Kleines Wunder

Kleines Wunder (Asthar)

Wie so oft, saß ich mal wieder an meinem PC. Kontrollierte zum x ten mal meinen neuen und ersten Roman um eventuell noch einige kleine Änderungen einfließen zu lassen. Es war zwar nur ein Kurzroman, doch ich war mit meinem Erstlingswerk eigentlich recht zufrieden.

Bei einer kurzen schöpferischen Pause, ich hatte mir gerade einen Cappuccino gemacht, da wurde ich plötzlich durch ein lautes Gezwitscher, das draußen von der Wiese vor meinem Fenster her kam, aufmerksam, bzw. aus meiner Ruhe gebracht.
Ich sah durch das nahegelegenes Fenster nicht allzu weit weg von mir, wie eine Elster auf eine junge Amsel einhackte. Die kleine Amsel hatte so gut wie keine Chance sich gegen die große ausgewachsene Elster zu wehren.
Es war wohl nur eine Frage der Zeit, wann die kleine Amsel ihr kurzes Dasein wahrscheinlich aushauchte. Ich überlegte also nicht lange, sprang vom Stuhl auf und rannte aus der Terrassentür nach draußen auf die Wiese. Die Elster, die ja im Grunde sehr scheue Vögel sind, ließ sofort ab von der Amsel und flog schimpfend davon. Die kleine Amsel auf der Seite liegend flatterte einwenig mit einem Flügel und versuchte aufzustehen.
Der andere Flügel schien irgendwie verletzt zu sein. Außerdem sah ich Blutspuren an ihrem Gefieder, sie musste also von den Schnabelhieben der Elster verletzt worden sein. Es gelang ihr einfach nicht sich aufzurichten, von wegfliegen, erst gar nicht zu reden. Ich ging vorsichtig auf sie zu, bückte mich, und hob sie behutsam auf. Ihre Gegenwehr war nicht allzu groß, aber ich spürte in meinen Händen wie aufgeregt ihr kleines Herz pochte und ihr kleiner Körper vor Angst vibrierte. Ich nahm sie mit zu meiner Terrasse und legte sie behutsam in einen Drahtkäfig in dem die ganze Zeit ein kleines Kaninchen von meiner Tochter gewesen war. Das Kaninchen hatte vor ein paar Tagen wohl aus Altersgründen das Zeitliche gesegnet und ich hatte den Käfig noch nicht in den Keller gebracht. Jetzt kam mir dieser Käfig gerade recht.
Als ich die Amsel im Käfig losließ, versuchte sie noch mal vergeblich mit leichtem Flügelschlag sich aufzurichten, was ihr aber nicht gelang.

Ich ließ sie nun aber erst einmal in Ruhe. Ging wieder ins Wohnzimmer und schaute von meinem Schreibtisch durchs Fenster, um zu sehen was sie wohl macht. Sie saß leicht zusammengekauert in einer Käfigecke und verhielt sich aber ruhig. Inzwischen hatte ich mir über das Internet eine Adresse von einer Tierarztpraxis herausgesucht. Wir hatten bei uns im Ort nichts dergleichen und so fand ich ca. 15 km weiter weg eine entsprechende Adresse.
Ich griff erst gar nicht zum Hörer, sondern machte mich direkt auf den Weg zur Tierpraxis. Ich dachte, wenn du erst einmal da bist, dann nehmen sie dich auch irgendwann dran. Außerdem, war es meiner Meinung nach ja auch ein Notfall. Ich nahm eine Stoffeinkaufstasche, packte noch ein Handtuch dazu und ging zum Käfig. Machte in langsam auf und griff behutsam nach der Amsel. Da sie immer noch in der Ecke saß, brauchte ich mit einer größeren Gegenwehr nicht zu rechnen. Ich packte sie also vorsichtig und verfrachtete sie in meiner Einkaufstasche, Dann ging ich zum Auto, wo ich die Tasche mit meinem Inhalt an einen Griff hing der üblicher Weise für Kleidungsstücke gedacht war.
Ich hoffte, dass das gut gehen würde und fuhr los. An der Tierarztpraxis ohne Zwischenfälle, in bezug auf meine Fracht, angekommen, stand ich jetzt bei der Anmeldung. Ich erklärte der Dame kurz was mein Begehr war und wartete auf eine Antwort. Sie sagte: "Hm, da muss ich aber erst mal mit unserem Arzt sprechen, was der zu der Geschichte meint, und dann sehen wir weiter".
Sie verschwand darauf hin im Behandlungsraum, war aber relativ schnell wieder da. Sie sagte: "Wenn der Herr Doktor mit seiner jetzigen Behandlung fertig ist, können sie sofort zu ihm. Dies dauerte dann auch nicht mehr allzu lange und der Arzt kam und sagte ich solle im folgen. Ich erklärte ihm kurz noch einmal, was ich auch seiner Sprechstundengehilfin bereits gesagt hatte. Er nickte leicht mit dem Kopf und konnte sich allerdings ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Er sagte dann: "na, lassen sie mich mal sehen wie es dem Patient geht". Ich hatte inzwischen meine Tasche auf dem Behandlungstisch abgestellt und machte sie dann vorsichtig auf. Der Arzt griff beherzt zu und nahm die kleine Amsel in beide Hände. Sie versuchte sich mehr oder weniger zu wehren hatte aber keine Chance. Der Arzt sagte: "Am besten gebe ich ihr eine leichte Beruhigungsspritze damit ich sie besser untersuchen kann". Ich hielt sie dann fest während er ihr eine Spritze gab. Nachdem das geschehen war, schaute er nach einer kurzen Pause sich die Amsel genauer an. Dabei stellte er fest, dass es einige blutende Stellen gab die wohl vom spitzen Schnabel der Elster herrührten.
Außerdem, schien wie ich es schon geahnt hatte, der eine Flügel etwas abbekommen zu haben. Der Arzt meinte aber: "es sieht nicht danach aus, das der Flügel gebrochen ist, auch die Wunden sind nicht ganz so schlimm wie sie vielleicht im ersten Moment aussehen. Ich werde die Wunden desinfizieren und eine Salbe darauf schmieren. Mehr kann ich im Moment einfach nicht tun. Wenn sie Glück haben, wird sie sich wieder erholen, nur, draußen aussetzen würde ich sie derzeit noch nicht. Das könnte nämlich ihr Tot sein. Am wichtigsten überhaupt wird sein, dass sie in ihrem Drahtgitterkasten, also in Gefangenschaft, etwas frisst. Das wird wahrscheinlich ein Problem werden, aber sie müssen es einfach probieren.

