Die Schwester meines Vaters

Wer hat nicht eine Lieblingsoma, einen Lieblingsonkel oder eine Lieblingstante - noch oder gehabt?

Bei uns vier Gechwistern zu Hause war es Tante Clara. eine hochgewachsene schlanke Frau mit ebenmäßigen Gesichtszügen, ihre Bewegungen waren ruhig und ausgeglichen; nie habe ich ein böses oder tadelndes Wort von ihr gehört. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass sie jemals laut lachte. Aber immer schien sich ein Lächeln in ihren Mundwinkeln zu verstecken, das nur darauf wartete, so oft wie möglich über ihr Gesicht zu strahlen.

Unserem kindlichen Geplauder hörte sie stets aufmerksam zu, nicht ohne mit einigen eingeworfenen Worten ihr Interesse zu zeigen. In ihrem großen Herzen hatten wir alle Platz, doch meinem ältesten Bruder hatte sie ein besonderes Plätzchen eingeräumt. Er war von uns Geschwistern der mittelsamste und konnte mit seiner unbefangenen Art Tante Clara recht amüsieren. Sei es, dass er auf einen fehlenden Knopf an seiner Jacke aufmerksam machte, den Tante Clare natürlich gleich annähte, oder ob er sonst eine Bemerkung machte - Tante Clare hatte für alles Verständnis, sie war die beste Zuhörerin, die wir uns wünschen konnten.

Und noch etwas zählt zu meinen unvergesenen Erlebnissen mit Tante Clara. Wenn meine Schwester und ich zur Klavierstunde gingen, führte unser Weg direkt am Hause unserer Tante vorbei und wir besuchten sie regelmäßig.

"Na, dann kommt man rein", wurden wir stets von Tante Clara freundlich begrüßt, und "Was möchtet Ihr essen, Kuchen oder Rührei"? Und wir hatten immer auf irgend etwas Appetit. Auch schien ihre Geduld unerschöpflich, wenn wir ale zusammen zum Beispiel "Mensch-ärgere-dich-nicht" spielten und uns dann lautstark "beschwerten" wenn wir "rausgeschmissen" wurden.

Der Krieg und die darauf folgende Flucht hat uns dann alle durcheinander gewirbelt. Wir waren nun räumlich von unserer Lieblingstante getrennt. Doch bis zu ihrem Tode haben wir sie so oft wie möglich besucht.

Ich hatte die weiteste Entfernung zurückzulegen. Nie werde ich vergessen die freundlich einladenden Worte, genau wie in der Kinderzeit: "Na, dann komm man rein" - und wie früher meinte ich zu hören: Was möchtest du lieber, Kuchen oder Rührei?

IHausH

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