Bei Rosamunde Pilcher
Ich komme gerade von einem Stadtbummel durch die gemütliche Küstenstadt Brighton zurück. In England war ich vorher noch nie. Es ist ganz neckisch hier bis auf den Linksverkehr, der für kontinentaleuropäischer Fußgänger nicht ungefährlich ist. Die Regel: Schaue zuerst nach links und dann nach rechts ist hier lebensgefährlich. Linksfahrer kommen von rechts!!
Die Marina ist riesig. Wir fanden sofort einen Liegeplatz. Der Höhenunterschied zwischen Ebbe und Flut beträgt 5 Meter. Das ist schon gewaltig. Trotzdem kann man den Hafen 24 Stunden am Tag anlaufen. Er fällt nicht trocken. Rings herum ist ein riesiger Wohn- und Einkaufspark gebaut worden, wo es so ziemlich alles zu kaufen gibt, was man sich vorstellen kann. Der Hafen selbst gleicht einem Hochsicherheitstrakt. Alle Stege sind mit großen Metallzäunen gesichert und man kommt nur zum Schiff, wenn man ein elektronisches Teil, ähnlich einem Einkaufschip für den Einkaufswagen, zur Hand hat. Dieses bekommt man bei der Anmeldung.
Die Überfahrt von Ijlmuiden verlief problemlos und wir haben tatsächlich große Strecken unter Segeln zurück gelegt. Vor der belgischen Küste gibt es eine Unmenge riesiger, über viele Kilometer langgestreckter Sandbänke. Die sind auf den Karten eingezeichnet, verändern sich aber ständig. Da muss man höllisch aufpassen. Dazu kommen Mega- Offshore- Windparks, Außenreeden der Häfen, Übungsgebiete für die Armee, reguläre betonnte Wasserstraßen und jede Menge Einzeluntiefen. Die Seekarte sah aus, wie ein großer Schnittmusterbogen aus der Nähzeitschrift.
Das alles entspannte sich kurz vor Calais. Die Straße von Dover ist frei von jeglichen Dingen, die mit der Seefahrt nichts zu tun haben, man muss sich nur auf Schiffe konzentrieren. Kurz hinter Calais wechselten wir auf die englische Seite, um Brighton anzusteuern. Die Uferzone ist flach und deshalb sind dort Fischer mit ihren Stellnetzen aktiv. Als ich das erste Fähnchen auf dem Wasser sah, bin ich direkt darauf zugefahren, um es mir genauer anzusehen. Als ich mit dem Rückwärtsgang aufstoppen wollte, funktionierte der aber nicht mehr - keine Ahnung warum. Wir müssen uns wohl unterwegs ein Seil oder ein Stück von einem Fischernetz in die Antriebsschraube eingefangen haben ich weiß es nicht genau. Der Schrecken darüber war natürlich groß.
Das Ganze geschah kurz vor dem Dunkelwerden. Nachschauen, was es denn nun wirklich sei, fiel aus, weil dazu schon zu wenig Licht war. Außerdem ist das Wasser zum Tauchen noch viel zu kalt. Wir trödelten daraufhin unter Segeln schön langsam via Brighton, um nicht zu früh (!!!!) in den Hafen zu kommen. Unsere voraussichtliche Ankunftszeit in Brighton sollte gegen 2.00 Uhr nachts liegen. Mit einem kaputten Rückwärtsgang wollte ich aber nicht in eine mir unbekannte Marina einlaufen. Darum galt es, zu bremsen. Zwischendurch überfiel uns noch eine heimtückische Gewitterwolke mit Fallwinden um die 40 Knoten Windgeschwindigkeit. Wir hatten tatsächlich alle Hände voll zu tun. Aber, oh Wunder . pünktlich zum Sonnenaufgang erreichten wir die Marina in Brighton und legten ohne Schwierigkeiten das Schiff bei nur wenig Wind längsseits an die Pier.
Heute Morgen suchten wir einen Taucher, der uns den Unrat von der Schraube ablösen sollte. Wir fanden in einer Segelschule eine junge Dame, die sich bereit erklärte, uns diesen Dienst zu verrichten. Wer nach mehreren Stunden Wartezeit nicht kam, war aber das Mädel. Gegen Mittag bin ich nochmal los, um nachzufragen, was denn nun sei. Sie war nicht da und man vertröstete mich auf den Nachmittag. Ein netter Herr aus der Schule, der sich als Motoreningenieur vorstellte, kam trotzdem mal kurz mit auf's Schiff, um sich den Fehler mal anzuhören und anzufühlen. Ein Seil in der Schraube hört man und man fühlt die Unwucht im Schiff. Aber wie durch ein Wunder . als ich die Maschine anließ und die Gänge einzeln einlegte, funktionierte der Rückwärtsgang wieder einwandfrei. Wir waren sprachlos und konnten uns das nicht erklären. Der Herr bemerkte, dass er die Maschine durch Handauflegen repariert hätte. Hoffentlich hat er Recht!
🙂 Und was hat der Bericht mit Rosamunde Pilcher zu tun?
Kein Foto, kein blumiges Umschreiben irgend einer Landschaft?
Jedoch kann man sich vorstellen wie mulmig es euch gewesen sein muß und nun drücke ich die Daumen, dass das Handauflegen dieses besagten Ingenieurs geholfen hat. 😉
Schönen Aufenthalt oder was auch immer ihr nun vorhabt, grüße ich euch
die Flo