Nach einem großen Dankeschön verabschiedete ich mich vom Arzt und fuhr wieder mit meinem Patienten nach Hause. Nahm den immer noch etwas benommenen Vogel und steckte ihn wieder in den Drahtverhau. Ich hatte schon die ganze Fahrt darüber nachgedacht, wie ich das wohl mit dem zu fressen geben anstelle. Aber, ich hatte inzwischen eine Idee!
Ich buddelte im Garten einige Regenwürmer aus, packte diese mit etwas Erde in einen Blumentopfuntersetzer und stellte ihn mit einem weiteren Untersetzer mit etwas Wasser gefüllt, in den Käfig. Und wartete dann ab ob das auch klappt. Ich entfernte mich vom Käfig weg und beobachtete das Ganze noch eine Weile vom Fenster aus. Ich hoffte nun, dass meine Rechnung aufgehen würde. Es dauerte bis zum nächsten Tag bis mein Patient endlich mein Angebot angenommen hatte.
Ich hatte es aber leider nicht mitbekommen. Anscheinend geschah dies in den frühen Morgenstunden. Ich sah es jedenfalls an den Spuren die sie hinterlassen hatte, denn außerhalb des Untersetzers waren Erdereste verstreut. Und auch die Regenwürmer hatten sich inzwischen dezimiert.
Also, es hatte geklappt, und meine Freude war groß.
So machte ich das Ganze ca. eine Woche lang. Danach wollte ich sehen inwieweit die Amsel in der Lage war jetzt draußen zu bestehen. Nachdem ich sie aus ihrer Gefangenschaft befreit und auf dem Rasen ausgesetzt hatte, hüpfte sie davon und verschwand in einem nahe gelegenen Busch. Als ich später noch einmal nach ihr sehen wollte, war sie weg, nicht mehr zu sehen. Irgendwie war ich ein bisschen traurig. Ich stellte aber aus irgendeinem inneren Gefühl heraus noch einmal einen Unterteller mit Erde und ein paar Würmern in die Nähe meiner Terrasse, und hoffte, dass sie diesen Service noch einmal annehmen würde. Und so geschah es auch. Am nächsten Tag sah ich dann, dass sie am Teller gewesen sein musste!
Später sah ich sie dann auch selbst als sie über die Wiese hüpfte. Sie scharrte auch an der Stelle, wo ich die Regenwürmer ausgegraben hatte. Sie schien jedenfalls wieder guter Dinge zu sein. Sogar einige ihrer Zeitgenossen erschienen ebenfalls und scharrten eifrig an der Wurmgrube mit.Wenn ich dann bei schönem Wetter auf meiner Terrasse saß, mich ruhig verhielt, kam mein ehemaliger Patient manchmal bis an meine Füße heran gehüpft und pickte die Körner auf die ich dort verstreut hatte.
Die kleine Amsel wurde von Woche zu Woche größer und ich erfreute mich einfach an ihrem Dasein.
Für mich war es ein kleines Wunder, dass die ganze Geschichte letzt endlich einen guten Ausgang hatte. Und das, machte mich auch einwenig stolz!

Dieser Text wurde eingereicht von: Asthar

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