Startseite Foren Film und Kultur Wallenstein

  • Wallenstein

     etaner34 antwortete vor 1 Jahr, 11 Monate 3 Teilnehmer · 8 Beiträge
  • Constantia

    Teilnehmer
    14. April 2022 um 10:08

    Heute Abend hat Friedrich Schillers “Wallenstein” in einer Inszenieirung von Frank Castorf im Schauspielhaus Dresden Premiere. Erst in dieser Woche drang es in mein Bewusstsein und ich überlegte, ob ich mir den Besuch einer Folge-Vorstellung gönne. Dann las ich, Spieldauer 6 Stunden, bis zum Platz auf Rang oder im Parkett Maskenzwang, dann dürfte ich sie verstauen. In der einen Pause natürlich beim Flanieren dann wieder Maske auf.

    In der Hauptrolle ist Götz Schubert zu erleben. Dem einen oder der andere vielleicht bekannt aus der Serie “Wolfsland” (2x im Jahr). Ich mag ihn und seine Schauspielkunst und hätte ihn so gern live auf der Bühne erlebt. Aber so ohne “Training” ein Theaterabend in dieser Dimension, dazu wohl politisch hoch aktuell – ich entsage diesem Vergnügen schweren Herzens.

    Auszug aus einem Interview der Sächsischen Zeitung von gestern mit Götz Schubert:

    Im Laufe Ihrer Arbeit am “Wallenstein” hat sich die Weltlage komplett geändert: Mitten in Europa findet ein Angriffskrieg statt. Hat sich der Blick auf Schillers Stoff geändert?

    Ja, es gibt ein anderes Bewusstsein. An manchen Stellen im Stück klappt einem die Kinnlade herunter, zum Beispiel bei dem Satz: “Sei im Besitze und du bist im Recht, und heilig wird’s die Menge dir bewahren.” Das ist eindeutig: Putin und die Krim. Deswegen muss man im “Wallenstein” keinen Putin spielen, aber man denkt es sofort – diejenigen, die es spielen und diejenigen, die es schauen. Aber selbstverständlich war es auch vor dem Krieg in der Ukraine schon ein Theaterstück über den Krieg. Es weist einen auch darauf hin , den Blick zu weiten und zu sehen: Dieser ist nich der erste Krieg, den Europa erlebt, und der Krieg war nie weg. Es ist aber kein klassischer “Wallenstein”-Abend, sondern ein Gefüge aus Figuren, eine Arbeit am Thema Krieg auf Basis von Schillers Stück.

    Ich musste für mich eine Entscheidung treffen.So ganz zufrieden bin ich mit mir aber nicht. Mal sehen, wie die Kritiken aussehen werden. Solche Entscheidungen könnte man ja unter Umständen revidieren.

    Allen ein schönes Osterfest bei hoffentlich frühlingshaftem Wetter

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde am vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia geändert.
    • Dieser Beitrag wurde am vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia geändert.
    • Dieser Beitrag wurde am vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia geändert.
  • etaner34

    Teilnehmer
    14. April 2022 um 11:55

    @Constantia

    Ich würde die Aufführung wahrnehmen mit der Überzeugung, dass man ein Werk dieses Ranges durch keine Inszenierung „kaputt kriegen“ kann. (Dem Bochumer Schauspielhaus ist das in dieser Saison allerdings mit dem „Ödipus“ „gelungen“, es wurde aber „dafür“ hochgelobt)

    Was zu der Dresdner Inszenierung geschrieben steht, ödet mich an. Als wenn wieder einmal die Intendanten dem einfachen Volk nicht zutrauten, aktuelle Bezüge selbst herzustellen und Übereinstimmung oder Kontrast für sich zu erkennen.

    Aber vielleicht ist die Performance besser als die Reklame.

    6 Stunden sind eine lange Zeit zum Sitzen und Zuschauen, aber einen solchen Klassiker sollte man sich vielleicht doch nicht entgehen lassen.

    Du kennst das Soldatenlied aus „Wallensteins Lager“.

    Ich stelle es dennoch ein, habe aber die Strophen zum Liebesleben der kämpferischen Truppe mal ausgelassen.

    Sie singen nicht Schillers Meinung, wie man wohl weiß.

    Frisch auf! Kameraden, auf’s Pferd!
    Auf’s Pferd! Ins Feld in die Freiheit gezogen;
    im Felde, da ist der Mann noch was wert,
    da wird das Herz noch gewogen:
    da tritt kein And’rer für ihn ein
    auf sich selber steht er da ganz allein.

    Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist,
    man findet nur Herren und Knechte:
    die Falschheit herrscht, die Hinterlist
    bei dem feigen Menschengeschlechte;
    der dem Tod ins Angesicht schauen kann,
    der Soldat allein ist der freie Mann.

    Des Lebens Ängsten, er wirft sie weg,
    hat nicht mein zu fürchten, zu sorgen:
    er teilet dem Schicksal entgegen keck,
    trifft ‘s heute nicht, trifft es doch morgen;
    und trifft es morgen, so laut uns heutnoch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit.

    Drum frisch, Kameraden, den Rappen gezäumt.
    Die Brust im Gefechte gelüftet!
    Die Jugend brauset, das Leben schäumt:
    Frisch auf eh’ der Geist uns verduftet.
    Und setzt ihr nicht das Leben ein,
    nie wird euch das Leben gewonnen sein.

    Aus Schillers Trilogie“Wallenstein“( Wallensteins Lager)

  • Constantia

    Teilnehmer
    15. April 2022 um 11:10

    @etaner34 , vielen Dank für Deine Rückmeldung. Ich habe gelesen, dass es auch Inszenierungen gibt, die sich über zwei Abende erstrecken. Aber leider nicht hier. Es wäre auch schade, wenn ich es nicht aushalte über 6 Stunden und vorzeitig das Theater verlasse.

