Generationenprobleme

Generationenprobleme (Eifel-Rosi)

"Hey Oma, cooles Outfit" Tina musterte ihre Oma, die mit Opa zum sonntäglichen Mittagessen angereist war. Die Blümchenbluse, die aussah wie ein Relikt aus den fünfziger Jahren, weckte Tinas Interesse. Oma Anita jedoch erkannte nur aus den Blicken ihrer Enkelin, was sie sagen wollte.
"Na Tom, mein Junge, wie geht´s denn so, was macht die Schule?" Opa Anton klopfte seinem Enkel zur Begrüßung auf die Schulter. "Alles easy, Opa."
"Tja, der Tom ist voll beleuchtet, Opi, hat er wohl von dir was?" bemerkte Tina mit einem kleinen Stich Eifersucht in der Stimme.

Opa Anton verstand nur Bahnhof und hätte hier nicht sein Sohn Kurt eingegriffen und seine Eltern zum Essen an den schön gedeckten Sonntagstisch gebeten, hätte er mit dem Blick auf Toms Ohrringe, die mittels Gel steil in die Luft stehenden Haare und das knatschgelbe T-Shirt nur noch mit dem Kopf schütteln können. Ganz zu schweigen von der Hose, deren Po-Teil viel zu weit geraten schien und im Schnitt so tief herunterhing, dass von Toms kleinen Pobacken mindestens vier hineingepasst hätten. Auf dem Weg zum Esstisch machte Anton seinen Enkel dann noch aufmerksam: "Tom, deine Schnürsenkel sind offen. Fall nicht drüber!"

"Das ist heute so, Vater" klärte Kurt ihn auf. "Ich verstehe zwar auch nicht, wieso man so herumlatschen kann, aber … na ja. Und was die Kinder dir eben sagen wollten war, dass Tom die Schule leicht fällt und dass er die Intelligenz vielleicht von dir geerbt hat."
"Em - von mir etwa nicht?" wandte er sich leicht beleidigt an seine Tochter, die eine Duftmischung aus Duschzeug, Haarspray und Parfüm hinter sich her zog. Und das zum Essen.

Karin erschien, um ihre Schwiegereltern zu begrüßen. Sie hoffte inständig, zumindest die erste Hälfte des aufwändig gekochten Mittagsessens ohne die üblichen Konfrontationen zu überstehen. Ohne, dass die Kinder am Essen herummäkelten und ohne dass ihre Schwiegereltern missbilligend den Kopf schütteln würden, beleidigt wären oder an den Erziehungsmethoden der jüngeren Generation etwas auszusetzen hätten. Jedes Mal, wenn sie zu Besuch kamen, hatte Karin den Eindruck, auf einem gefällten glitschigen Baumstamm zu balancieren und mit ziemlicher Sicherheit irgendwann nach einer Seite hin auszurutschen. Entweder waren es die Schwiegereltern, die angesichts der jungen Generation die Welt nicht mehr verstanden oder aber ihre Kinder, die sich in ihrer jugendlich-pubertären Art gegen alles abgrenzten, was "alt" war und keine Ahnung hatte."Karin, hmm, riecht aber schon gut aus der Küche" Schwiegermutter Anita schien gut gelaunt zu sein. "Hättest dir wegen uns nicht so viel Arbeit zu machen brauchen".

Als Karin sich wieder in die Küche verzog und Kurt zur Feier des Tages eine Flasche Wein entkorkte, versuchte Opa Anton das Gespräch mit seinen Enkeln wieder aufzunehmen. "Und du Tina? Warst du gestern Abend tanzen?""Nee, bin nur n´ bisschen mit meinen Freundinnen rumgecruist. Wir haben ne coole Location entdeckt, mit super Mucke, ziemlich groovie! Hatten mega fun, aber irgendwann kamen so n´ paar Prolls, die haben uns so vollgetextet, dann haben wir uns verpisst."

Außer dem letzten Wort, auf das hin sie zuckte und geringschätzig den Mund zusammenkniff, hatte Oma Anita kaum etwas mitbekommen.
"Hey" bemerkte Tom noch dazu, ihr hättet mal sehen sollen, wie abgefahren die Tina aufgemotzt war. Voll krass, ey."

Karin brachte die Suppe. Rindfleischsuppe mit Sago, untergehobenem Ei, schön in der Suppenterrine mit Petersilie überstreut. Omas Lieblingssuppe.
"Iih Mama, das Grünzeug hättest du auch knicken können. Und diese runden Dinger hier sehen aus wie Froschlaich, igitt."Karin verdrehte die Augen, gab ihrer Tochter unter dem Tisch einen kleinen Tritt gegen das Schienbein und rechnete jetzt schon damit, dass ihre Schwiegermutter später wieder von schlecht erzogenen Kindern reden würde.Beim Hauptgang mit Rinderbraten, Kartoffeln und frischem Spargel stocherte Tom nur angewidert in einer einzigen Kartoffel und einer dicken Stange Spargel herum.
"Schmeckt es dir nicht, Kind?" fragte Oma Anita, während sie kritisch prüfte, ob sich der Spargel auch wirklich gut schneiden ließ und Karin ihn auch ordentlich geschält hatte."Nee, tote Tiere ess ich nicht und auf so´n unterirdisches Weißzeugs hier habe ich auch keinen Bock. Ich hätte jetzt höllisch Lust auf ne Mafiatorte."
"Was ist das denn?" Oma Anitas Gesichtsausdruck verriet eine zumindest leichte Irritation."Pizza" übersetzte Kurt, der täglich neue Vokabeln aus der Sprache seiner Kinder dazu lernte."Aha".
Die Tatsache, dass man nun schon innerhalb der Familie einen Übersetzer benötigte, machte auch Opa Anton zu schaffen. Ganz in Gedanken versunken führte er weiterhin äußerst gesittet seine Gabel zum Mund und hörte nur mit einem Ohr hin, als Karin versuchte, ein wenig verständliche Konversation zu machen.Vor dem Nachtisch bat Tina: "Habt ihr was dagegen, wenn ich die Fliege mache? Muss mal n bisschen chillen.""Ich auch" meldete sich Tom, "muss mir noch ein Hammer Spiel runterladen aus dem Net und nachher geh ich noch zu Mike zum Chatten."
Plötzlich lächelte Opa Anton verschmitzt. "Ja geht nur "Kids" sagte er. "Äh - eigentlich wollte ich euch ja noch…em, nach dem megageilen Essen und nem hammer Nachtisch noch ein bisschen Knete, Benunze, Kohle da lassen. Ohne Scheiß. Aber wenn ihr keinen Bock habt…"
Wie angegossen blieben Tom und Tina mit offenen Mündern auf ihren Stühlen sitzen.
"Opa, alles in Ordnung?"

Ein Text von: Eifel-Rosi

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