Ist Heimat dort, wo ich lebe?
Ist Heimat dort, wo ich geboren wurde und meine kulturelle Identität entwickelt habe, oder betrachte ich als meine Heimat den momentanen Ort, an dem ich lebe und wo ich zwischenmenschliche Beziehungen habe? Die Philosophie gibt unterschiedliche Antworten auf die Frage, was wir mit dem Begriff Heimat verbinden.
Für den tunesischen Philosophen Ibn Chaldūn wird Heimat geographisch und kulturell geprägt. Ein Mensch wird in eine bestimmte Kultur hineingeboren, die durch eine Art Wir-Gefühl zusammengehalten wird. Dieses Wir-Gefühl begleitet den Menschen sein Leben lang, wo immer er sich auf der Welt auch niederlässt.
Im Gegensatz dazu meint Wilhelm Schmid, dass wir im 21. Jahrhundert in einer globalisierten Welt immer auf der Suche nach einem Ort sind, an dem wir heimisch werden. »Denn alles kann Heimat sein.« Anstatt einen Ort als »Haupt- und Herzensheimat« zu glorifizieren, komme es vielmehr darauf an, viele soziale, mentale und räumliche Heimaten zu schaffen.
Demnach ist, nach Schmid, ein wesentliches Kriterium von Heimat eine persönliche Vertrautheit und Bindung. Und, die Liebe kann jeden Ort zur Heimat machen.
Ein wirklich schöner Blogeintrag.
Die Gegenüberstellung von Ibn Chaldūns kulturell geprägtem Wir-Gefühl und Wilhelm Schmids moderner, globaler Perspektive zeigt, wie unterschiedlich Menschen ihre Verbindung zu Orten und Gemeinschaften empfinden können. Besonders der Gedanke, dass Liebe und Vertrautheit jeden Ort zur Heimat machen können, gefällt mir!
Das Thema kam bei mir wieder hoch, als ich meine alten Deutschaufsätze aus den 50ern wieder las. Aber ich meine ernster: wo ist zB. für die Flüchtlinge aus Syrien, die seit Jahren bei uns leben, die Heimat. Ich kenne zwei persönlich recht gut, sie arbeiten als Arzt im Krankenhaus und in der IT-Branche. Das Angebot der CDU lautet: mit € 1000 Startgeld Rückflug in die »Heimat«.
Gruß/Florian.
Kann die Philosophie eine Antwort darauf geben, was "Heimat" ist? Ich denke nicht, denn nach meinem Verständnis ist es ein rein emotionales Erleben. Für mich gibt zwei Antworten auf die Frage. Einmal ist es die erste Assoziation beim Lesen des Begriffs: der Stadtteil Hannovers, in dem ich aufgewachsen bin. Doch einen Moment später weiß ich, dass das nur Erinnerungen sind, die nichts mehr mit Heute zu tun haben. Heute sieht es dort ganz anders aus, selbst die soziale Zusammensetzung hat sich grundlegend geändert. Nach der Assoziation kommt also die Überlegung, was Heimat jetzt bedeutet und die ist da, wo ich einen Platz für mich und meinen wichtigsten Kram finde und wo ich Verbindungen schaffe. Ich schließe mich dem letzten Satz von seestern an, dass Liebe und Vertrautheit jeden Ort zur Heimat machen können.
Hallo ihr alle,
mit dem Begriff der Heimat konnte ich noch nie viel anfangen. Soll das Wort auch einen Ort bezeichnen dürfen, wo ich aufgewachsen bin, aber an dem ich mich nicht sicher fühlen kann? Ich denke gerade an die Syrer, die Florian erwähnte, und so viele weitere Menschen, die sich anderswo eine neue Existenz geschaffen haben. Letzlich gehöre ich ja auch zu dieser Gruppe - habe weit von Norddeutschland entfernt einen neuen Grund unter den Füßen gefunden.
In Deutschland birgtdas Wort Heimat obendrein immer die Gefahr, in rechtspopulistische Heimatduselei und Ausgrenzung von Menschen mit ausländischer Abstammung abzugleiten. Das "Angebot" der CDU scheint mir schlicht unsäglich, und noch weiter rechts wird es dann richtig schlimm.
Florian, hast du dich mal enger mit Ibn Chaldun beschäftigt? Also, ein weitgereister Gelehrter des 14. Jahrhunderts - und, so weit mir bekannt, in Deutschland nicht sooo besonders bekannt!
Heimat ist da, wo ich mich am wohlsten fühle und in der Gemeinschaft integriert bin.
Heimat ist dort , wo sich der Lebensmittelpunkt befindet .