Der Rausch - und wo das Meer beginnt

Der Rausch - und wo das Meer beginnt –

Ich verfiel eines Tages in einen Rausch, nein, nicht in einen Machtrausch, sondern in einen Rausch der Fantasien, die mich Tag und Nacht nicht mehr los ließen. Begeistert von den Gedanken, die mir durch den Kopf gingen und deren mögliche Realisierung ich durchdenken musste, rauschte es auch elektrisierend und brausend durch mein Blut bis ich trotz Erregung in den Schlaf taumelte.

Und dann war es klar. In einem Glücks- und Freudenfieber, bestückt mit "Jederwetterkleidung" wanderte ich mit dem Lied "Das Wandern ist des Müllers Lust" auf den Lippen, los.
Ich wollte mir Zeit nehmen und sogleich in mich gehen, den Fluss des Lebens entlang laufen, finden.
Mein Ziel: Von der Quelle bis dahin, wo das Meer
beginnt.

Die Quelle enttäuschte mich, eigentlich unscheinbar, ich hatte mir einen grandiosen Austritt des Wassers aus der Erde vorgestellt. Trotzdem lief ich frohen Mutes der Wasserader, dem kleinen Rinnsal hinterher. Gespannt, wie er sich wohl mausern wird.

So lief ich tagtäglich mit meinem Sonntagsgesicht neben dem Rinnsal, das inzwischen zum Bach wurde, her. Vorbei an Feld und Wald, Berg und Tal, bei Wind, auch wenn der Regen prasselte und vor allem bei Sonnenschein. Meist lief ich allein an meinem Bach, der inzwischen zu einem Fluss geworden ist. Jetzt war es auch mein Fluss, ganz für mich allein. Und was ich alles hörte, der Fluss rauschte, die Steine murmelten, die Vögel zwitscherten, die Blätter raschelten, den Wald hörte man Atmen und seine Bewohner gaben ihre spezielle Musik dazu. Es war, wie wenn die Natur mit sich Zwiesprache hält. Und mein Fluss wurde immer größer. Es mündeten andere Wasseradern in meinen Fluss – sie wollten mit ihm wandern. Wie viele Wasseradern werden noch kommen, mit ihm zum Strom werden und mit ihm in den großen Teich, in das Meer münden wollen?

Manchmal toste und tobte der Strom, er bäumte sich auf, er brodelte, er war wie in einem Rausch. Auch an einem brausenden, wilden, unbändigen und bezaubernden Wasserfall bin ich vorbei gekommen.

Am Abend habe ich mir geleistet von einem Gasthofgarten aus mit einem oder zwei oder drei Glas Wein dem Raunen des Stromes zuzuhören, bis ich berauscht in mein Bett fiel oder durch das Rauschen eines Ballkleides in Entzücken geriet und dem Rauschen in meinem Blut erlegen war.
Und dann hörte ich die Brandung tosen. Voller Ergriffenheit, Entzücken, Ekstase, Erregung, tauchte ich im Übermut meiner Gefühle in das so unbändig erwartete Meer.

Angekommen mit den sich angeschlossenen Wasseradern, den Tropfen des Regens, des Taues, des Lebens fließt alles in das große Meer, in den Ozean, in die Unendlichkeit.

© Charlotte Meisel

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