Indien Teil 10
Hinter der Wohnung ist ein kleiner Garten mit einem Papaya-Baum und einer Bananenpflanze, außerdem wächst auf einem Podest eine Heilpflanze.
Im Schlafzimmer steht ein Altar. Neben dem Bild des Gottes, den sie verehren, steht auch ein Bild des Gurus, den sie sich erwählt haben, und der sie zum Glauben geführt hat. Als wir uns verabschieden, werden wir für den nächsten Morgen zum Frühstück eingeladen. Eine Ablehnung ist nicht möglich.
Am nächsten Morgen verspäten wir uns, da unsere Uhr stehen geblieben ist. Ein junger Mann kommt geradelt und bringt uns einen Brief seines Chefs: das Frühstück ist fertig. Das Frühstück ist so umfangreich wie ein Mittagessen. Es gibt Kartoffeln und in Reismehlfladen gewickeltes Gemüse. Uns zu Ehren sind sogar Eier gekocht worden. Zum Nachtisch gibt es Äpfel. Kartoffeln und Äpfel sind hier ein teurer Luxus.
Der Schneider kommt zu Besuch. Wir erkundigen uns, was ein Hemd aus handgewebtem Stoff kostet: 15 Rupien für den Stoff, 3 fürs Nähen. 18 Rupien sind ca. 5 DM.
Es ist nicht möglich, uns zu verabschieden ohne Geschenke anzunehmen. Wir bekommen die restlichen Äpfel mit und ein Messer, dessen Griff und die Scheide aus geschnitztem Walnussholz sind, eine Handarbeit aus Kaschmir.
Die Straße ist immer noch sehr gut, nur ein rhythmisches Rumpeln stört uns. Wir halten und sehen, dass in der Lauffläche des Reifens eine riesige Beule ist. Der Reifenwechsel wird wieder von viel Publikum bestaunt und kommentiert. Nach einigen Kilometern finden wir einen Reifenflicker. Man findet in Indien immer alle paar Kilometer einen Reifenflicker. Das ist bei dem Zustand der Reifen auch unbedingt nötig. Meist haben sie gar kein Profil. Unser Reifen wird mit Hammer und Brechstange von der Felge gelöst. Verblüffte Gesichter ringsherum. Der Reifenflicker fängt an zu lachen und kann gar nicht wieder aufhören. Diese dummen Ausländer! Kein Schlauch im Reifen! Ein Flicken wird von innen eingeklebt und ein Schlauch eingezogen; denn nach dieser Behandlung der Felge ist kein schlauchloser Reifen mehr möglich.
Wir kommen nach Balasore nahe der Indischen Ostküste. In der Stadt sehen wir ein Schild mit der Aufschrift Tourist Bungalows. Ein junger Mann winkt uns und öffnet das Eingangstor. Wir fahren hinein und suchen den Manager. Es stellt sich heraus, dass wir in einem Internat der Baptisten gelandet sind. Eine Amerikanerin leitet das Internat und erlaubt uns, hier auf dem Gelände zu übernachten. Die Kinder sind begeistert, und einige fahren mit, als Jochen zum Parkplatz fährt.
Die Pflegetochter der Amerikanerin feiert heute, am 1. Dezember ihren 8. Geburtstag. Alter und Geburtsdatum sind eigentlich unbekannt. Die Leiterin hat sie vor drei Jahren halb verhungert in einem Dorf aufgelesen.
Wir werden zum Geburtstagsessen eingeladen. Alle sitzen im Kreis auf dem Boden. Jeder hat einen Teller vor sich, der aus mit kleinen Zweigen zusammengesteckten Blättern besteht. Solche Teller kann man auch in Geschäften kaufen. Es gibt deftige Hausmannskost: Fleisch, Kohl und Reis. Zum Nachtisch gibt es Joghurt mit Früchten. Alles wird mit den Fingern der rechten Hand gegessen.
Abends bekommt das Geburtstagskind seine Geschenke: unter anderem einen bunten Sari. Die Frauen singen Lieder, und es gibt einen Amerikanischen Geburtstagskuchen mit acht Lichtern.
Fortsetzung folgt
Das ist wieder einmal sehr spannend, tolle details von orten, landschaften, personenbegegnungen, landestypischen bräuchen und essen... Schöne beiträge! LG Burckhard Garbe
Lieber Burckhard, herzlichen Dank für deine positive Kritik. Von dir lese ich das gern.Bärbel