    Es gibt auch bei den Schauspieler:Innen einen Generationswechsel und wenn dann Künstler wie Götz Schubert hier auf der Bühne in großen Rollen auftauchen macht das andererseits schon Lust zu einem Theaterabend.

    Die Maßnahmen gegen Corona haben zu einer gewissen Entwöhnung von so manchem geführt. Mal abgesehen, dass ich, wie wir ja alle mehr als 2 Jahre älter bin, ein Neuanfang mit einem 6 Stunden Abend …

    Oder positiv ausgedrückt, ich nehme wieder intensiv zur Kenntnis was sich in Theater, Kinos und Museen regt.

    Eine Freundin schrieb mir, dass sie morgen (also eigentlich heute) Weimar einen Besuch abstattet. Dort auf dem Programm die “Buddenbrooks”. Da gab es auch schon mal eine Dresdner Inszenierung (2008) und die hätte ich mir gern als “Einstieg” gegönnt.

    In dieser Zeit gab es auch eine inszenierung “Der Zauberberg”. Da hatten wir einen Intendanten, der nicht nur Thomas Mann liebte. Mit “Mephisto” war auch Klaus Mann hier zu sehen. Aber ich fange an zu plaudern …

    Nochmals vielen Dank für Deine ausführlichen Zeilen.

    Feiertägliche Grüße

    Constantia

    PS.: Habe mir gerade die Seite vom Weimarer Nationaltheater angesehen, wollte wissen was es für eine Inszenierung ist, und was muss ich lesen: Die Vorstellung fällt wegen Krankheit mehrer Darsteller aus.

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia bearbeitet.
    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia bearbeitet.
  • nordlichtw

    Teilnehmer
    15. April 2022 um 12:10

    Constantia: 6 Stunden ist heavy ,vermutlich gibt es zwei Pausen zum Joggen.

    In HH ist leider noch Maskenpflicht ich möchte gerne noch zum Ballett bevor John Neumeier nächstesJahr in den wohlverdienten Ruhestand geht .

    In Ol darf der MNS inzwischen am Platz abgenommen werden , sodass ich ganz schnell zweimal im Kino gewesen bin , Karten für das Tanztheater liegen auch bereit und für ein Konzert in Schloss Gödens , war immer sehr stimmig ist , da der Saal schön ist und die Schlossanlage sowieso .

  • Constantia

    Teilnehmer
    15. April 2022 um 12:24

    @nordlichtw , nein es gibt nur eine Pause.

    Ich drücke Dir die Daumen, dass das mit dem Ballett klappt. Ich hatte davon gehört, dass John Neumeier sein berufliches Ende ins Auge fasst. Ich kann Deinen Wunsch verstehen.

    Tasten wir uns mal so langsam vor, mal mit, mal ohne Maske. Ich habe zwei Ausstellungen in meinem Kalender vermerkt. Immer noch die sicherste Variante für Kulturfreuden.

    Liebe Grüße

    Constantia

  • nordlichtw

    Teilnehmer
    15. April 2022 um 22:16

    das wäre mir zu anstrengend….. 6 Stunden aufmerksam zuhören ….vor einigen Jahren haben wir in HH im Thalia 3 Schwestern zu viert angeschaut und sind alle nach und nach eingeschlafen….Tschechow ist einfach zu öde weil die Han dlung nicht wirklich vorankommt

  • Constantia

    Teilnehmer
    17. April 2022 um 11:30

    Gestern gab es nun zum Dresdner “Wallenstein” die Kritiken und damit ist meine Entscheidung gefallen. Die beiden Tageszeitungen und auch mdr-kultur waren sich da ziemlich einig.

    Also erstens statt der ca. 6 waren es am Ende 7 Stunden. Wirklich gut waren die ersten drei Stunden, dann verliert sich das Ganze wohl etwas (so habe ich es herausgelesen). Es gibt teils hervorragende schauspielerische Leistungen, aber die Soufleuse hatte auch gut zu tun, was sich wiederum dann hier und auch schauspielerisch widerspiegelt.

    Das Premierenpublikum dankte allen an dem Stück Beteiligten mit Jubel und langanhaltenden Beifall.

    “Es wäre dem Haus der Mut zu wünschen, sich doch noch an eine Straffung und Konzentration zu wagen …” schreiben die Dresdner Neuesten Nachrichten. Ja dann würden sich wohl die Zögerer und wie ich Hin- und Hergerissenen für einen Theaterabend entscheiden.

    Ich wollte euch abschließende Zeilen nicht vorenthalten.

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 11 Monate von  Constantia bearbeitet.
  • etaner34

    Teilnehmer
    18. April 2022 um 9:34

    @Constantia

    Auch wenn du „abgeschlossen“ hast, es besteht ja immer noch die Möglichkeit, nach der Pause zu gehen. Ich habe bei solchen Gelegenheiten keine Skrupel, mir den Mantel an der Garderobe früher abzuholen und die teilnehmende Frage der Garderobenfrau, ob‘s denn nicht gefallen habe, freundlich ausweichend zu beantworten.

    Ich habe die Kritiken auch gelesen. Sie legen vorzeitigen Aufbruch schon nahe. Manchmal packt es einen auch so, dass man die Stunden und das lahme Kreuz hinterher vergisst.

Beiträge 1 - 8 von 8

Sie müssen angemeldet sein, um zu antworten.

Hauptbeitrag
0 von 0 Beiträge June 2018
Jetzt

Verstoß melden

Schließen