Hund und Hase
Pluto und Langohr
Ein älteres Paar hatte nach sorgfältigem Suchen endlich ein neues Zuhause gefunden, das in allen Dingen ihren Vorstellungen entsprach. Es war nicht so einfach, denn sie hatten einen Hund, und nicht jeder Nachbar mag einen solchen. Aus dem ehemaligen Haus sind sie ausgezogen, weil es mit dem überängstlichen Nachbarn ständig Streit gab. Dabei war Pluto, ein Labrador-Mischling, ein liebes und friedliches Tier, er bellte fast gar nicht. Von ihm trennen wollten sie sich unter keinen Umständen, so blieb als einziger Ausweg, eine neue Heimstatt zu suchen.
Nach einiger Zeit fanden sie in einer Reihenhaussiedlung, was sie suchten. Die Nachbarn rechts und links waren pensionierte Beamte, und was von größerer Bedeutung war: Sie waren Tierfreunde. Der rechts Wohnende hatte einen kleinen Teich mit Goldfischen in seinem Garten, er fürchtete sich vor keinem Hund, und seine Fische auch nicht. Der linke Nachbar hat in der Vergangenheit Kaninchen gezüchtet, die Liebhaberei aber mittlerweile aufgegeben, übrig geblieben ist ein alter namenloser Rammler, so nennt man männliche Kaninchen, der ihm so liebgeworden war, daß er ihn behalten hat. Der alte Hase bewegte sich frei im Garten und hoppelte auch auf Nachbars Rasenflächen herum, er gehörte zum allgemeinen Inventar. Niemand hatte etwas gegen ihn, auch wenn er hier und da mal an einem Grashalm zupfte. Der Nachbar zur linken mochte Hunde gut leiden, besonders ein so liebes Tier wie Pluto. Und als sie sahen, daß Pluto und der Belgische Riese sogleich Freundschaft schlossen, war die Entscheidung gefallen. Und nach dem Umzug begann ein neues Leben ein friedliches Leben.
Friede und Freundlichkeit hielten an, es gab keinen Ärger. Zwar tollten Pluto und Hase Mümmelmann nach einigen Wochen nicht mehr so wild herum, wie zu Anfang sie waren auch nicht mehr die Jüngsten doch wann immer es sich ergab, waren sie beieinander. Schon morgens hoppelte Langohr durch die Hecke und wartete auf Pluto. Ab und zu zupfte er an einem Grashalm - ein friedliches Bild. So hätte es bleiben können, wenn da nicht etwas Ungeheuerliches geschehen wäre.
Eines Tages kam Pluto durch die Terrassentür in die Küche und trug in seiner Schnauze Nachbars Hasen. Er legte das erdbehaftete Tier wie eine Beute zu Frauchens Füßen und schaute sie mit einem seltsamen Blick an, nicht wie ein erfolgreicher Jäger, eher traurig. Sie war entsetzt, schaute auf das reglose Tier, blickte Pluto in die Augen und fragte: Was hast Du da angerichtet, Pluto? Pluto zog mit hängendem Kopf ab.
Sie rief ihren Mann, untersuchten den Hasen und stellten fest, daß er tot war. Furchtbar! Wenn der Nachbar das erfährt, wäre es mit dem friedlichen Miteinander wohl vorbei. Langohr wies jedoch keinerlei Verletzungen auf und beide waren der Meinung, Pluto habe den Hasen so gehetzt, daß dessen Herz stehen geblieben sei. Sie überlegten fieberhaft, wie sie die heikle Situation bewältigen können, ohne daß ein Verdacht auf sie oder Pluto fiele. Es wollte ihnen nichts einfallen. Schließlich wurden sie sich einig, so zu tun, als sei nichts geschehen. Die Frau brachte Langohr ins Badezimmer, wusch das verdreckte Fell, trocknete es mit dem Föhn und kämmte das Fell locker durch. Nach dieser Prozedur sah er schöner aus als je zuvor und es sah aus, als ob er schliefe.
Als es dunkel geworden war, schlichen sie heimlich durch die Hecke in Nachbars Garten, brachten den Hasen in seinen offenen Stall und legten ihn in die Ecke, wo er immer zu schlafen pflegte. Dann zogen sie sich ganz leise wieder zurück und hofften, daß niemand etwas bemerkt habe.
In den nächsten Tagen tat sich nichts Ungewöhnliches in der Nachbarschaft, man war freundlich wie immer. Nur Pluto schlich mit hängendem Kopf und traurigem Blick durch den Garten.
An einem Abend, als man gemütlich beim Wein zusammensaß, erzählte der Hasen-Nachbar: In unserer Gegend spielen sich sehr seltsame Dinge ab. Eines Morgens fanden wir unseren alten Hasen tot in seinem Nest liegen, das Herz hat wohl nicht mehr mitgemacht. Wir waren natürlich traurig und haben ihn im Garten neben seinem Stall begraben. Aber zwei Tage später lag er wieder in seinem Nest, so schön und sauber, wie schon lange nicht mehr. Erst dachten wir, er schliefe, aber er bewegte sich nicht. Seitdem grübeln wir, wie er tote Hase wieder in sein Nest gelangt sein könnte!
Gespannt hatten die Zuhörer der Geschichte gelauscht. Schließlich löste sich die Spannung durch einen tiefen Atemzug, wobei der tiefste verständlicherweise von den Pluto-Nachbarn getan wurde. Sie waren sehr erleichtert, ließen sich aber nichts anmerken und taten Pluto im Stillen Abbitte wegen des bösen Verdachts, den sie gegen ihn gehegt hatten. Dabei hatte er nach vergeblicher Suche nach seinem Freund ihn unter der Erde erschnüffelt und ihn mühsam ausgegraben, um ihn zu retten.
Das Leben ging weiter, die Nachbarschaft lebte in Frieden miteinander ein kleines Paradies. Nur Pluto blieb traurig, weil er keinen Freund mehr hatte.
😉
Deine Geschichte gefällt mir sehr. Gleich, ob sie wahr ist oder nicht, sie liegt ja auch im Bereich des Möglichen.
Ich bin auch eine wirkliche Tierfreundin.