber wenn sie gebraucht werden, dann sollte man sich wenigstens erinnern, wo sie abgeblieben sind, sonst steht echt ein Malheur ins Haus, was man schnell ändern muss, denn ohne Ausweispapiere geht heute nichts mehr.

An sich bin ich kein Mensch der das Wartezimmer beim Hausarzt aus lauter Langweile füllt; es muss schon ein triftiger Grund für einen Besuch vorliegen. So wie dieser: denn laut Unterlagen der Arztpraxis wurde mir nahegelegt, mich doch mal wieder einem Gesundheitscheck bei Frau Doktor zu unterziehen.

»Wie sieht es aus mit morgen 8.00 Uhr, nüchtern, ohne Frühstück und Kaffee«, war die Ansage am Telefon von der Arztpraxis. Na toll – wahrscheinlich will man bei mir Blut abzapfen. Das ist zwar nicht so schön, aber ich werde wohl auch diese Tortur überstehen, wenn ich morgen früh zeitig meinem Federkissen entfliehen kann. Ohne Kaffee als Muntermacher sehe am frühen Morgen nicht so gut aus und werde wohl wie im Somnambulismus durch die Gegend wandeln.

Nur so zur Sicherheit wollte ich mal nach meiner Krankenversicherungskarte schauen, weil ich sie schon lange nicht mehr in der Hand gehabt hatte. Denn ohne diese Krankenkarte läuft heutzutage gar nichts mehr. Morgen kann ich sie so schön in die oberste Tasche meines Freizeithemdes deponieren und brauche die dicke Geldbörse nicht in der Hosentasche mitzuschleppen. Gedacht – getan – doch dann fing das Dilemma für mich an!

Nachdem ich die Börse auf den Tisch gelegt hatte, um nach dem wichtigen Dokument zu schauen, fielen mir wieder die zahlreich gesammelten Kunden- und Visitenkarten diverser Geschäfte auf, welche sich mit der Zeit ansammeln. Diese musste ich unbedingt mal sichten und aussortieren. Einige davon waren bestimmt überflüssig und polsterten nur das Volumen der Geldbörse auf und mindern damit den Tragekomfort.

Jetzt hatte ich aber eh keine Lust dazu, mal sehen, wie es morgen aussah. Im Moment brauchte ich nur meine Krankenkarte. Ein Blick ins betreffende Steckfach vom Portemonnaie war schockierend, gähnende Leere. Vielleicht ist sie in ein anderes Fach geraten – keine Panik. Mit spitzen Fingern wollte ich sie aus dem nächsten Fach zupfen. Dort waren alle möglichen Dinge deponiert, aber nicht was ich suchte.

Selbst nach akribischer Durchsuchung der gesamten Geldbörse blieb sie verschwunden. Langsam glaubte ich, mich laust der Affe, genau das hat mir heute noch zu meinem Glück gefehlt. Ich werde fahrig und zappelig, das olle Ding muss doch irgendwo zu finden sein. War es aber nicht. Wo ist das verflixte Teil geblieben und wann habe ich sie zuletzt gebraucht? Das waren alles Fragen, auf denen ich mir im Moment keinen Reim machen konnte.

Dann kam die Überlegung, wo und wann habe ich die Karte zuletzt gebraucht? Gute Frage. Aber warum war sie nicht in meinem Portemonnaie? Sie kann sich doch nicht so mir nichts in Luft auflösen.

Wer jetzt folgendes liest, der denkt, der Typ hat einen an der Klatsche. Denn ich habe nochmals alle möglichen Ecken der Wohnung und meine Garderobe zigmal abgesucht. Dann endlich stinksauer die Suche in der Wäschekollektion abgebrochen.

Womöglich hat die heimtückische Waschmaschine mal wieder zugeschlagen und sie gefressen oder geschreddert. Ich weiß nicht wie sie es macht, aber sie hat so eine Macke. Mit meinen Socken geht sie auch nicht zimperlich um. Egal wie viel gleiche Paare ich dort einfüge, es kommt fast immer eine ungerade Anzahl wieder zum Vorschein. Es ist allerneuste Technik, Made in China. Und wahrscheinlich haben die Chinesen da so einen kleinen Maschinisten eingeschleust, der meine Socken geil findet und sich öfter mal einzelne einverleibt.

Jetzt will ich es wissen, eventuell erwische ich den kleinen Komiker ja mal? Neugierig meinen Kopf in die Waschtrommel gesteckt und geguckt, vielleicht finde ich wenigstens noch Reste der Plastikkarte? Nein, weder ein Maschinist, noch einzelne Teile Plastik, oder verschluckte Socken sind zu sehen. Doch eine zündende Idee kam mir noch bei Betrachtung der leeren Wäschetrommel mit ihren vielen Löchern!

