Badreiniger und Raffaello

Badreiniger und Raffaello (lesefink)

Es war um die Mittagszeit und die Verkäuferin saß ein wenig einsam an der Kasse. So war ich nicht unwillkommen bei Schlecker und spürte sofort einen Hauch von Interesse an meinen Wünschen, denn es dauerte nur ein paar Minuten bis die Kasse allein ließ und fragte, ob sie mir helfen könne. Erlösung! Das riesige Regal mit den 95 Plasteflaschen für Reinigungsmittel im Haushalt verwirrte mich. Ich hatte von einem neuen Badreiniger mit Orangenduft in der Sprühdose gehört. Den wollte ich gern ausprobieren. Die Verkäuferin ließ ihre Blicke kurz über das Regal schweifen und reichte mir nach 2O Sekunden den Badreiniger mit Orangenduft.

Stolz nickte sie mir zu: "Zufrieden?" Gern hätte ich ja gesagt, aber da ich gerade auf die Flasche in meiner Hand sah , bemerkte ich, sie hat keinen Sprühvorrichung, Das sei aber der Witz, sagte ich, dass man die obersten Fliesen mit dem Orangenduft genau so erreichen kann wie mit dem einfachen Badreiniger mit Sprühkapsel. Man zeigte Verständnis, nur helfen könne man mir nicht, denn so etwas, das sähe ich ja, sei nicht vorrätig.

Da ich noch immer der einzige Kunde war, blieb die Verkäuferin vor dem Regal stehen: Vielleicht hätte ich zu Hause eine alte Flasche mit Sprühkopf, , den man abschrauben und auf den Badreiniger mit Orangenduft setzen könne. Meine Skepsis, ob die Teile zueinander passen würden, wusste sie zu zerstreuen, nahm unterschiedliche Flaschen mit unterschiedlichen Verschlüssen aus dem Regal, montierte sie zusammen und siehe, es funktionierte. Glücklich sah ich sie an, fand sie ausgesprochen kundenfreundlich und sagte das auch. Wir waren uns einig und gingen gemeinsam zur Kasse.

Dort sah ich "Raffaelo" liegen. Viererpackung in Zellophan gehüllt. Sie kennen sie gewiss auch, die schönen weißen Kokoskugeln mit Creme und einer Mandel gefüllt. Verlockend. Die freundliche Verkäuferin- - wir waren noch immer allein im Laden - sah meinen begehrlichen Blick und lenkte die Auf-merksamkeit sogleich auf die daneben liegenden großen Packungen, sie seien insgesamt gesehen preiswerter.
Im Gegensatz zum Kauf des nach Orange duftenden Badreinigers mit Sprühverschluss zeigte ich mich jedoch wenig kompromissbereit und verwies auf die Sünden der Weihnachtszeit und den daraus folgenden Winterspeck. Der sei recht lästig , beeinträchtige die Beweglichkeit und schade vor allem der Linie.

Mit flinken Augen fixierte sie meine Größe, setzte sie ins Verhältnis zumUmfang und entschied: erstens besteht kein Grund zur Klage , und zweitenswürde sie sich, wenn sie s o a l t wäre wie ich, wahrlich nicht mehr um die schlanke Linie kümmern.
Ehrlich gesagt, so unverblümt, so ohne Schnörkel hatte mir noch keiner mein biblisches Alter zum Bewusstein gebracht.
Ich sah sie an und bemerkte erst jetzt, dass sie , zwar gut proportioniert, aber recht mollig war. Vielleicht kämpfte sie ganztägig um 5 Gramm Gewichtabnahme je Stunde und ich hatte auf" das Schlimme" getroffen?
Dennoch ich blieb hart und kaufte die kleine Packung.
Zu Hause angekommen öffnete ich die Zellophanhülle, nahm eine Kokos-praline heraus, aß sie ohne Vergnügen und dachte, wenn schon, denn schon, nahm eine zweite und hatte genug!. Ranzig richtig ranzig schmeckte die Füllung und die Mandel war fast aufgelöst.

Das hatte die findige Kassiererin nicht bemerkt, konnte sie nicht merken, in Zellophan gehüllt sind die Mängel und Spuren der Zeit nicht sichtbar. Aber möchten wir vielleicht von Geburt an in einer Zellophanhülle leben?

Man mag es uns ansehen oder nicht, "Raffaelo", leicht verdorben, hat wiedereinmal bewusst gemacht, eine Hülle aus Zellophan kann Alterungs-Erscheinungen kaschieren, aber kommt es denn darauf an? Der gute, der g e s u n de Kern ist entscheidend, insbesondere heute und hier, wo die Reformen kräftiger denn je e i g e n e Beiträge zur Gesunderhaltung fordern.

Ansichten und Einsichten. Der Einkauf hat sich gelohnt.

Eine Geschichte von: lesefink

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