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Als ich mich am letzten Sonntag auf den Weg zum Wahllokal machte ertappte ich mich dabei – ich fragte mich, welche Partei sie wohl wählen werden. Die junge Familie mit den zwei Kindern, eins davon noch im Wagen, oder das betagte Ehepaar, dass sich auf dem Weg zurück zur Bushaltestelle machte. Oder der junge, durchtrainierte Mann, der im Eilschritt wohl schnell noch sein Kreuzchen auf den drei Stimmzetteln machen wolte.
Ja, hier waren drei Wahlen angesagt. Drei große Zettel mit vielen Namen erforderten volle Aufmerksamkeit. Muster konnte man sich vorab im Foyer ansehen.
Europawahl ok, dann noch den Stadtrat und als drittes Beigeordnete für – na da fehlte dann wahrscheinlich schon die Aufmerksamkeit.
Ich kann mich nicht erinnern, außer vielleicht bei der Wahl 1990, anstehen zu müssen um mich politisch zu entscheiden.
Wie schon so oft befinden sich die Wahllokale in einer alten Schule statt. Frisch saniert, das Alte erhalten, ansonsten modern, helle Farben, freundlich. Überhaupt eine schöne Wohngegend, viele Ältere, keine Terrain der "Reichen".
Meine Gedanken gehen mehr als 30 Jahre zurück. Zu DDR-Zeiten hätte ein Pionierchor Lieder gesungen, es hätte ein kleines Café gegeben. Dabei kam es unter Umständen zum Leidwesen einzelner Schüler zu Begegnungen zwischen Lehrer und Eltern. Blöd gelaufen.
Alles erledigt stehe ich wieder im Schulhof und mache mich auf dem Heimweg. Da bin ich noch optimistisch in Anbetracht der hohen Wahlbeteililgung.
Spätestens gestern kam der Schock. War es wirklich nur eine Partei, der es gelang Nichtwähler zu aktivieren?
Eine Freundin von mir hat angekündigt, wenn bei der Landtagswahl im Herbst diese blaue Partei Sachsen regieren sollte, geht sie weg. Dann wäre ihre Zeit hier nach 25 Jahren beendet und unsere Freundschaft auf Sparflamme vermutlich.
Ich stelle mal noch einen Link hier ein über eine Sendung auf arte im Vorfeld der Wahlen. Nach etwa 5.30 Minuten erlebt man die Episode einer Veranstaltung in einer Kirche in Bautzen. Ich war selten so entsetzt und für mehr als einen Moment hilflos.
http://www.arte.tv/de/videos/086138-018-A/re-dem-rechtsruck-auf-der-spur/
Die junge Frau, die in dem Video gehen soll, ist nicht meine Freundin. Ich hoffe, sie lässt sich nicht in die Flucht schlagen und auch meine Freundin bleibt hier in der Stadt.
Constantia
Noch ein PS.: Ich habe dieser Tage bei Roger Willemsen den Satz gelesen "Auch Überzeugungen altern." Gesagt wurde er von einem alternden Extrem-Sportler. Für mich bedeutet es nicht Überzeugungen über Bord zu werfen, aber hin und wieder zu überdenken.
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Liebe Constantia,
danke fürs reinstellen.
Katherina
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Unbekannt
Unbekannt28. Mai 2019 um 9:50Ein unendlich lebensnaher Beitrag.
Hab' ihn schon drei mal gelesen.
Hat mir meinen Tag verschönert!Danke
lg tonio40 -
Das Video ist in seiner "Beleuchtung" der Ereignisse, des "Sinneswandels", oder soll ich besser sagen: des Unterwanderns? der Meinungen erschreckend!!!
Weil man sieht, wie leicht es ist?
Hier scheinen allzu deutliche Parallelen zur Weimarer Zeit auf.
Einfach nur entsetzlich! -
Nachtrag zu vorher Gesagtem:
Solche leicht zu Überzeugenden von derartigen "Ideen" können nur jene sein, bei denen diese Einstellung bereits vorhanden war.
…der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch… 🙁 -
In den östlichen Bundesländern haben mehr Wähler für Rechtsaußen gestimmt als vielerorts im Westen. Das ist betrüblich. Aber mehrheitlich ist die Zivilgesellschaft auch im Osten demokratisch gesinnt.
https://www.sueddeutsche.de/meinung/afd-europawahl-ostdeutschland-1.4464282
Das stimmt tröstlich. Die östlichen Bundesländer sind so wunderschön und interessant, aber die Nazis vor Ort haben dem Image der Bundesländer nachhaltig geschadet. Ich kenne einige, die aus diesem Grunde Ostdeutschland nicht mehr besuchen möchten. Das finde ich schade.
Ich war im März zuletzt im Osten, in Potsdam um genau zu sein und habe mich direkt in die Stadt verliebt.Constantia, Dein Beitrag hat mich sehr berührt!
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