Und dieser Geistesblitz bezog sich auf meinen Industriestaubsauger, ein total gefräßiges Ungeheuer mit großem Appetit, der alles ohne Hemmungen verschluckt, was im Weg liegt. Habe den Inhalt ausgeschüttet, alles durchwühlt, viel Staub geschluckt aber nichts gefunden. Weg ist weg und bleibt auch weg. Mich trifft es hart, womit habe ich das verdient?Für heute habe ich fertig – ich bin total am Ende.

Das menschliche Gehirn ist komplexes Organ und zumindest bei mir taten sich am anderen Morgen einige Erinnerungslücken auf. Vor einem Monat habe ich meinen neuen Personalausweis zu den restlichen Ausweispapieren hinzugefügt und die Fächer neu sortiert, könnte da eventuell? Doch wo habe ich das gemacht? Das kann nur im Ferienhaus gewesen sein; muss dort sowieso mal wieder nach dem Rechten schauen, also auf zum Frühsport.

Die 25 Kilometer hin und wieder zurück, um mir Gewissheit zu verschaffen, waren für heute unumgänglich. Man sagt: Ordnung ist das halbe Leben. Aber, das heißt auch: Wer ordentlich ist, ist nur zu faul zum Suchen. Das Letzte betraf jetzt mich, doch da musste ich durch. Hunde ins Auto und zur Fahrt zum Ferienhaus im Auenwald gestartet. Meine Vierbeiner freuten sich natürlich wie Bolle, denn eine Autofahrt zum Ferienhaus ist für sie mit viel Freilauf ohne Leine verbunden.

Meine Freude hielt sich vor Ort allerdings in Grenzen, da auch dort, trotz intensiver Suche, die Krankenkarte verschwunden blieb.Das hilft alles nichts, morgen früh musste ich ohne dieses Dokument zum Arzt. An der Rezeption meinen Verlust vorgetragen. Verlegt, verloren keine Ahnung, war mein Spruch, denn ich wusste ja wirklich nicht, wo sie abgeblieben war. »Ist nicht so schlimm«, war die Antwort, »sie waren ja dieses Quartal schon hier.«

Also rein ins volle Wartezimmer und mir die Piepser der Smartphones angehört. Sechs von acht Personen waren mit ihren Handys am daddeln. Man glaubt es kaum, was diese Dingern, in einem an sich ruhigen Raum, für einen Krach machen. Es hatte so den Anschein, als würden die Handys miteinander kommunizieren, frei nach dem Motto: künstliche Intelligenz. Wir piepsen und plaudern, wann und wo wir wollen. Uns kann keiner!

Nach einer halben Stunde wurde ich zumindest von den Hörqualen im Wartezimmer erlöst. Eine Arzthelferin erlöste mich vor einem bevorstehendem Tinnitus. Nach einem Piks der Kanüle wurde ich für heute entlassen und konnte den restlichen Tag genießen.

Doch so richtig Freude konnte ich dem Tag noch nicht abgewinnen, mich wurmte immer noch der Verlust meiner Krankenkarte. Wie bekam ich eine neue Karte und an wen konnte ich mich wenden?

Über 65 Jahre bei der Innungskrankenkasse in NRW versichert und habe die letzten fünfzehn Jahre vor der Rente sogar dort als Angestellter gearbeitet und trotzdem weiß ich nicht, in welcher IKK ich momentan versichert bin. In der ersten Zeit bekam ich vom Arbeitgeber zumindest noch Grüße zu besonderen Anlässen, doch nach meinem Umzug ins andere Bundesland, schlief alles ein.

Danach bot mir die Kasse innerhalb von NRW einen Standortwechsel an, um mir eine bessere Versorgung in Kassennähe zu gewährleisten. Eine Stadt wurde vorgeschlagen, welche immer noch 95 Kilometer von meinem jetzigen Wohnort entfernt ist, dem habe ich widersprochen. In einer fremden Stadt aufzuschlagen, in welcher ich niemanden kenne, kam mir nicht in den Sinn, dann lieber bei Bedarf die alte Heimat ansteuern, um dort gleichzeitig Freunde besuchen zu können.

In der Folgezeit, begrüßten mich immer wieder fremde Städte in NRW, zu meiner neuen Mitgliedschaft. Man hat mich wie eine Schachfigur hin und hergeschoben. Meine Anrufe in endlosen Warteschleifen führten zu keinem Ergebnis. Fakt ist schließlich, dass ich momentan nicht weiß, in welcher Stadt von NRW ich wirklich versichert bin.

Bei allen Fragen wenden sie sich an den Arzt oder Apotheker. Genau das werde ich machen, denn mittlerweile habe ich mein Portemonnaie erneut gecheckt und die Krankenversicherungskarte sprang mir förmlich entgegen. Kein Ton ihrerseits einer Entschuldigung und wieso und warum sie sich so lange vor mir versteckt hat. Aber ich bin nicht nachtragend und habe ihr verziehen.

In der Arztpraxis haben sie ein Kartenlesegerät. Vielleicht erfahre ich so, wo ich versichert bin. Ich denke, nach 65 Jahren Kassenzugehörigkeit, ist das mein gutes Recht.

Ein Text von: RockyP

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